Man muss erst Vertrauen aufbauen, um Therapie machen zu können. Und Vertrauen braucht Zeit, Nähe und Verständnis.
Ob wir mehrmals pro Woche kommen können, ist deshalb die naheliegende Frage.
"Nein" die Antwort. Das wäre nicht, wie man sinnvoll mit DIS-Patienten arbeitet. Das ist nicht, wie man sinnvoll an oder mit einer DIS oder mit Trauma arbeitet. Vielleicht irgendwann, ganz viel später, wenn man, ja, keine Ahnung, ich hab die genaue Begründung wieder vergessen. Es ist jedenfalls nicht sinnvoll. Erfahrungsgemäß.
Erfahrungsgemäß. Das kleine Wort, das nie so richtig zu unserem Leben zu passen scheint.
Also sitze ich da und kann mir überlegen, wie ich 5.5 Jahre Blyth mit jemandem überschreiben kann, den ich einmal pro Woche für eine Stunde sehe. In einem Jahr vielleicht so viel wie Blyth alleine in dem Monat Davor. Von den 2.5 Jahren Missbrauch ganz zu schweigen. Von dem einen Jahr Therapie davor ganz zu schweigen. Von all der Zeit vor der Therapie, die wir ihn trotzdem kannten, ganz zu schweigen.
Kein Therapeut scheint so wirklich zu verstehen, wie viel anders alles kaputt ist, wenn man innerhalb der Therapie Missbrauch erfahren hat. Es wird behandelt wie jeder andere Missbrauchsfall. Aber das ist es nicht. Man soll in demselben Raum Therapie machen, in dem man traumatisiert wurde. Das ist ein Unterschied.
Heute hatten wir ein Vorgespräch.
Die erste Frage der Therapeutin zum Thema Blyth war nicht, ob wir ihn angezeigt haben. Sie war, was genau an dem Trauma anders ist, dass es eine besondere Bedeutung für die Therapie hat. Weil wir das so angesprochen hatten.
Die Therapeutin meinte, Sie findet es wichtig, dass wir erstmal lernen, dass wir unserer eigenen Wahrnehmung mehr vertrauen können als allem, was sie sagt, damit wir uns sicherer fühlen können, dass wir nicht wieder in einer Situation landen, in der wir von einer Therapeutin missbraucht werden, aber nicht verstehen, dass an dieser Situation irgendetwas falsch ist. Ja. Vielleicht ist unsere Wahrnehmung auch manchmal falsch. Das spielt gar keine Rolle. Darüber kann man reden, nachdem man es geschafft hat, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Und wenn das erst in drei Jahren ist, dann ist das eben erst in drei Jahren. Und wenn wir dafür drei Stunden pro Woche brauchen, dann können wir auch drei Stunden pro Woche haben (nur nicht jetzt sofort, aber eben später, vielleicht ab Sommer oder so). Und wenn das heißt, dass wir die Therapie erst nach Corona anfangen, dann ist das auch in Ordnung. Oder wenn das heißt, dass wir parallel zu einer zweiten Therapeutin gehen, damit wir immer einen Notausgang haben, dann geht auch das.
Weil es im Endeffekt erstmal gar nicht um Therapie geht.
Sondern darum, dass wir uns in einem Therapieraum sicher genug fühlen können, um überhaupt Therapie machen zu können. Das hat sie sofort verstanden. Ohne, dass ich es überhaupt so explizit aussprechen und erst recht nicht explizit erklären musste.
Aber weil wir unserer Wahrnehmung nicht trauen können, sitzen wir hier jetzt schon wieder.
Das fühlte sich besser an als die Therapie, in der wir sind. Aber vielleicht fühlte es sich gar nicht wirklich besser an? Vielleicht bilden wir uns das nur ein, weil wir bei der anderen Therapie schon einen Vertrag unterschrieben haben und bei dieser nicht? Vielleicht ist es nur unser Fluchtinstinkt? Vielleicht macht es überhaupt keinen Sinn, die Therapeutin zu wechseln? Immerhin haben wir uns ja festgelegt, da sollten wir nicht fünf Wochen später ankommen und sagen, wir haben es uns doch anders überlegt. Weil, was ist denn, wenn sich das dann doch auch wieder falsch anfühlt, nachdem wir nicht nur ein paar Vorgespräche, sondern eben Therapie bei ihr hatten? Vielleicht fängt sie dann auch mit den ganzen Therapie-Sachen an, für die man Sicherheit braucht, die wir nicht haben, zumindest nicht da. Vielleicht ist einfach nur zufälligerweise dieses eine Therapiegespräch besser gelaufen als andere. Vielleicht hat das gar nichts mit der Therapeutin zu tun. Vielleicht ging es uns heute einfach anders. Vielleicht fiel es uns leichter, Sachen anzusprechen, weil wir gerade sauer auf jemanden waren. Vielleicht lief es deswegen besser. Vielleicht sollte eine Stunde pro Woche ohnehin ausreichen, um genug Vertrauen aufzubauen. Vielleicht, vielleicht, vielleicht.
Liegt es an uns,
dass Therapie immer so unüberwindbar schwierig scheint
und nicht wirklich an den Therapeuten.
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