"Ich hatte heute Therapie", erkläre ich auf die Frage, warum es mir schlecht geht.
Nein, nicht schlechte. Vermutlich gute. Keine Ahnung, wie so etwas überhaupt aussieht, aber zumindest existiert nicht durchgehend das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Das ist eine positive Entwicklung. Das war bisher bei keinem einzigen anderen Therapeuten so, also muss das bestimmt heißen, dass die Therapie gut ist.
Wir haben bisher kein Wort über Blyth verloren, außer, dass er existiert und was er war und was nicht und was gleichzeitig. 'Your partner is not your therapist... I should hope', hören wir in irgendeinem Video und wissen nicht, ob wir darüber lachen oder weinen sollen.
Dass wir ihn nicht angezeigt haben, weiß die Therapeutin trotzdem. Weil das scheinbar die allerwichtigste Frage ist, die man stellen kann, nachdem einem jemand erzählt hat, dass er von seinem Therapeuten vergewaltigt wurde. Nicht "wie geht es Ihnen denn jetzt, mit dem Therapieversuch?" oder irgendetwas, das momentan tatsächlich wichtig wäre. "Haben Sie schon tatsächlich verstanden, dass er das gemacht hat?" Nein. Man kann niemanden anzeigen, bei dem man sich die Hälfte des Tages einredet, dass er eigentlich gar nichts gemacht hat.
Wie beschissen es ist, zur Therapie zu gehen, sage ich nicht. "Es ist total stressig, überhaupt hier zu sein und es ist schlimmer, seitdem der Therapievertrag unterschrieben wurde", sage ich schon. Was das bedeutet, findet keinen Ausdruck.
Es bedeutet, dass wir einen Großteil des Tages damit verbringen, die DIS und unser Trauma zu leugnen. Ein Problem, dass wir seit Jahren nicht (mehr) hatten. Denn wenn wir nicht traumatisiert sind, brauchen wir keine Therapie. Wenn wir keine DIS haben, brauchen wir keine Therapie. Dass wir Therapie brauchen, ist trotzdem unübersehbar.
Wenigstens haben wir dieses mal nicht vor jedem Termin Angst davor, dass wir vergewaltigt werden.
Ob wir aus der Verhaltenstherapie denn Übungen kennen, um uns zu entstressen. Ja. Ja, kennen wir. Alle davon haben die Voraussetzung, dass man nicht mit jemandem in einem Raum ist, den man als Täter wahrnimmt.
Wir haben gelernt, Grenzen zu setzen und alleine zu sein und uns sicher (genug) in Menschenmengen oder der Schule oder sonst irgendwo zu fühlen, wo man unsichtbar sein kann. Aber hier sind wir nicht unsichtbar. Ich kann nicht sicher genug sein, um mich ein Stück sicherer zu fühlen. Ich kann mich nicht entstressen, wenn ich nicht mal theoretisch weiß, dass mir nichts passieren wird. Ich bin sicher: das hier ist der falscheste Ort, an dem ich sein kann.
Nur, dass ich eben gleichzeitig weiß, dass wir hier sein sollten und uns (halbwegs) sicher fühlen sollten und Therapie machen sollten. Nur glaube ich, dass man für Therapie erstmal ein, zumindest minimales, Vertrauensverhältnis braucht. Und das existiert nicht. Da hilft auch kein sicherer Ort der Welt gegen.
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