Auf diesem Blog geht es um Trauma, Traumafolgestörungen und unser Leben damit.
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Montag, 5. Juli 2021

#63: Erste Person Plural III

Ich möchte dich anschreien. Wie du immer noch beschließt, unsere Lebensrealität für dich umzudefinieren. Wie wir nichts wert sind, was ich spüren kann, in jedem einzelnen Satz von dir. Als hätte ich jemals etwas anderes erwarten können.
Es fühlt sich so ekelhaft an, das eigene Sein erklärt zu bekommen, in die Normalität reindefiniert zu werden, in der andere Menschen so gerne leben würden, als wäre dort jemals Platz für uns gewesen. "Ich definiere Personen nicht nach einer Persönlichkeit", sagst du, "jeder Mensch hat Persönlichkeitsanteile, die sich mal mehr mal weniger voneinander unterscheiden, mal mehr mal weniger verträglich miteinander sind", als wüsstest du nicht genau, was eine DIS ist. "Ich akzeptiere das Wir in dir als Lebensvorstellung, aber sehe dich als Person dann doch in einem Körper.
Insofern darfst du dich nicht wundern, wenn ich dich als ein 'Du' betrachte und auch so benenne."
Insofern darfst du dich nicht wundern, wenn ich dein Sein komplett ignoriere und es in irgendeine Schublade stecke, die für mich besser passt.

Es kotzt mich so sehr an. Rein biologisch gesehen sind wir eine Person, die neuronal aufgeteilt ist, die Identitätsgefühle sind nur ein Stück Zuordnung. Damit arbeiten wir. Nach außen hin benutzen wir verschiedene Namen und Pluralpronomen, weil es sich richtiger anfühlt, uns getrennt zu betrachten in einem sozialen Kontext mit anderen Menschen, weil uns das hilft, weil es ein Stück Therapie gegen eine fehlerhafte Vorstellung von Sein ist, ein Stück Sichtbarkeit für alles, was wir erlebt haben. Niemand sonst hat das Recht, für sich selbst festzustellen, wie man uns behandeln sollte. Niemand sonst hat das Recht, für sich selbst zu definieren, was es bedeutet, wie wir sind. Es gibt Systeme, die sich als eine Person mit gespaltenen Persönlichkeitsanteilen wahrnehmen. Das sind nicht Wir.

Dass diese Aussagen von Blyth kamen, steht mit Absicht erst an dieser Stelle im Text, weil sich gerne alle angesprochen fühlen dürfen, die genau dasselbe zu uns gesagt haben. Viel Spaß mit der Erkenntnis, dass ihr uns genauso missachtet habt wie jemand, dem wir offensichtlich komplett gleichgültig sind. Wir haben klar definiert, wie wir uns den Umgang von anderen Menschen mit unserer DIS wünschen und an Stellen, an denen es unklar ist, sind wir immer offen für Fragen. Unser Sein in einen anderen Kontext zu setzen und uns darauf basierend (falsch) zu behandeln, ist übergriffig.

Irgendjemand wird sich vielleicht daran erinnern, dass wir in diesem Post im April angeschnitten hatten, dass jemand von uns Blyth angeschrieben hat. Zum Glück fiel uns auf, dass man Nachrichten zurückziehen kann (jedenfalls dort, wo die Nachricht geschrieben wurde) und das haben wir dann gemacht, bevor er überhaupt merken konnte, dass wir ihm geschrieben haben.
Vor ein paar Tagen ist dasselbe nochmal passiert. Ich hab das zwar wahrgenommen, aber nicht richtig, es war irgendwie weit weg. Mittlerweile haben wir den Account gelöscht, von dem ihm geschrieben wurde. Nur nicht ohne vorher zu lesen, was da für Nachrichten ausgetauscht wurden.
Natürlich ist es nicht weiter verwunderlich, dass ein Täter übergriffig handelt, dass er ignoriert, was man sagt und es vollkommen ohne Rücksicht irgendwie in seinem Leben einordnet, dass es ihm schlichtweg egal ist. Wütend hat es mich trotzdem gemacht, vor allem, weil er bei Weitem nicht die einzige Person ist, die bezüglich unserer DIS solche Aussagen trifft. Wir hatten dieselbe Aussage erst vor ein paar Wochen von jemand anderem - und die Person war kein Täter.

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