Auf diesem Blog geht es um Trauma, Traumafolgestörungen und unser Leben damit.
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Freitag, 13. November 2020

#27: ein offener Brief an Ärzte

… die Befreiungen von der Maskenpflicht nicht akzeptieren.

(Eigentlich war es ein Brief an einen ehemaligen Arzt von mir, der etwas gesagt hatte, was darauf schließen ließ, dass er das nicht tut, obwohl es im Endeffekt nicht mal stimmte, aber ich mag diesen Brief als Erklärung dafür, warum manche Menschen die Masken nicht tragen können, also dachte ich, ich poste ihn hier mal.) Der absolute Ehrenarzt, an den das ging, hat mich übrigens gefragt, ob er den Brief ans gesamte Behandlungsteam weiterleiten darf, für mehr Aufklärung über psychische Probleme!

Hallo [Name],

ich bin nicht mehr [bei Ihnen] in Behandlung, jedoch schreibe ich Ihnen, weil ich Ihren Corona-Newsletter lese und ich eine Stelle daraus als diskriminierend empfinde. Ich bin mir sicher, es ist nicht Ihre Absicht, irgendeine Gruppe von Menschen zu diskriminieren, deshalb wollte ich Ihnen erklären, warum ich das so empfinde.
Und zwar geht es um den Absatz bezüglich der Maskenpflicht. Sie schreiben, dass in der Klinik davon keine Ausnahmen gemacht werden, da in Studien keine Gesundheitsgefährdung durch das Tragen einer Maske festgestellt werden konnte. Da kann ich Ihnen natürlich nicht widersprechen, die Masken haben einen enormen Vorteil und der Bereich der Medizin ist ohnehin Ihr Fachgebiet, nicht meins.

Als Kinderprostitutionsopfer möchte ich Ihnen dennoch eine andere Seite der Maskenpflicht aufzeigen, die in Ihren Überlegungen vermutlich bisher nicht vorgekommen ist (was auch verständlich ist, wenn Sie sich bisher nicht mit dem Thema beschäftigen mussten, was man hoffen möchte).
Ich habe sehr viele Bekannte, die in ihrer Kindheit mehrfach vergewaltigt wurden und nahezu alle (inklusive mir) haben dasselbe Problem: das Tragen der Maske erinnert sie an traumatische Erlebnisse. Es ist dem Gefühl sehr ähnlich, den Mund zugehalten zu bekommen, einmal wegen der Bedeckung, aber auch aufgrund des Gefühls schlechter Luft zu bekommen. Leider passiert dies während einer Vergewaltigung sehr häufig, damit das Opfer keine Möglichkeit hat, auf sich aufmerksam zu machen.
Natürlich ist das Tragen einer Maske nichts schlimmes und es passiert auch nichts schlimmes dadurch, aber das ist eben leider nicht wie Trauma funktioniert. Eine PTBS verändert eben leider wie das Gehirn auf Reize reagiert und dagegen kann man nichts machen, zumindest kurzfristig nicht (langfristig hilft natürlich Therapie).
Ich kenne einige Menschen, die die Maske nur für eine sehr begrenzte Zeit tragen können (z.B. 5 Minuten), bei längerem Tragen haben sie ziemlich sicher einen Flashback. Und ja: ein Flashback macht keine gesundheitlichen Schäden. Niemand stirbt durch einen Flashback. Aber Menschen sterben durch Suizid, jeden Tag. Und Menschen sterben durch Dauerstress, der entsteht, wenn man mehrfach am Tag durch solche Flashbacks belastet ist.

Auch aus diesen Gründen gibt es Befreiungen von der Maskenpflicht. Wenn Sie schreiben 'wir machen keine Ausnahmen bei der Maskenpflicht', dann machen Sie Ausnahmen bei der Behandlung. Für all die Leute, deren PTBS zu schlimm ist, als dass sie eine Maske über einen längeren Zeitraum tragen könnten. Für all die Kinder, die regelmäßig vergewaltigt werden, von denen es auch in [Ihrer Klinik] welche gibt. Für all die Eltern und Erwachsenen Überlebenden. Wir existieren auch. Und wir brauchen solche Ausnahmen.

Ich schreibe Ihnen das, weil ich mir sicher bin, dass es Ihnen schlichtweg nicht bewusst ist. Sie betreuen Menschen mit [Name der Krankheit], keine Menschen mit psychischen Erkrankungen. Aber es gibt eben auch [Menschen mit der Erkrankung] mit psychischen Erkrankungen, mit Trauma, mit Überlebenshintergrund aus der Kinderpornografie oder von übergriffigen Eltern, Nachbarn, Familienmitgliedern, … Und wir können keine Masken tragen. Zumindest in vielen Fällen.
Ich hoffe, dass Sie sich dessen bewusst werden und Menschen, die von der Maskenpflicht durch Hausärzte, Psychiater, etc. befreit sind, zumindest anhören bezüglich ihrer Gründe, bevor Sie ihnen, schlichtweg aus Ignoranz, die Behandlung verweigern.

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