Auf diesem Blog geht es um Trauma, Traumafolgestörungen und unser Leben damit.
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Donnerstag, 2. Juni 2022

#104: Across the horizon it's coming to sweep you away.

„Ich nehm dich mal mit“, sagt Scarlet und schließt deine Bürotür auf. Natürlich. Chronischer Platzmangel. Der Raum wird auch dann genutzt, wenn die Person, die ihn eigentlich belegt, im Urlaub ist.
Mich erschlägt die Ordnung. Der Schreibtisch steht andersrum, gerade jetzt, die Wände sind leer bis auf ein Regal mit Fachbüchern und eine Pinnwand, vermutlich mit reharelevanten Dingen, ein Kalender. Der Tisch hat jetzt zwei Stühle und die Bank, die mir gerade nicht auffällt, ich bleibe kurz stehen, unentschlossen, setze mich dann reflexartig auf sie.
Ich blicke mich um. Es ist nicht mehr dein Büro, natürlich nicht. Das Zettelchaos an den Wänden ist weg. Es gibt eine andere Uhr, die die richtige Uhrzeit anzeigt. Alles steht gerade an Wänden, klinisch steril, geordnet, kalt, nichts versprüht die Wärme, die man vorher hier gefunden hat.

Was ich hier mache, will Scarlet wissen.
Mit dir abschließen.
Dich besuchen.
Ich fange an: ich wollte -
also -
wie erkläre ich das?

Ich glaub, jemand anders ist rausgekommen oder zumindest erinnere ich mich nicht. Ich weiß, dass wir ihr erzählt haben, dass wir vergewaltigt wurden, letztes mal, 2017, oder zwei Jahre, irgendwie beides. Sie kannte Blyth nicht mal.
„Letztes mal bin ich mit dem Gedanken nach Hause gefahren, dass ich bald wiederkomme und dann hat er Schluss gemacht und jetzt wollte ich unbedingt wiederkommen, damit ich dieses mal mit dem Gedanken nach Hause fahren kann, dass ich nicht wiederkommen muss.“
Wie es mir geht will sie wissen.
Gut. Ich bin so dissoziiert, dass ich rein gar nichts fühle.

Jetzt bin ich auf meinem Zimmer und du bist wieder hier. Ich will mich rausschmeißen lassen, damit ich dich sehen kann. Ich saß vorhin auf der Bank und hab es nicht mal bemerkt. Wir hatten da Sex. Nicht mal eine Vergewaltigung. Sex.
Ich ertränke mich in Terminen bis ich dich vergessen habe.

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