Auf diesem Blog geht es um Trauma, Traumafolgestörungen und unser Leben damit.
Bitte achtet auf eure Grenzen beim Lesen der Texte.

Donnerstag, 13. August 2020

#13: Meeresbiologiestudium

Wisst ihr, es gibt eine Sache, in der Psychologen besonders schlecht zu sein scheinen und das ist Sachebenenkommunikation. Aber vermutlich bin ich einfach biased und das ist allgemein bei neurotypischen Menschen so. I wouldn't know. Mein Freundeskreis besteht zu 80% zu Autisten. Da herrscht Sachebenenkommunikation pur.

Für alle, die das Kommunikationsebenenmodell nicht kennen, ist hier eine Zusammenfassung.

Ich habe viele Vorgespräche (manchmal ist auch wer anders draußen, aber meistens ich).
Dort scanne ich keine Kommunikationsebenen, weil ich weiß, dass es Innenpersonen gibt, die das nicht können und es wäre unfair für diese, wenn ich einen Psychologen aussuche, mit dem sie am Ende überhaupt nicht klarkommen, weil er sie und sie ihn dauernd falsch verstehen. Ich will ja einen Psychologen fürs System allgemein finden und nicht nur für mich.
Aber jedes mal merke ich wieder: ich habe das Gefühl, die Psychologen und ich, wir kommunizieren in vollkommen verschiedenen Welten. Egal, was ich sage, es kommt nie an. Jedenfalls nicht so, wie es gemeint war. Also verbringe ich die Hälfte der Stunde damit, Dinge, die ich gesagt habe, zu erklären und am Ende habe ich immer noch nicht so wirklich das Gefühl, dass man mich verstanden hat, aber zumindest so halbwegs. Reicht - halbwegs.

Die nächste Stunde verbringe ich dann übrigens damit über all die Dinge zu sprechen, die ich in der Stunde davor nicht verstanden habe, die mich aber immer noch beschäftigen. An was anderes habe ich meistens eh keine Erinnerungen.

Ich weiß nie, ob das normal ist. Dass man 50% der Stunde damit verbringt, über Dinge zu reden, die man selbst oder der Psychologe nicht versteht. Vielleicht ist das ja, wie Therapie funktioniert. Vielleicht muss man nur einen Therapeuten finden, bei dem man es schafft, dieses Gespräch jedes mal zu führen, ohne irgendwann zu denken, dass man ihn bestimmt nervt und man lieber aufhören sollte zu reden, bis man die Therapie abbrechen muss, weil man nichts mehr sagt und er irgendwann lauter falsche Sachen denkt, wegen denen man sich zu sehr schämt.

Aber dann denke ich wieder, mit meinen Freunden kann ich ja auch reden ohne dass ich laufend jeden einzelnen Satz erklären muss. Da war es auch von Anfang an so. Dann sollte es ja bei einem geeigneten Psychologen eigentlich auch so sein, oder? (Oder ich bilde mir das ein, weil ich im Alltag zu viel Kommunikationsebenen scanne. Who knows.)

Vor allem will ich mir gar nicht ausmalen wie frustrierend die Therapie für andere Innenpersonen sein muss, weil ich im Alltag diese Probleme ja vergleichsweise wenig habe - möglicherweise wäre es bei ihnen noch viel schlimmer.

Ich wünschte, ich könnte einmal etwas sagen, ohne direkt fünf vollkommen unrelatierte Dinge angeblich mitgesagt zu haben, die ich dann alle erstmal einzeln verneinen muss und außerdem nochmal erklären muss, was ich eigentlich meine und im schlimmsten Fall denkt der Therapeut dann noch, ich bin vollkommen delusional und rede mir das selbst ein, dass seine Interpretation meines Verhaltens nicht in sein Analysemuster passt.
Immerhin kann man keine offenen Beziehungen aus anderen Gründen als 'mich sperrt das ein, weil Trauma' haben wollen (Polyamorie existiert nicht, by default). Und man kann auch nicht Blau aus anderen Gründen als Lieblingsfarbe haben, als dass man das blaue Meer so sehr mag. Und man hat definitiv eigentlich gerade gesagt, dass man Meeresbiologie studieren möchte und nicht, dass Blau die Lieblingsfarbe ist.
Ja. Letzteres ist ein komplett überzogenes Beispiel. Aber es ist genau wie ich mich immer fühle.

Was mich zum nächsten Punkt führt, den ich eigentlich gar nicht ansprechen wollte, weil er unglaublich sexistisch klang, da ich es mir selbst nicht erklären konnte: bei weiblichen Therapeuten ist das um Längen schlimmer. Bei männlichen Therapeuten werde ich meistens wenigstens noch gefragt: "Meinten Sie das nun so und so?"
Bei weiblichen Therapeuten kommt direkt die Frage zurück, warum ich denn dann nicht Meeresbiologie studiert habe und ich darf dann erstmal in meinem Kopf aufdröseln, wie zur Hölle diese Annahme schon wieder entstanden ist.
Neulich habe ich mit einem Freund darüber geredet und er hat vorgeschlagen, dass es ja vielleicht daran liegen könnte, dass von Frauen einfach viel mehr erwartet wird, dass sie alles immer automatisch verstehen (wenn es Missverständnisse mit einer Frau gibt, liegt es laut allen anderen Beteiligten immer daran, dass sie ihre Regel hat), wodurch sie den Anspruch an sich selbst entwickeln, alles immer hundert Prozent richtig verstehen zu müssen, wodurch sie automatisch so gut darin werden, dass sie dann einfach voraussetzen, dass sie Recht haben. Das passiert ja ohnehin oft, wenn man etwas gut kann: man geht von vornherein davon aus, dass man alles, was diese Sache betrifft, richtig macht. Davon bin auch ich nicht frei, nur bezieht es sich bei mir eher auf Ernährung.

Das ist aber ziemlich schlecht, wenn man bei männlichen Therapeuten auf der anderen Seite dauernd Angst hat, dass sie einen vergewaltigen.

Deshalb frage ich mich in letzter Zeit vermehrt, ob das einfach normal ist oder ob es außerhalb der DIS noch Probleme gibt, die einfach nie beachtet wurden. (Mainly Autism.)
Das kann mir hier natürlich niemand beantworten, aber zumindest kann beantwortet werden, wie das in der eigenen Therapie aussieht. Also ein paar Fragen: habt ihr grundsätzlich das Gefühl, euch mit eurem Therapeuten auf einer Gesprächsebene zu bewegen? Wie oft habt ihr das Gefühl, dass euer Therapeut euch nicht (richtig) versteht oder dass ihr ihn nicht (richtig) versteht? Und wenn das passiert, werden diese Unklarheiten oder Missverständnisse dann schnell aus dem Raum geräumt oder nehmen die Gespräche darüber einen großen Teil der Therapiesitzungen ein?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen