Auf diesem Blog geht es um Trauma, Traumafolgestörungen und unser Leben damit.
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Donnerstag, 19. Mai 2022

#99: Trauma: Therapie VIII

Ich will nicht mehr in Therapie sein, wenn es ohnehin nur immer eine scheiß Illusion ist von wegen, vielleicht bringt es mir ja was, wenn ich noch einen Monat länger hingehe, vielleicht ändert sich ja was, vielleicht macht es dieses man nicht mein Leben kaputt und im Endeffekt wird einem eh nie zugehört und es ist eigentlich nur scheiße. Und wenn ich etwas will, was mein Leben nur schlechter macht, wo ich durchgehend das Gefühl habe, dass mir niemand zuhört und ich bin trotzdem verpflichtet hinzugehen, warum lasse ich mich dann eigentlich nicht direkt wieder missbrauchen? Es macht keinen Unterschied. Jemand hört einem nie zu, aber verspricht die ganze Zeit, wenn man es nur lange genug versucht, dann ändert sich irgendetwas. Für eigentlich jede Art von Beziehung ist klar, dass das absoluter Müll ist; warum sollte es in der Therapie plötzlich anders sein?
Und dann wird gesagt „Sie müssen ja nicht in Therapie gehen“. Ist wirklich geil diese Freiheit, bei der ich dann alle paar Monate zum Gutachter muss, um zu beweisen, dass ich nicht arbeiten kann und nie meinen Namen ändern können werde und nicht mehr auf Reha fahren darf, weil mir gesagt wird, ich soll erstmal ambulante Therapie versuchen und Menschen davon überzeugt sind, dass ich nicht versuche, irgendwas zu ändern, weil „sonst wärst du in Therapie“. Aber ja, natürlich kann ich mich „freiwillig“ entscheiden, nicht in Therapie zu gehen - ungefähr so freiwillig wie unsere Beziehung zu Blyth war, wir hätten ja auch jederzeit einfach Schluss machen können.

Ich komm nicht darauf klar. Wie Therapeut*innen sich die ganze Zeit als die Ausnahme sehen.
Normalerweise ist es so, dass, wenn man nach einem Jahr noch extrem starke Kommunikationsprobleme hat, obwohl man voll oft miteinander redet, dass eine zwischenmenschliche Beziehung dann irgendwie keinen Sinn macht, weil man offensichtlich irgendwie nicht auf einer Wellenlänge ist? Scheiß egal, in der Therapie funktioniert das bestimmt irgendwann in drei Jahren noch.
Normalerweise ist es so, dass, wenn einem eine zwischenmenschliche Beziehung absolut nichts Positives bringt, man sie vermutlich beenden sollte? Ach, in der Therapie bekommen wir das bestimmt irgendwann in drei Jahren noch hin.

Freunde sagen mir vielleicht mal Bescheid, wenn sie in Urlaub fahren und zwei Wochen nicht erreichbar sind; sagen Treffen ab und entschuldigen sich vermutlich, vielleicht ein bisschen mehr, wenn sie sich selbst hassen. Therapeuten: „Oh, aber ist das wirklich okay für Sie, wenn die Therapie ausfällt? Kommen Sie klar? Brauchen Sie einen Notfallplan für, wenn ich drei Wochen im Urlaub bin?“ Es gibt nichts, was ich mehr hasse. Wie entitled sind diese Leute bitte, dass sie denken, nachdem man sie fünf mal gesehen hat, kommt man ohne sie nicht mehr klar? Ich versteh so was, wenn man schon Jahre in Therapie ist und es einem richtig schlecht geht, ich kenne auch durchaus Menschen, denen es deutlich schlechter geht, wenn deren Therapeut*innen im Urlaub sind oder die sogar für die Zeit oft in eine Tagesklinik gehen, weil sie sonst suizidal werden. Aber in welcher Welt siehst du jemanden ein paar mal und danach ist „Kommst du ohne mich klar?“ eine naheliegende Frage? Wie weit abgehoben muss man sein, dass man Leute, die Hilfe brauchen, so sehr als hilflos sieht, dass man denkt, sie kommen nicht zwei Wochen ohne einen klar?
Wir hatten in unserem Leben genau null Suizidversuche. Wir wurden von unserem letzten (okay, vorletzten) Therapeuten missbraucht. Was denken die, was wir tun, wenn die zwei Wochen wegfahren? Uns in die Luft sprengen?
Auch beliebt: „Nachdem wir über dieses schwierige Thema geredet haben und Sie ein bisschen geweint haben, ist das wirklich okay, dass Sie jetzt nach Hause gehen müssen?“ Nein, bitte rufen Sie die Psychiatrie an. (/s) ??? Nein, ich wurde 22 Jahre lang missbraucht und hab nicht versucht, mich umzubringen, aber jetzt, wo ich mit Ihnen darüber rede, will ich schon sterben?
Es regt mich so doll auf. In was für lofty Wolken leben die?

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