Als ich neulich ein paar Texte rausgesucht hab und dafür relativ viel von allem gelesen habe, was wir früher so geschrieben haben, fielen mir einige Dinge auf, die im Kontext der DIS-Diagnose sehr interessant sind. Man braucht dafür vielleicht etwas Hintergrundinfo: mittlerweile schreiben wir meistens sehr geordnete Texte. Es gibt irgendein Thema, wir machen uns darüber Gedanken, wir schreiben es auf, der Text wird mehrmals bearbeitet, meistens auch deutlich zeitversetzt zu seiner Entstehung veröffentlicht. Das liegt daran, dass es sonst momentan nicht viel gibt, über das wir schreiben wollen würden. Unser Leben ist ziemlich leer.
Früher haben wir sehr frei Texte geschrieben, nur Rechtschreibung korrigiert und dadurch entstand sehr viel, das wir teils selbst nicht verstanden haben, wenn wir uns nicht gerade fünf Stunden mit dem Text hingesetzt haben, um die Metaphern (oder was auch immer) zu verstehen. Und so gibt es auch sehr viele Anspielungen auf DIS-Dinge (pun not intended).
Hier einige Auszüge:
"Ich kann dir nicht sagen, was ich meine, ich werde niemals reden können, diese gesamte Zeit wird immer ein totgeschwiegener Anfang sein, den ich nicht ausspreche. [...] Es gibt keine Worte, es wird niemals welche geben, weil ich alles so tief in mir verschlossen habe, dass ich die Wahrheit selbst nicht mehr kenne." - 20. März 2014.
Hintergrund: Dieser Text war ein Brief an unseren Ex darüber, dass wir unsere Beziehungsproblematiken nicht erklären konnten, die vom Missbrauch stammten. (Von dem wir nichts wussten.)
"Es gibt Wörter, die so hässlich sind, dass du sie nicht aussprechen kannst und es gab mal eine Sprache, die sich nach Heimat anfühlte, aber gestorben ist. In deinem Kopf sprichst du anders. Aber das ist nicht deine Heimat und so läufst du in Sackgassen, während du versuchst Zuhause zu finden, aber das existiert nicht mehr. Du existierst nicht mehr. Jedenfalls nicht so, jedenfalls nicht voller Worte, [...] bis zu dem Punkt, an dem du verstehst, warum Menschen sich andere Namen geben." - 02. März 2015
Kurz nach dem Hostwechsel; der erste Satz bezieht sich auf (unbekannten) Missbrauch, das 'Du' ist Direktanrede für uns und Melanie hatte das Gefühl, sie müsste ihren Namen [vom Ausweisnamen] ändern, weil "sie plötzlich so anders war".
Den Text haben wir tatsächlich auch unserem Psychologen gezeigt, als es um die Diagnosestellung ging. Wir haben generell relativ oft uns selbst mit 'Du' angesprochen oder ganze Gespräche aufgeschrieben, die in unserem Kopf stattgefunden haben. Aber das war natürlich alles nur ein Stilmittel. /ironie
"Kann ich bitte meine Erinnerungen wiederhaben?
Ich habe Angst, dass dort nur Leere ist; ich habe Angst, irgendetwas zu finden."
- 26. Dezember 2015.
Ein kleiner Text an unseren Exfreund (Blyth).
"Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe. Vielleicht habe ich nie irgendetwas gesagt. Vielleicht ist das alles auch einfach gar nicht passiert und ich bilde es mir nur ein. [...] Wusstest du, dass ich jede Erinnerung an dich aus meinem Gedächtnis streiche? Es dauert in etwa sechs Monate. Aber dann sehen wir uns wieder. Du sagst 'ich weiß noch als' und ich denke: nein. Das ist nicht passiert. Jedenfalls nicht in meinem Leben." - 19. Januar 2017.
Gaslighting gepaart mit Amnesie und dem Zeitraum, den es dauert, Erinnerungen abzuspalten, die nicht einfach weggehen könnten, ohne auffällig zu sein, weshalb es erst nach ein paar Monaten passiert. Irgendwann ist mir das aufgefallen: dass ich Schlimmes erleben konnte und nach einem halben Jahr war es relativ zuverlässig weg. (Und weg heißt natürlich, dass jemand anders die Erinnerungen und vor allem die dazugehörigen Gefühle bekommen hat.)
Es gibt noch einen Text, in dem wir darüber geredet haben, dass es sich anfühlt, als wäre "ich" verschiedene Personen. Ich erinnere mich daran, dass ich den Text dem Psychologen gezeigt habe, aber ich kann ihn nicht finden. Er ist nicht auf unserem Zusammenfassungsblog - ich hab eine Notiz gefunden, dass er von 2015 ist, aber leider habe ich keine Ahnung, was das tagebuchmäßig heißt, welches Tagebuch wir da gerade hatten. Deshalb kann ich den leider nicht zeigen, was mich selbst traurig macht, ich hätte den gerne zitiert.
Nichtsdestotrotz fand ich das alles sehr interessant zu lesen!
Ich hab auch ein tolles Beispiel für ein Gespräch gefunden, das aufgeschrieben wurde, aber der Inhalt ist leider nichts, was wir auf dem Blog haben wollen würden, also taucht es an dieser Stelle nicht auf.
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