Die Sache ist, ich will nicht mal erreichen, dass niemand das mehr sagt. Ich weiß, dass sich viele Menschen trotzdem darüber freuen und es ist immer toll, wenn Menschen glücklich sind.
Aber für mich ist es traurig, dass es in Beziehungen plötzlich so viel mehr Raum einnimmt als in Freundschaften. Und ich gehe einfach davon aus, dass es Menschen gibt, die das genauso empfinden wie ich, auch wenn ich noch nie mit jemandem geredet habe.
Ich finde, es ist irgendwie wichtig zu wissen, warum man das sagt. Was das für einen selbst bedeutet, dass man es so empfindet. Was für einen Einfluss das auf die Beziehung hat. Ob es andere Gründe für die Beziehung gibt als "mein:e Partner:in ist schön" und wenn ja, warum diese Sachen dann nicht viel mehr Gesprächsthema sind. Und wenn nein, warum man die Beziehung dann überhaupt hat. Wenn man sofort weg wäre, nur weil sich ein Aspekt ändert. Ob man das nicht vielleicht zumindest offen kommunizieren sollte.
Freitag, 4. September 2020
#16: "Du bist schön" ist eine Beleidigung
Unser erster Freund hat uns sehr oft gesagt, dass wir hübsch sind. Ich glaube, das ist etwas normales in Beziehungen - sowohl, dass man seinen Partner hübsch findet, als auch, dass man es oft sagt. Für mich war es das erste mal, dass irgendjemand das regelmäßig zu mir gesagt hatte.
Ich fühlte mich nie hässlich und hatte nie Probleme mit meinem Aussehen. Wir haben das Privileg, in einem Körper zu leben, der sehr nah am gesellschaftlichen Schönheitsideal ist. Unser Aussehen wurde vor der Beziehung aber nie kommentiert - weder positiv noch negativ. Vielleicht eine handvoll Male, die sind aber nicht im Gedächtnis geblieben.
Ich war sehr verwirrt darüber, was das sein soll: Schönheit. Ich weiß, es klingt Klischee, weil jeder zweite das sagt, ohne es wirklich zu meinen - aber ich habe tatsächlich keine Aussehenswahrnehmung. Ich finde Menschen nicht schön oder hässlich und ich verstehe auch nicht, was das eigentlich sein soll. Der einzige Messwert, der bestimmt, wie gerne ich Menschen anschaue, ist, wie sehr ich sie mag. Aber ich glaube, das ist etwas sehr anderes.
Ich glaube tatsächlich, dass es entweder einen biologischen Grund hat oder es einfach, aus welchem Grund auch immer, komplett dissoziiert wurde. Es mag erstmal wie eine wundervolle Gabe klingen, aber tatsächlich ist es in einer Welt, in der so viel Wert auf Schönheit und Attraktivität gelegt wird, in erster Linie frustrierend. Menschen verstehen mich nicht und ich verstehe sie nicht. Obwohl ich sie so gerne verstehen würde.
Inzwischen weiß ich zumindest, was das gesellschaftliche Schönheitsideal eigentlich ist und kann dann auch beurteilen, ob Menschen dem eher entsprechen oder nicht. Nicht, dass es mir sonderlich viel bringen würde. Aber ich verstehe dann besser, wovon andere Menschen reden.
In der Beziehung waren wir also plötzlich hübsch.
Jeden Tag. Immer wieder. So ganz zwischendurch.
Es war plötzlich wichtig.
Vermutlich war es in erster Linie sozialisiert - man sagt seinem Partner eben, dass man ihn hübsch findet, möglichst oft. Aber trotzdem erscheinen Dinge, die sehr oft gesagt werden, erstmal auch sehr wichtig.
Also fingen wir an, Probleme zu haben. Weil es ja wichtig war, dass wir schön sind - zumindest für unseren Freund. Manche Innenpersonen mehr als andere. Wir entsprachen nämlich eben nicht 1:1 dem Schönheitsideal. Da war noch Raum nach oben. Und dass wir diesen Raum nicht nutzten, war definitiv schlecht, weil unser Aussehen ja nun wichtig geworden war, also sollte man definitiv etwas damit machen.
Irgendwann hörte er auf, das zu sagen. Möglicherweise, weil er gemerkt hatte, wie schlimm das für uns war - ich weiß es nicht. Aber da drehten sich die Gedanken dann plötzlich um: vielleicht sind wir nicht hübsch genug. Deshalb sagt er das nicht mehr. Vielleicht findet er uns nicht mehr schön und jetzt wird er Schluss machen, ganz definitiv.
Nach einer Weile gingen diese Gedanken wieder weg und in unserer zweiten Beziehung tauchten sie nicht auf. Dafür sahen wir unseren Freund zu wenig. Er wollte zwar immer Bilder von uns haben, aber die machten wir nie, also hatte er wenig Anlässe, uns zu sagen, wie hübsch wir waren auch wenn er das so empfand. Ich gehe zwar davon aus, die Fotos wollte er, weil er uns hübsch fand, aber "darf ich ein Bild von dir haben?" ist eben eine sehr andere Aussage als "ich finde dich schön".
Seitdem wir mit ruru zusammen sind, ist es wieder genau das Gleiche.
Wir sind hübsch. Jeden Tag. Immer wieder. Ganz zwischendurch.
Es ist plötzlich wieder wichtig.
Neulich habe ich ihn gefragt, warum er das sagt. Ob es etwas ändern würde, wenn ich nicht hübsch wäre. Ob er dann Schluss machen würde. Ob er Schluss machen würde, wenn ich einen Unfall hätte und plötzlich ganz anders aussehen würde und halt nicht mehr attraktiv für ihn.
Und er konnte nicht sofort sagen, dass es definitiv keine Rolle spielen würde.
Er konnte nicht mal sagen, dass es keine Rolle spielen würde, nachdem er darüber nachgedacht hatte.
Während ich mit unerschütterlicher Gewissheit weiß, dass, ob ich mit ihm zusammen bin oder nicht, absolut nichts damit zu tun hat, wie er aussieht.
Also fühlte ich mich ungeliebt.
Und er meinte, er wäre viel lieber so wie ich, was das angeht, aber es ist irgendwie biologisch und er kann da nichts gegen machen. Und das weiß ich irgendwie auch. Ich weiß, dass zum Beispiel blinde Menschen auch ein Attraktivitätsempfinden haben, obwohl sie ja oft nichts sehen können. Da bezieht sich dieses Empfinden dann einfach auf andere Sachen, wie beispielsweise die Stimme.
Ich glaube ihm das. Wirklich. Ich habe mit unglaublich vielen Menschen darüber gesprochen und bei den meisten scheint es irgendwie ähnlich zu sein.
Aber im Endeffekt sagt es doch trotzdem nur, dass ich weniger geliebt werde, würde ich anders aussehen, als ich es tue. Selbst wenn ich nicht weniger liebenswert bin.
In meiner Wahrnehmung sind "Du bist schön" und "Du bist hässlich" haargenau derselbe Satz. Beides sagt für mich: "Es ist mir wichtig, wie du aussiehst." Dabei will ich lieber wichtig sein. So ganz ohne Aussehen. Weil ich flauschig bin oder nett oder hilfsbereit oder direkt oder gefühlsüberladen.
Meine DNA habe ich nicht ausgesucht. Mein Verhalten schon. Und ich verstehe nicht, wie die Wertung über meine DNA ein Kompliment sein kann. Vollkommen unabhängig davon, wie man meine DNA nun findet. Man hat all die tollen Dinge gesehen, die ich bin und sich dafür entschieden, die eine Sache zu kommentieren, für die ich absolut nichts kann.
Und weil es vorhin falsch verstanden wurde:
Es gibt einen Unterschied zwischen DNA-Aussehen und Dingen wie Make up, Kleidungsstil und Frisuren. Weil das alles Sachen sind, die man sich aussucht. Und wenn Menschen spezifisch meine Kleidung zum Beispiel komplimentieren wollten, haben sie das auch immer deutlich gemacht.
"In diesem Kleid siehst du toll aus."
"Kurze Haare stehen dir voll."
Aber mein Körper ist einfach der Ort, an dem ich lebe. Und wir würden ja auch nicht den Geburtsort eines Menschen bewerten und das ist doch irgendwie genau dasselbe.
Jedenfalls für mich.
Ich verstehe es einfach nicht.
Es gibt einfach so viele wichtigere Sachen als Aussehen und ich glaube, da sind wir uns alle einig.
Bitte seid nicht der Grund, aus dem es für eine andere Person wichtig wird.
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Ich möchte etwas zu dem, was du, Lana, geschrieben hast, beitragen. Möchte dir meine Sichtweise, meine Empfindungen mitteilen. Vielleicht hilft es dir, vielleicht auch nicht. Dennoch habe ich das Bedürfnis.
AntwortenLöschenIch sage auch einem Menschen, wenn ich ihn schön finde. Ich sage das mal öfter, mal weniger oft und eher zwischendurch als in passenden Momenten. Warum ich das sage? Weil es mich so überkommt. Es wäre schön, wenn das Äußere keine Rolle spielen würde, aber das funktioniert nicht. Für niemanden, jedenfalls ist das meine Sichtweise. Wenn ich zu jemanden sage, dass ich ihn schön finde. Dann meine ich damit den Menschen als Ganzes. Nicht nur das Äußere wie Statur, Figur etc., sondern auch das Innere, den Charakter. Wenn ich sage, ich finde dich schön, dann meine ich damit ganz nebenbei gesagt auch: Ich mag dich. Denn bei mir ist es so, dass ich jeden Menschen, den ich mag, auch irgendwie schön finde. Auch wenn die Person vielleicht nicht meinem oder dem gesellschaftlichen Schönheitsideal entspricht. Wenn ich sage, du bist schön, dann meine ich damit auch dein Makeup, dein Kleid, deine Frisur, deinen Charakter, deine Weltanschauung. Und das schön komprimiert all diese Dinge auf ein Wesentliches zusammen. Denn damit sage ich auch: Ich bin gerne in deiner Nähe oder verbringe gerne Zeit mit dir.
Bei mir ist es auch so, dass mir die Schönheit jemand anderen nicht immer regelmäßig auffällt. Manchmal gibt es Zeiten, da überkommt es mich ständig und manchmal da habe ich nicht das Bedürfnis das zu sagen. Obwohl die Person die ganze Zeit über gleich schön aussieht. In Momenten, in denen ich eher seltener sage, dass ich jemanden schön finde, sage ich dafür andere Dinge oder konzentriere mich auf andere Dinge. Es hat nichts mit der Tatsache zu tun, dass sich etwas verändert hat.
Es ändert sich ja auch nichts daran, dass wir auf der Erde leben. Nur weil ich es jeden Tag sage oder nicht sage. Es ist eine Tatsache, die sich nicht ändert. Genauso ist es mit der Schönheit.
Angenommen du veränderst dein Aussehen oder dir geschieht etwas, dass dein Aussehen verändert, heißt es nicht, dass du dann nicht mehr schön bist. Denn schön sein ist für mich, wie gesagt, etwas, das von Innen entsteht.
Auch sage ich manchmal Leuten, die ich kaum kenne, dass ich finde, dass sie gut aussehen. Auch das ist kein bloßes Kompliment an die DNA der Person, sondern an die Dinge, die jemand verändert hat. Die neue Frisur, das Makeup, die Muskeln, der Gewichtsverlust/ -zunahme, die Kleidung.
Ich glaube kaum jemand, der sagt "Du bist schön" meint damit "Ey, das optische Produkt deiner DNA ist ja sowas von knorke. Mega cooles Genpoolgemisch deiner Eltern. Daumen hoch".
Das dir jemand sagt, er fände dich schön, ist auch ein Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung.
Versteif dich nicht auf die Worte, sondern auf das Gefühl, welches dir übermittelt wird. Hör in dem Moment auf die Worte, die nicht ausgesprochen werden und du verstehst die wahre Bedeutung von Schönheit.
Und übrigens: Ich finde dich schön.
gezeichnet,
R.
Ich komme endlich mal dazu, zu antworten. Erstmal: dein Kommentar hat mich voll gefreut. Das sage ich extra, weil ich es vermutlich jetzt nicht mehr so gut ausdrücken kann, weil es schon eine Woche her ist, dass ich ihn gelesen habe.
LöschenIch habe da viel drüber nachgedacht und erstmal ist mir schon mal aufgefallen, dass hübsch-sein und schön-sein sehr anders verwendet werden, aber ich hab beides komplett über einen Kamm gescherrt, so nach dem Motto "ja, bezeichnet ja beides Aussehen". Aber wenn ich so auf mein Leben zurückblicke, wurde mir oft gesagt, dass ich hübsch bin und das meistens in Kombination damit, dass irgendwie mein Körper kommentiert wurde, während mir "du bist schön" zwar seltener gesagt wurde, aber eigentlich nie so (ausschließlich) aufs Aussehen bezogen, sondern genauso, wie du beschreibst, mehr auf ein Gesamtbild.
Dazu kommt, dass für mich - vermutlich bedingt durch unser Trauma - Kommentare übers Aussehen sehr sexuell geprägt sind, weil ich den Satz "du bist hübsch" in 90% der Fälle im Zusammenhang mit irgendwelchen widerlichen sexuellen Sprüchen gehört habe. Ich habe da auch neulich nochmal mit meinem Freund drüber geredet (weil er ja "der Grund" ist, dass der Post überhaupt erst entstanden ist - vielleicht eher der Auslöser) und da kamen wir zu dem Schluss, dass es eigentlich sehr ungesund ist, was dieser Satz für mich bedeutet und dass er zwar teilweise wirklich nur aufs Aussehen bezogen ist, aber in 90% der Fälle definitiv nicht in dem Ausmaß, wie ich das wahrnehme.
Selbst wenn es tatsächlich aufs Aussehen bezogen ist, wollen die meisten Menschen einem ja nur eine Freude machen und wurden eben so sozialisiert, dass sich die meisten Menschen über solche Kommentare freuen.
Aber ja, vermutlich ist es auch in vielen Fällen gar nicht aufs Aussehen bezogen und ich lese das einfach sofort so. Und dadurch, dass es mir schwer fällt, auch anzusprechen, wenn mich so was stört, wird das eventuelle Missverständnis dann auch nie aufgeklärt.
Was ich trotzdem auch weiß ist, dass es bei ruru definitiv aufs Aussehen bezogen ist, wenn er so was sagt. Wir hatten ja mehrere Gespräche darüber & und er ist generell auch sehr wörtlich, ihn stört das immer voll, wenn Menschen X sagen und aber Y meinen, deshalb haben wir regelmäßig Diskussionen, weil ich das auch ständig tue. :D Aber trotzdem bedeutet es in meinem Kopf mehr als es letztendlich wirklich tut. Also, er sagt halt, er findet mich hübsch und hat ja auch gesagt, dass ihm das wichtig ist, aber ich höre direkt "wenn du 0.01% weniger schönheitsideal wirst, behandle ich dich sofort grauenvoll". Dabei würde er mich ja immer gut behandeln & mögen, auch wenn ich mich zB volltätowieren würde (was er nicht hübsch findet). Tatsächlich benutzt er, glaube ich, aber auch das Wort "schön" nicht, sondern eben nur "hübsch" und "schön" ist für ihn irgendwas komisches, was etwas mit Ausstrahlung und so was zu tun hat, was er nicht versteht. Und bei mir ist es dann genau andersrum, auch wenn ich andere Wörter dafür verwende.
Ich denke generell, ich muss anfangen, mehr nachzufragen. Ich verstehe oft die Intention von Sachen nicht, die mir gesagt werden und dann denke ich irgendwas und in letzter Zeit gebe ich mir mehr Mühe, dann zu sagen: "Ich verstehe das gerade so, ist das, wie du das meintest?" und in 90% der Fällen stellt sich heraus, dass es ganz anders gemeint war.
Aber ich mache es definitiv zu selten, weil es mir aus irgendeinem Grund enorm schwer fällt, Rückfragen zu stellen. Aber so Kommentare wie deiner zeigen mir dann immer wieder, dass es definitiv sehr wichtig ist. Weil eben sehr vieles sehr anders gemeint ist, als ich es wahrnehme.
Also Danke für deine Worte.
Ich sende dir ganz viel Licht & Liebe. ♥