Auf diesem Blog geht es um Trauma, Traumafolgestörungen und unser Leben damit.
Bitte achtet auf eure Grenzen beim Lesen der Texte.

Montag, 28. Dezember 2020

#32: (Mit)Schuld

Zusätzliche Triggerwarnung für: relativ grafische Darstellung von psychischem Missbrauch
durch Androhung von Gewalt.

"Wenn ein Kind missbraucht wird, tragen beide Eltern, egal ob sie es persönlich missbrauchen oder nicht, immer eine Mitschuld", meinte unsere Psychologin irgendwann vor einigen Wochen zu uns. "Weil man so etwas merkt. Und wenn man nichts merkt, dann hat man mindestens weggesehen."
In uns gab es sehr viel Empörung für diese Aussage. Nicht, weil unsere Mutter so toll wäre. Das ist sie wirklich nicht. Aber sie war nie Täterin. Sie war eben einfach nur überfordert.
"Dass man sein eines Kind nicht so beachtet, wenn das andere gerade die ganze Zeit fast stirbt, finde ich extrem verständlich", entgegneten wir. Da stehen wir auch weiterhin hinter. Es ist, unserer Meinung nach, unglaublich arrogant, eine andere Handhabung in so einer Situation zu erwarten. Es gibt einen Grund, warum Geschwisterkinder von sehr kranken Kindern beinahe immer an Vernachlässigungstrauma leiden und der ist nicht, dass alle Eltern dieser Welt so furchtbar schrecklich sind.
Ja. Es ist falsch, ein Kind zu vernachlässigen. Aber leider, leider ist es auch kaum zu verhindern, alles zu vernachlässigen, wenn man ein Kind hat, das ständig beinahe stirbt. (Vorausgesetzt natürlich, man liebt dieses Kind.)
Und dann ist es trotzdem traumatisch. Aber von 'Schuld' kann man einfach nicht sprechen.

Mittlerweile sprechen wir trotzdem von Schuld.
Neulich wurden bei uns durch ein Gespräch einige Erinnerungen getriggert.
Bei uns "mussten", als wir sehr klein waren, öfters medizinische Eingriffe gemacht werden. Das mussten setzen wir extra in Anführungszeichen. Es hätte nämlich Alternativen gegeben. Es war nur einfacher. Einfacher, als uns beizubringen, Tabletten zu nehmen oder aufgelöste Tabletten zu trinken. Einfacher, als uns jemals zu erklären, dass wir krank sind und warum wir all diese Sachen machen müssen, obwohl sie zum Beispiel eklig schmecken.
Es wurde nämlich nie erklärt. Dass wir krank sind, haben wir rausgefunden, als wir alt genug waren, um festzustellen, dass andere Kinder all das nicht machen müssen und dann unsere Eltern gefragt haben, warum. Da wussten wir schon, was Unendlichkeit ist, konnten bis 100 zählen und Rechnen hatten wir auch schon gelernt.

Jedenfalls fanden wir diese Eingriffe schlimm. Sehr schlimm. (So schlimm, dass wir das Wort nicht benutzen können.) Wir haben geweint und das Haus zusammengeschrien bis Nachbarn nachgefragt haben, ob alles okay bei uns ist. Aber es war okay, weil man uns ja festhalten konnte, während man uns Dinge in Körperöffnungen steckt. Es war okay, weil man kaum Zeit aufwenden musste.
Es wurde wie eine Bestrafung gehandhabt. Wenn du nicht dies tust, müssen wir. Wenn du nicht das tust, müssen wir. Wenn du nicht brav bist, werden wir wieder ganzschlimmedinge machen.
Natürlich waren das alles wichtige Sachen. Ja. Hätten wir unsere Tabletten nicht genommen, hätte man uns eben zwingen müssen, sonst wären wir gestorben. Aber dadurch, dass davon nie irgendetwas erklärt wurde, hätte man genauso gut sagen können: "Wenn du dein Zimmer nicht aufräumst, schlage ich dich."
Wir wussten ja nicht mal, dass wir krank sind.

Irgendwann (in den letzten Jahren) erzählte unsere Mutter uns, dass diese Eingriffe immer unser Vater machen musste. Sie selbst hätte das nicht gekonnt. Es wäre zu schlimm gewesen, zu sehen, wie schlimm das für uns war, also war sie in ein anderes Stockwerk gegangen, damit sie bloß nicht hören musste. Bloß nicht sehen, wie man gerade wissentlich und ohne medizinische Notwendigkeit das eigene Kind traumatisiert.
Weil es einfacher ist. Als sich einmal hinzusetzen und einem Kind zu erklären, was Krankheiten sind und was der Sinn von Tabletten ist.

Irgendwann, nach einem erneuten solchen Trauma, verlernten wir, zu laufen. Beziehungsweise ist die Theorie hier momentan, dass einfach ein Anteil draußen war, der noch nicht laufen gelernt hatte, aber das können wir nicht sagen, weil wir natürlich nicht so genau wissen, seit wann wir die DIS eigentlich haben. Vielleicht war es auch einfach nur ein Traumasymptom.
Aber niemand kümmerte sich darum. Wir würden simulieren, weil wir nicht in den Kindergarten wollten, hieß es. Erst nach über einer Woche meinte unsere Mutter, wenn wir nicht jetzt sofort mit dem Unsinn aufhören würden, müssten wir am nächsten Tag zum Arzt gehen. Bedrohlich. Ärzte kannten wir. Das waren die Menschen, bei denen meistens schlimme Sachen passierten.
Natürlich konnten wir am nächste Tag wieder laufen. Vielleicht war jemand anders draußen, vielleicht hatten wir nur ganz fleißig geübt aufgrund der Angst.
Niemand hatte je in Erwägung gezogen, es könnte vielleicht ein neurologisches Problem geben. Es war ganz klar, dass es alleine unsere Schuld sein musste.

Als wir klein waren, aßen wir zu wenig. Und tranken zu wenig. Und redeten zu wenig.
Wir lebten zu wenig.
"Wenn du weiterhin so wenig isst, müssen wir dir eine Magensonde legen", wurde der persönliche Lieblingsspruch unserer Mutter. Im vollen Wissen darüber, wie schlimm wir diese Vorstellung fanden. Im vollen Wissen darüber, dass wir selbst bei Rachenabstrichen die gesamte Klinik zusammenschrien als müssten wir sterben. Wenn du nicht brav bist, stecke ich dir noch mehr Zeug in den Körper.
Zu diesem Zeitpunkt wurden wir schon regelmäßig vergewaltigt.

In uns hat sich etwas verändert. Seitdem diese Erinnerungen hochkamen, können wir nicht mehr sagen, dass unsere Mutter einfach nur überfordert war. Man bedroht sein Kind nicht mit dessen schlimmsten Albträumen, nur weil man überfordert ist.
Es ist so einleuchtend, wie sie nicht merken konnte, dass unser Vater uns missbrauchte. Es gab keine Verhaltensänderungen mehr, die man hätte feststellen können. Wir waren schon komplett traumatisiert.

Ich habe diesen Post angefangen, um darüber zu schreiben, wie sie eben doch Mitschuld daran trägt, dass nicht gemerkt wurde, dass wir missbraucht werden. Aber nachdem ich das alles aufgeschrieben habe, wird mir selbst klar, dass sie selbst Täterin war. Für jeden Grundstein, der erlaubt hat, dass wir kein Wort darüber verlieren, zu was wir ständig gezwungen werden.
Also ist Mitschuld gar nicht das richtige Wort.
Und eigentlich ist die Schuld auch egal, solange sie nicht bei uns liegt.
Aber es war gerade wichtig. Für mich und für uns. Deshalb schreibe ich es hauptsächlich auf.

Trauma passiert nicht in einem Vakuum.

6 Kommentare:

  1. Ich habe irgendwie bei jedem Eintrag das Bedürfnis etwas zu schreiben, doch es fühlt sich so oft falsch an. Dieses Mal tue ich es trotzdem wieder. Ihr wisst hoffentlich, dass es niemals angreifend gemeint ist, sondern "nur" meine Gedanken.
    Zu meinem Glück habe ich eine nicht zu vergleichende Kindheit. Es gab keine Krankheiten, keine Übergriffe. Es war viel Zuneigung und Liebe, die man als Kind und auch jetzt als Erwachsener nicht immer nachvollziehen kann. Eure Situation kenne ich nicht genau, eure Eltern schon gar nicht. Mir ist bewusst, wie das Verhältnis zu eurem Vater ist und dass auch das zu eurer Mutter nicht immer stabil war/ist. Ich kenne euch schon einige Jahre hatte aber immer den Eindruck, dass ihr eigentlich von einer euch liebenden Mutter großgezogen wurdet. Ich verstehe euren Standpunkt. Ich verstehe, warum es nicht nur Mitschuld oder Mittäter ist. Mir ist auch klar, warum es bei einem Elternpaar keine Schuld einer Person geben kann.
    Doch - und da stelle ich mir jetzt vor, dass ich selbst ein Elternteil bin - ich glaube, es ist wahnsinnig schwer, den passenden Moment abzupassen, an dem man erklären kann, dass etwas anders ist. Dass das eigene Kind krank ist.
    Als liebendes Elternteil kann ich mir nicht vorstellen, dass man diese Tatsachen verschweigt, weil man seinem Kind schaden möchte. Ja, vielleicht wurde euch zu spät erzählt, dass ihr krank seid. Aber was ist der Grund eurer Mutter, dass sie es erst so spät erzählt hat? Hat sie das schon mal erzählt?
    Wenn mein eigenes Kind krank wäre, würde ich alles tun, damit es ihm gut geht. Es gibt oft verschiedene Wege, aber jede Methoden hat seine Schattenweisen. Ich kann es nicht beurteilen und wage es auch nicht, eine Behauptung aufzustellen, aber ich konnte mir vorstellen, dass auch Tabletten etc. Traumata hervorrufen könnten.
    Es ist sicherlich eine Gradwanderung. Das Verhalten eurer Mutter zeigt, dass sie wusste, dass etwas falsch an der Vorgehensweise war. Es zeigt aber auch, dass sie euch liebt. Wäre sie nicht davon überzeugt gewesen, dass es euch mehr hilft als schadet, hätte sie sicherlich anders gehandelt. Jedenfalls wäre es bei mir so.
    Ich glaube, gesunde Menschen ziehen auch gar nicht in Erwägung, dass solche Konsequenzen aus einem Handeln entstehen kann.
    Wer rechnet denn damit, dass das eigene Kind im Kindergartenalter nicht einfach aus Trotz nicht mehr laufen will?

    Ich möchte damit nicht eure Sichtweise anzweifeln oder gar irgendein Verhalten rechtfertigen. Meiner Meinung nach ist es nur wahnsinnig wichtig, dass Aufklärung betrieben wird. So wie ihr es auch hier mit diesem Blog macht. Ich lerne jedes Mal eine Menge und bin jedes Mal überrascht, wie unterschiedlich Dinge beleuchtet werden können.

    Mein Ziel, das ist mir gerade so in den Sinn gekommen, ist vielleicht die Sichtweise einer Person zu erklären, die nicht selbst von einer DIS oder einem Trauma betroffen ist.


    (Und: Ich weiß nicht, ob ich's schon einmal gefragt habe oder ob es irgendwo hier steht (bin auch gerade ehrlich gesagt zu faul zum Suchen), aber wie soll eigentlich die Anrede sein. Du oder ihr? Oder hat das tatsächlich mit dem zu tun, was man loswerden will?)

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    1. Mein Handy wollte meine Antwort nicht posten, jetzt sagt mein PC mir, dass sie einfach zu lang für Blogger-Kommentare ist. :< Nun gut, dann werde ich sie eben in zwei Teile teilen... Die Formatierung ist auch kaputt, weil ich den Text auf meinen Laptop bekommen musste. Aber nun gut...

      Du darfst gerne bei jedem Eintrag was schreiben! Dadurch, dass du ja meistens eine andere Sichtweite aufzeigst, reagieren wir meistens erstmal mit Ablehnung, was wohl normal ist, denke ich, aber deshalb lassen wir uns einfach Zeit mit dem Antworten.

      Ich glaube, dass man Menschen missbrauchen und traumatisieren kann, ohne es zu wollen oder zu merken. Das klingt erstmal sehr krass, aber unsere Mutter hat definitiv schwerwiegende eigene psychische Probleme, die sie auf uns auch übertragen hat. Das kann man dann bewerten wie man will, aber du hast definitiv damit Recht, dass sie uns liebt - nur kann sie diese Liebe nicht angemessen als Unterstützung zeigen, weil sie so sehr in einer Welt gefangen ist, in der jeder die ganze Zeit funktionieren muss. Da ist dann kein Platz für Beschwerde X. Die muss möglichst schnell, und somit mit den härtesten Methoden, entfernt werden. (Das, und sie hatte vermutlich Angst, dass sich bei uns CF auch so schlimm entwickelt wie bei unserer Schwester und dachte deshalb, sie muss jede erdenkliche Therapiemethode auf uns schmeißen, damit wir nicht anfangen, aus Versehen fast zu sterben.)

      Wir haben sie jetzt nicht spezifisch gefragt, warum sie uns erst so spät erklärt hat, dass wir krank sind, aber ich vermute, dass es eine Mischung war aus Überforderung und Überfokussierung auf meine Schwester. (Meine Schwester wusste, dass sie krank war, weil es bei ihr in einem Alter diagnostiziert wurde, wo der Kinderarzt es ihr selbst schon ein bisschen erklären konnte.) Also, dass sie quasi nie auf den Gedanken gekommen ist, dass wir das ja gar nicht wissen, sondern dann selbst überrascht war, als wir gefragt haben.

      Ich sehe dabei die Schuld auch nicht alleine bei ihr, sondern zum Teil auch bei den Ärzten/Pflegern, die ja auch mitbekommen haben, dass wir jedes mal versucht haben, aus dem Krankenhaus zu fliehen, sobald sie bestimmte Untersuchungen machen wollten und es gab in der Klinik sogar extra einen Kinderpsychologen für so was, aber zu dem wurden wir nie geschickt, weil man Kinder ja einfach festhalten und machen kann... das medizinische Umfeld geht allgemein sehr toxisch mit Kindern um, weil es eben immer sehr darauf ausgerichtet ist, körperlich zu helfen, aber was das psychisch mit dem Kind macht, darüber wird gar nicht nachgedacht. (Als Erwachsener kann man halt viel besser widersprechen und man kann auch nicht mehr einfach festgehalten und gezwungen werden.)

      Ich glaub, wenn man dann als Elternteil nur dieses Umfeld hat, dann denkt man auch schnell so: die Ärzte machen das ja so, also ist das bestimmt okay!

      Wir waren sogar ab so ~10 dann ein mal im Jahr bei einem Psychologen in der Klinik, der wohl gucken sollte, ob man psychische Schäden von der Erkrankung davongetragen hat, aber zu dem Zeitpunkt hatten wir dann ja schon eine DIS und es war sehr schwierig, irgendwas zu merken, wenn man sich jetzt nicht gerade spezifisch damit auskennt, was ich von einem Psychologen für chronisch kranke Kinder definitiv nicht erwarte.

      Ich hoffe, mittlerweile kommen die Kinder da einfach öfter routinemäßig zum Psychologen. Ich glaube, da tut sich auch viel, diese ganzen Themen werden ja auch immer öffentlicher.

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    2. Einen ganz großen Widerspruch habe ich trotzdem.

      "Wer rechnet denn damit, dass das eigene Kind im Kindergartenalter nicht einfach aus Trotz nicht mehr laufen will?"

      Also, du hast schon Recht, dass man damit nicht rechnet.

      Aber! es ist das wichtigste überhaupt (zumindest meiner Meinung nach), dass Kinder ernstgenommen werden und ihnen geglaubt wird! Sonst lernen sie, dass es falsch ist, ihre Probleme zu zeigen und machen es dann nicht mehr/nur noch sehr ungerne. Und das ist der perfekte Nährboden für Missbrauch!

      Außerdem: wenn ich dir jetzt sagen würde, dass ich heute morgen aufgewacht bin und nicht mehr laufen konnte, dann würdest du dir vermutlich Sorgen machen und mir raten zum Arzt zu gehen. Kinder sollten nicht anders behandelt werden! Man kann natürlich diesen Gedankengang haben, ist ja auch naheliegend, wenn man eh weiß, dass ein Kind den Kindergarten auch nicht mag, aber es hätte ja auch sein können, dass bei uns wirklich medizinisch etwas kaputt ist. Ich find es sehr komisch, da so eine Gewissheit zu haben von "dieses Kind simuliert nur". Bei einem Erwachsenen würde man das ja auch nicht einfach sagen, es sei denn, der Arzt findet nichts... und selbst dann ist es meistens falsch, die wenigsten Leute denken sich einfach eine Behinderung aus, obwohl es ihnen gut geht. (Also, eigentlich niemand, ich bin fest davon überzeugt, dass sogar die Leute, die das für Aufmerksamkeit machen, eigentlich massive psychische Probleme haben.)

      Es passiert bei Kindern, die von Missbrauch erzählen, ganz oft, dass dem Kind unterstellt wird, dass es sich das ausdenkt und, schlimmer noch, dass es versucht, die Eltern für Aufmerksamkeit zu manipulieren.

      Wir hatten da zwar nicht über Missbrauch geredet, aber es ist bei allem aus denselben Gründen wichtig.

      Man lernt halt einfach, dass man sich nicht auf seine eigene Wahrnehmung verlassen kann.

      Aber ja, davon abgesehen kann beides stimmen: sie liebt uns und sie hat uns trotzdem schlecht behandelt.

      Meiner Meinung nach wäre es auch definitiv vermeidbar gewesen. Unser Umfeld war mit Hilfsangeboten gepflastert (Familien-Rehakliniken, Kinderpsychologen, etc.), aber ihre eigenen psychischen Probleme haben ihr "verboten" diese in Anspruch zu nehmen.

      Aber sie kann uns ja trotzdem lieben.

      Bezüglich Anrede: ich glaub, das sollten wir wohl mal ins FAQ schreiben.

      Aber es kommt tatsächlich drauf an. Im Endeffekt kann man so grob sagen:

      was den Körper oder alle betrifft = wir/ihr

      was tatsächlich jemanden insbesondere betrifft = ich/du

      Aber im Endeffekt ist es auch gar nicht so wichtig. Man kann da nicht wirklich viel falsch machen. Oder überhaupt was, eigentlich. Also... im Sinne von, es stört uns 0. Wir sagen auch oft, dass ruru "unser Freund" ist, obwohl er ja nicht mit allen von uns zusammen ist und das somit "falsch" ist.

      Es ist immer toll, wenn jemand es so komplett richtig macht, dann freut man sich richtig, aber alles andere ist eben auch nicht schlimm.

      Komisch und falsch wird es erst, wenn man mit uns befreundet ist und dann Person X wie Person Y behandelt. Also, im Prinzip das 'alle in den Lana-Topf schmeißen', das wir hier beschrieben hatten: [http://cirrus-floccus.blogspot.com/2020/10/22-erste-person-plural-ii.html](http://cirrus-floccus.blogspot.com/2020/10/22-erste-person-plural-ii.html)

      Der Text erklärt auch das mit der Anrede bestimmt noch mal besser als ich es gerade gemacht habe... ich hoffe, man versteht es überhaupt.

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    3. Hallo. Ich bin Hanna und ich kenne euch von Instagram und hatte euch dort auch schonmal einen Kommentar geschrieben. Ich habe gerade zum ersten Mal ein paar Einträge hier gelesen und bin total berührt und ja zu diesem Kommentar und eurer Antwort wollte ich sehr gerne etwas schreiben: Ich finde es so bewundernswert wie reflektiert und besonnen und ausführlich ihr seid! Mir kommen gerade wirklich die Tränen vor lauter Bewunderung und Bewegtheit. Egal wie oft jemand sagt, dass etwas nicht als Angriff gemeint ist, so fühlt es sich meiner Erfahrung nach doch oft wie ein Angriff an, wenn man den Mut hat die eigenen Eltern (teilweise) als Täter*innen zu identifizieren - was wirklich niemals leicht ist v.a. wenn man gelernt hat der eigenen Wahrnehmung nicht zu vertrauen- und dann darauf hingewiesen wird, dass es bestimmt Gründe für deren Verhalten gab. Es gibt immer Gründe und natürlich gibt es letztlich auch eigentlich keine "Schuld" oder "das Böse" weil jeder Mensch seine Geschichte hat etc.. Aber trotzdem haben Erwachsene immer eine Verantwortung ihren Kindern gegenüber. Sie sind dafür verantwortlich ihnen zuzuhören, ihnen zu glauben, sie zu sehen und so gut es geht für sie da zu sein und ihnen beizubringen, dass sie wichtig sind, dass ihre Bedürfnisse wichtig sind und dass ihre Grenzen wichtig sind und gewahrt werden. Selbstverständlich ist das eine letztlich unlösbare Aufgabe weil Erwachsene auch immer selbst verletzte Kinder in sich tragen und niemand perfekt ist. Aber es gibt Verletzungen die Erwachsene Kindern zufügen, die einfach nicht zu entschuldigen sind und vor allem von den Kindern niemals entschuldigt werden müssen. Es tut so gut und ist so wichtig endlich zu erkennen, dass nicht man selbst, sondern die Eltern für das was (nicht) passiert ist verantwortlich sind (gewesen wären). Da ist so viel innerer Widerstand bei jedem Kind - meiner Erfahrung nach - die Eltern als fehlbar und als Täter*innen zu sehen. Ich finde Eltern sollten das bei ihren Kindern fördern und froh darüber sein, anstatt sich angegriffen zu fühlen und sich oder andere Eltern zu verteidigen.
      Es ist so schön, dass ihr wisst, dass eure Mutter euch liebt, obwohl sie auch Täterin war. Es tut mir wirklich leid, was ihr für Erfahrungen gemacht habt und ich hoffe sehr, dass ihr mittlerweile auch medizinisches Personal kennt, dass euch Ernst nimmt und für euch da ist. Ich würde gerne noch so viel mehr schreiben aber habe jetzt leider keine Zeit mehr und möchte auch nicht zu viel schreiben...Ich wünsche euch auf jeden Fall alles was ihr euch wünscht und danke euch von Herzen für eure Ehrlichkeit und Offenheit und all die Empathie und Rücksicht mit der ihr hier schreibt. Ihr seid mir eine Inspiration. Danke!

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    4. Hallo Hanna! Ich bin gerade etwas überfordert mit deinem Kommentar, weil ich nicht so richtig weiß, wie man mit Komplimenten umgeht, aber danke! Du kannst auf jeden Fall nicht "zu viel" schreiben, weil jeder Kommentar total wertvoll ist und wir freuen uns auch immer voll, wenn wir Kommentare bekommen. Manchmal stellen wir dann fest, dass es ein Kommentar von uns selbst war, wo wir auf irgendeinen anderen Kommentar geantwortet haben, was wir wieder vergessen haben, das ist immer schade, aber ja, an sich freuen uns Kommentare immer voll! Insbesondere, wenn sie auch noch so positiv und voller Flauschigkeit sind.
      Leider kommen wir, glaube ich, viel reflektierter etc. rüber, als wir tatsächlich sind, weil wir, bis auf einige Innenkinder, einfach absolut 0 Bindungen zu unserer leiblichen Familie haben und das dann immer sehr distanziert betrachten können. Bei anderen Menschen, die wir eher als Familie sehen (oder zu irgendeinem Zeitpunkt in unserem Leben als Familie gesehen haben), sieht das immer komplett anders aus. Da ist es dann auch sehr schwierig dieses 'diese Person hat total schlimme Sachen gemacht' und 'diese Person hat aber auch total flauschige Sachen gemacht' irgendwie zu vereinen.
      Aber im Prinzip gibt es halt zwei Sachen, die extrem wichtig zu lernen sind:
      1. Jemand kann total unflauschig sein und einem extrem schaden, aber trotzdem manchmal tolle Dinge tun und
      2. Menschen tun manchmal (extrem) schlimme Dinge ohne wirklich zu verstehen, was sie da tun und obwohl sie einen vielleicht mögen/nur helfen wollen - das entschuldigt dann das Verhalten natürlich nicht, aber wenn man das versteht, nimmt das vielleicht so ein bisschen diesen inneren Widerspruch, den man oft hat, raus (also, dieses Häufige 'das kann so nicht passiert sein, weil diese Person mich ja liebt').

      Und ja, wir haben mittlerweile richtig wundervolles medizinisches Personal kennengelernt!

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    5. Noch ein kurzer Gedankengang. Du hast absolut recht, dass man ein Kind genauso ernst nehmen sollte wie einen Erwachsenen.

      Die Erfahrung zeigt aber, dass jemand, egal welchen Alters, an Glaubhaftigkeit verliert, wenn er lügt bzw. etwas vortäuscht.
      Das heißt, ich würde einem Erwachsenen auch nicht zum Arzt schicken, wenn er sagt, er könne nicht mehr laufen, wenn ich ihn nicht als glaubhaft wahrnehme (bspw. durch Lügen oder Vortäuschungen in der Vergangenheit). Ich glaube, dass das bei Kindern noch ausgeprägter ist, da Kinder nunmal testen. Sie probieren Dinge aus, um Reaktionen zu erfahren. Definitiv ist es nicht richtig, seinem Kind zu unterstellen, es würde bloß simulieren.

      Ihr kennt mich glaube ich lange und gut genug, um zu wissen, wie meine Gedankengänge einzuordnen sind und dass ein "das soll kein Angriff sein" auch definitiv nicht als Angriff gemeint ist. Und ich meine euch so gut zu kennen, dass ihr das auch nicht als Angriff wertet, auch wenn ihr erst einmal mit Ablehnung reagiert. Das ist aber völlig menschlich und eine andere Reaktion würde ich auch niemals erwarten.

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