Auf diesem Blog geht es um Trauma, Traumafolgestörungen und unser Leben damit.
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Montag, 10. August 2020

#12: Vier Seiten einer Aussage

Da ich ständig und ich meine wirklich ständig das 4-Ohren-Modell von Schulz van Thun benutze, um Dinge zu erklären, habe ich an dieser Stelle eine Zusammenfassung darüber geschrieben. Ich hoffe, ich erkläre es einigermaßen gut.
Die letzten drei Absätze sind eher so darüber, wie wir persönlich kommunizieren.

Jeder Satz, den man sagt, hat (zu unterschiedlichen Anteilen) verschiedene Aussagen: Sachinformation, Selbstoffenbarung, Beziehung zum Gesprächspartner und Aufforderung.
Nehmen wir einen Klassiker: eine Person sagt zum Koch: "Da ist ein Haar im Essen."
Die Sachinformation ist eben einfach, dass ein Haar im Essen ist.
Die Selbstoffenbarung ist alles, was man mit der Aussage über sich selbst aussagt. Zum Beispiel, dass es einem sehr wichtig ist, dass keine Haare im Essen sind (sonst würde man es vielleicht gar nicht erst ansprechen, sondern es einfach rausnehmen); in dem Kontext vielleicht, dass einem Hygenie sehr wichtig ist. (Wobei das nur Sachen sind, die ich da gerade reinlese. Es kann natürlich auch was vollkommen anderes sein.) Man sagt aber auch so Sachen über sich aus wie, dass man die deutsche Sprache beherrscht oder dass man sehen kann (sonst hätte man das Haar ja nicht gesehen).
Die Beziehungsebene beschreibt, was man von seinem Gesprächspartner hält. Dies könnte zum Beispiel sein: "Du bist ein schlechter Koch, richtig unhygienisch, etc." (Ihr kennt bestimmt Menschen, die absolut alles persönlich nehmen - sie hören vermehrt auf der Beziehungsebene.)
Es kann natürlich auch sein, dass die Beziehung positiv ist. Das kann ich am besten an einem anderen Beispiel erklären. Manchmal sage ich zu Menschen: 'du bist immer voll nett zu mir'. Auf der Beziehungsebene sage ich eigentlich: "Danke."

Die Aufforderung heißt eigentlich Appellebene, weil Appell ein tolles Fremdwort für Aufforderung ist. Ich mag allerdings keine Fremdwörter, wenn es gleichzeitig ein deutsches Wort gibt, das genau dasselbe beschreibt.
In unserem Beispiel könnte die Aufforderung sein: "Mach das weg" oder aber auch "Hol mir eine Serviette, da ich gleich dreckige Finger haben werde, wenn ich das da rausnehme" oder "kauf dir eine Kochmütze". Es gibt noch mehr Möglichkeiten, definitiv. Manchmal ist die Aufforderung klar; im Zweifelsfall fragt man eben nach. (Oder es ist gar nicht wirklich eine Aufforderung da und man muss sich eingestehen, dass kein Kommunikationsmodell perfekt ist.)

So. Die allermeisten Menschen "bevorzugen" eine Ebene. Das heißt, wenn sie etwas sagen, haben sie bei ihrer Aussage eine Ebene im Blick und gehen erstmal davon aus, dass der Gesprächspartner ihren Satz auch auf dieser Ebene versteht. Gleichzeitig nehmen sie Botschaften auch zumeist auf dieser Ebene wahr.
Auf welcher Ebene man spricht und versteht, liegt übrigens an der Sozialisierung und teilweise auch an der Genetik.

Wir selbst sind Sachebenenmenschen. Manche mehr, manche weniger, aber größtenteils eben. Skye vermutlich am meisten. Deshalb wird Skye ständig falsch verstanden. Sie sagt nämlich nicht, dass ihr kalt ist, sondern: "Warum ist das Fenster eigentlich offen? Mir ist kalt."
Eigentlich ist das nur eine Sachinformation (als Frage, um zu überprüfen, ob andere Menschen auch wollen, dass das Fenster zu ist); ein Beziehungsebenenmensch hört jetzt aber in vielen Fällen, dass sie das voll blöd findet, dass er das Fenster nicht zugemacht hat. (Das klingt in diesem Kontext sehr negativ - aber die allermeisten Menschen sind Beziehungsebenenmenschen und würden diesen Satz dadurch niemals so formulieren, weil sie ein inhärentes Verständnis davon haben, wie das bei anderen Menschen ankommt. Dadurch funktioniert Kommunikation im Allgemeinen einigermaßen gut.)

Früher haben wir nicht wirklich verstanden, warum Menschen uns ständig falsch verstehen, aber dann hatten wir zwei Jahre lang Kommunikationspsychologie-Unterricht, wo wir diese ganzen hübschen Kommunikationsmodelle gelernt haben und dann wieder und wieder Aussagen anhand ihrer einzelnen Ebenen interpretieren mussten. In der Zeit war ich ziemlich viel draußen. Am Anfang konnte ich die Beziehungsebene absolut nicht, aber irgendwann lernt man auch so was. Dadurch kann ich das inzwischen ziemlich gut, da ich in meinem Kopf laufend Kommunikationsebenen scanne; teilweise haben Innenpersonen dieses Wissen dann auch bekommen, andere können das weiterhin nicht.

Ich nehme inzwischen also laufend alles an, was mein Gesprächspartner meinen könnte und versuche auf jede einzelne Ebene zu reagieren. Dadurch sage ich meistens ziemlich viel, aber es entstehen wenigstens bedeutend weniger Missverständnisse.

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