Auf diesem Blog geht es um Trauma, Traumafolgestörungen und unser Leben damit.
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Dienstag, 14. Juli 2020

#4: Systemrollen

Wir haben über Tiere und Introjects geredet, aber was ist mit diesen Begriffen, die Systeme die ganze Zeit benutzen, wie 'Host', 'Beschützer', etc.? Das hier ist eine (nicht sehr kompakte) Liste über diese sogenannten Systemrollen!

Host: Der Host ist die Person, die entweder am meisten draußen ist oder aber, die sich um die lebensnotwendigen Aufgaben des gesamten Systems kümmert (zum Beispiel Behördengänge und ähnliches). Das definiert jedes System ein wenig anders.
'Host' ist das englische Wort für 'Gastgeber' oder 'Wirt', diese Wörter verwenden wir allerdings nicht, da wir sie nicht mögen und wir haben auch noch nie gehört, dass irgendjemand anders diese Begriffe verwendet hat. Das einzige deutsche Wort, das wir bisher als Alternative gehört haben, ist 'Alltagsperson'. Da wir aber ein ganzes Alltagsteam haben, würde es sich für uns sehr falsch anfühlen, nur den Host so zu bezeichnen.

Co-Host: In manchen Systemen teilen sich mehrere Personen die Aufgaben des Hosts. Dort entscheidet sich dann ein System möglicherweise dafür, für einen oder mehrere andere Anteile den Begriff Co-Host(s) zu verwenden.
Bei uns ist es zum Beispiel so, dass Lana unser Host ist, sie kümmert sich um unser tägliches Leben und ist am meisten draußen. Ich (Skye) kümmere mich allerdings in der Regel um offiziellere Sachen wie Behördengänge, Arzttermine und Ähnliches, vor allem, wenn gerade viel Stress herrscht, da ich die einzige Person im System bin, die einigermaßen mit Stress umgehen kann. Deshalb trage ich die Bezeichnung Co-Host.

Beschützer: Beschützer ... beschützen. Das System als Ganzes, den Host oder bestimmte Innenpersonen. Auf unterschiedliche Arten. Es gibt beispielsweise körperliche Beschützer, die darauf aufpassen, dass dem System körperlich kein Schaden passiert, während emotionale Beschützer eher darauf achten, dass das System nicht verletzt wird und das System beispielsweise gegen Vorwürfe verteidigen. Teilweise sind Beschützer gleichzeitig auch Traumaträger, um andere Innenpersonen vor traumatischen Erinnerungen zu beschützen.

Fürsorger: ein deutscher Begriff, den wir dafür gefunden haben (wir haben bisher noch nie einen deutschen Begriff dafür gehört). Jedenfalls. Im allgemeinen Caretaker genannt (was auf Deutsch Hausmeister heißt und somit falsch ist), sind Caregiver sozusagen die Seelsorger im System. Sie kümmern sich um verschiedene Innenpersonen, wenn es denen schlecht geht; in der Regel um den Host oder die Innenkinder. Sie sind außerdem häufig zuständig dafür, für Entspannung zu sorgen und kümmern sich im allgemeinen um Selbstfürsorge.

Traumaträger: Traumaträger sind Innenpersonen, die die Traumaerinnerungen und die dazugehörigen Gefühle für das gesamte System halten. Dadurch kann anderen Personen, wie beispielsweise dem Host, ein (relativ) normales Leben ermöglicht werden.

Gatekeeper/Wächter: Wächter sind Innenpersonen, die über Wechsel bestimmen können, bestimmte Teile der inneren Welt bewachen und/oder über Erinnerungsverteilung entscheiden können. Wie wir lernen mussten, gibt es hier sehr große Unterschiede.
In manchen Systemen (gerade oder sogar ausschließlich programmierten) gibt es Wächter, die theoretisch in der Lage sind, zu jeder Sekunde zu bestimmen, wer draußen ist - diese werden aber in der Regel nur für bestimmte Innenpersonen-Gruppen/Subsysteme eingesetzt, sodass im Endeffekt trotzdem nicht jeder Wechsel kontrollierbar ist.
Als Unterstufe davon gibt es etwas, was wir mal als 'Wechselhelfer' bezeichnet haben. Damit meinen wir Innenpersonen, die zwar einen großen Einfluss auf Wechsel haben, aber eben nicht über bestimmte Wechsel entscheiden können. Sie können aber zum Beispiel bestimmen, dass Wechsel stattfinden und dann einfach durchrotieren bis jemand draußen ist, der für eine bestimmte Situation geeignet ist (da Wechsel allerdings sehr anstrengend für den Körper sind, ist es bei uns so geregelt, dass unsere 'Wechselhelferin' einfach selbst rauskommt, wenn sie niemanden finden kann, der sich gerade für die Situation eignet).
In der inneren Welt gibt es zudem teilweise Wächter, die bestimmte Trauma-Abschnitte bewachen, damit niemand versehentlich Erinnerungen sehen oder Innenpersonen treffen kann, von denen er gar nichts wissen sollte.

Fragmente: wir verstehen es selbst nicht so ganz, aber scheinbar sind Fragmente Innenpersonen, die keine vollständige eigene Person sind, sondern stattdessen nur für eine sehr spezifische Aufgabe, Erinnerung oder Emotion zuständig sind.
Wir zählen unsere Fragmente als Innenpersonen mit, da wir das sehr verwirrend finden. Wenn wir dann endlich Therapie haben (vermutlich ab 2021!) und das besser verstehen, schreiben wir bestimmt mal ausführlicher was dazu.

Persecutor oder 'dunkle Anteile':
Passend zum Gothic-Theme mancher Systeme -
ich meine natürlich, um jede Innenperson mit Problemen direkt auf ihre Probleme zu reduzieren -
also, um eine hübsche Umgehung dafür zu finden, dass man keine negativen Bezeichnungen für andere Innenpersonen verwenden soll -
ähem.
Der Begriff 'Persecutor' ist eine Bezeichnung für Innenpersonen, die dem System als ganzes eher Schaden, zum Beispiel durch Selbstverletzung oder durch problematisches Verhalten, sowohl in der Innen- als auch in der Außenwelt. Wir finden diesen Begriff schlimm, weil er - unserer Meinung nach - Innenpersonen negativ stigmatisiert. Deshalb werden wir diesen Begriff nicht verwenden.
Die 'dunklen Anteile' sind ein wenig anders. Sie unterstützen Täter aktiv und wurden in der Regel absichtlich so sozialisiert, dass sie das, was die Täter machen, gut finden. Soweit wir wissen, kommt so etwas ausschließlich in programmierten Systemen vor.

Gefühlsträger: ein von uns eingeführter Begriff für das, was im Allgemeinen eher 'Persecutor' genannt wird. Gefühlsträger halten starke mit Trauma verbundene Gefühle für das gesamte System, ohne jedoch explizit Traumaerinnerungen zu haben. Sie haben dadurch sehr schlimme vorherrschende Gefühle wie Selbsthass, Scham oder Wut, die oft relativ destruktiv ausgelebt werden.
Aber, und das darf man nicht vergessen, sie existieren, damit beispielsweise der Host diese Gefühle nicht (so stark) fühlen muss und sind somit ein wichtiger Bestandteil des Systems. Das sage ich deshalb so deutlich, weil ich schon mehrfach mitbekommen habe, wie Systeme diese Anteile systematisch ausgegrenzt haben, weil sie unangenehm sind.

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