Vor einigen Wochen (Monaten?) hatten wir mit jemandem ein Gespräch über unsere Hobbys, in dem wir erwähnten, dass wir teils sehr viel Zeit in diese investieren, einfach, da wir sonst nichts anderes zu tun haben. In diesem Gespräch fiel der Satz, dass wir ein sehr schönes Leben hätten und es toll sei, dass wir uns nicht mit unflauschigem Kram wie Arbeit oder Schule beschäftigen müssten.
Seitdem spukt uns dieser Satz immerzu im Kopf rum.
Ein schönes Leben. Haben wir das?
Darauf mit 'Nein' zu antworten, fühlt sich unglaublich undankbar an. Wir haben eine funktionierende Beziehung und einen unglaublich tollen Freundeskreis. Wir haben eine eigene Wohnung und genug Geld, um problemlos durch den Monat zu kommen (und falls es doch mal knapp werden sollte, würde unsere Mutter uns Geld geben). Wir haben viele Plüschtiere und einen milden Krankheitsverlauf, was unseren Gendefekt angeht. Momentan dürfen wir ein neues Medikament ausprobieren, welches diesen höchstwahrscheinlich, nach ein paar Monaten Symptomverschlimmerung, fast vollkommen unbemerkbar machen wird, insofern wir es langfristig vertragen. Wir haben keine wirklichen Streitigkeiten im System und beinahe alle geben sich Mühe, was innere Kommunikation betrifft, auch wenn wir es noch nicht so gut hinbekommen. Wir haben sogar mittlerweile einen Therapieplatz gefunden.
Trotzdem hinterlässt die Äußerung einen bitteren Nachgeschmack.
Darauf mit 'Nein' zu antworten, fühlt sich unglaublich undankbar an. Wir haben eine funktionierende Beziehung und einen unglaublich tollen Freundeskreis. Wir haben eine eigene Wohnung und genug Geld, um problemlos durch den Monat zu kommen (und falls es doch mal knapp werden sollte, würde unsere Mutter uns Geld geben). Wir haben viele Plüschtiere und einen milden Krankheitsverlauf, was unseren Gendefekt angeht. Momentan dürfen wir ein neues Medikament ausprobieren, welches diesen höchstwahrscheinlich, nach ein paar Monaten Symptomverschlimmerung, fast vollkommen unbemerkbar machen wird, insofern wir es langfristig vertragen. Wir haben keine wirklichen Streitigkeiten im System und beinahe alle geben sich Mühe, was innere Kommunikation betrifft, auch wenn wir es noch nicht so gut hinbekommen. Wir haben sogar mittlerweile einen Therapieplatz gefunden.
Trotzdem hinterlässt die Äußerung einen bitteren Nachgeschmack.
Denn unser Leben ist nicht schön. Es fühlt sich nicht toll an, dass wir nicht arbeiten können, weil wir nichts machen können. Unser gesamtes Leben ist darauf ausgerichtet, dass wir möglichst keinen Stress haben, weil wir durch unser Trauma so dauergestresst sind, dass jedes zusätzliche Bisschen Stress Überforderung bedeutet und im schlimmsten Fall direkt eine depressive Episode.
Wir kommen nie hinter all dem Behördenzeug hinterher, um das wir uns kümmern müssen. Erst vor zwei Wochen haben wir einen Brief abgeschickt, für den wir eine Frist hatten, die Mitte Dezember abgelaufen war. So etwas passiert ständig. Zum Glück war es bisher nie schlimm, wir mussten höchstens mal sagen, was wir haben und im Notfall würden wir auch sagen, was uns passiert ist, weil unsere Erfahrung ist, dass die meisten Menschen sich gar nicht trauen, kein Verständnis zu haben, wenn man ihnen solches Trauma ins Gesicht klatscht.
Eigentlich würden wir gerne eine Assistenz oder so beantragen, die uns bei dem ganzen Behördenkram hilft, aber ... hahaha. Wenn wir es nicht mal schaffen, einen Zettel rechtzeitig auszufüllen und abzuschicken, wie wollen wir dann irgendetwas beantragen?
Wir versuchen regelmäßig, neue Dinge zu lernen, seitdem wir das Studium abgebrohen haben. Aber in den letzten 2.5 Jahren haben wir es nie geschafft, das irgendwie zu regulieren. Wir beschäftigen uns dann sieben Stunden pro Tag mit etwas; nach zwei Monaten bekommen wir Depressionen und fassen es für das nächste Jahr nicht mehr an, weil es alles zu stressig ist. Gerade ist das erste mal, dass wir etwas lernen, wo wir es halbwegs hinbekommen, es tatsächlich aufzuteilen und das funktioniert auch nur, weil es ein in Wochen aufgeteilter Kurs ist, bei dem gar nicht die Möglichkeit besteht, schon mal in die nächste Woche reinzugucken. Ich bin mir sicher, bestünde diese Möglichkeit nicht, wären wir nach drei Wochen schon mit 80% des Kurses 3-Monats-Kurses durchgewesen und hätten den Rest komplett ignoriert, weil wir so überfordert gewesen wären.
Dadurch, dass unsere Energie für stressige Sachen unglaublich begrenzt ist, können wir die meiste Zeit des Tages nicht viel mehr machen als Serien schauen, irgendwelchen Hobbys nachgehen (von denen die Hälfte gerade wegen Corona/Verletzung nicht gehen) und ab und zu mal unsere Wohnung aufräumen.
Dadurch, dass unsere Energie für stressige Sachen unglaublich begrenzt ist, können wir die meiste Zeit des Tages nicht viel mehr machen als Serien schauen, irgendwelchen Hobbys nachgehen (von denen die Hälfte gerade wegen Corona/Verletzung nicht gehen) und ab und zu mal unsere Wohnung aufräumen.
Niemand wünscht sich das.
Unsere Situation klingt, vom Trauma abgesehen, für viele Menschen irgendwie wahnsinnig erstrebenswert, aber die allermeisten Menschen würden sich nach ein paar Wochen bis Monaten langweilen. Wir sitzen jetzt seit fast drei Jahren Zuhause. Es ist nicht schön, aber notwendig. Wir wollen nicht mehr sterben, wir sind nicht mehr suizidal, wir verletzen uns kaum noch selbst. Das war früher alles Alltag.
Unser Leben ist besser als früher, schöner als früher, ja, wir werden nicht mehr missbraucht und wollen nicht mehr jeden Tag sterben. Aber das ist nicht, was 'schön' bedeutet. Wir sind immer noch jeden Tag des Jahres traumatisiert. Wir können nicht mal Therapie machen, ohne unser Leben in einen Albtraum zu verwandeln. Und wo wir bei Albträumen sind: wir haben ungefähr 30% der Nächte Albträume. Nur sind 25% davon sehr konzentriert auf wenige Wochen im Jahr.
Irgendjemand anders ist wütend.
Ein schönes Leben? Ja? Ja. Es ist so unglaublich schön, mit so viel Trauma leben zu müssen, dass sich unser Bewusstsein gespalten hat. Es ist schön, ständig wochenlang jeden Tag Albträume zu haben. All die Flashbacks sind wunderschön. Es ist echt toll, nicht zum Frauenarzt gehen zu können, obwohl wir eventuell seit zwei Jahren irgendwelche hormonellen Probleme haben. Vielleicht ist es aber auch nur psychisch - hoffentlich. Es ist wunderschön, regelmäßig die Therapie für die eigene chronische Erkrankung zu vergessen, weil man Amnesie hat oder zu vergessen, ob man zu einem Essen schon Tabletten genommen hat und wenn ja wie viele, und dann jedes mal unter- oder über zu dosieren und in jedem Fall am nächsten Tag Bauchschmerzen zu bekommen. Es fühlt sich brilliant an, Therapie machen zu müssen, aber so viel Trauma mit Therapie zu haben, dass das bloße Anwesendsein dort schon Trauma-Aufarbeitung ist und die Therapeuten dann trotzdem die ganze Zeit erwarten, das man noch dies oder das macht, schließlich machen sie das mit ihren anderen Patienten die nicht zwei Jahre lang von ihrem Therapeuten vergewaltigt wurden ja auch. Es ist richtig geil, in jeder neuen Freundschaft (wegen der DIS) erstmal erklären zu müssen, dass man traumatisiert ist, wie sich das auswirkt und warum das wichtig ist, dann 500 Fragen zu beantworten, um sich dann anzugucken, wie ungefähr 50% der Leute wieder gehen, weil sie so was Kaputtes nicht in ihrem Leben haben wollen.
Es ist echt fantastisch, 99% von dem, was man gerne machen würde, nicht machen zu können, weil man einfach nicht die mentale Energie dafür zur Verfügung hat. Ja, man. Ich freu mich so, dass ich nicht arbeiten muss, es ist echt angenehm, sich durchgehend total beschissen zu fühlen.
Nein. Unser Leben ist wirklich vieles, aber schön ist es nicht. Wir reden nicht unglaublich viel über unsere Probleme, aber das heißt nicht, dass sie uns nicht durchgehend einschränken. Wir geben uns die meiste Zeit über sehr viel Mühe, uns auf positive Sachen zu konzentrieren und das findet sich dann auch in dem, was wir sagen, wieder - aber dadurch wird unser Leben nicht angenehm. Es wird nur weniger schrecklich. Und ja. Wir sind nicht unzufrieden. Jedenfalls nicht andauernd. Aber schön? Schön ist etwas anderes.
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