Auf diesem Blog geht es um Trauma, Traumafolgestörungen und unser Leben damit.
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Freitag, 5. Februar 2021

#40: Trauma: Therapie V

Ich bin enttäuscht, realisiere ich. Das Gefühl, etwas lang und breit zu erklären, von dem im Endeffekt nichts verstanden wird, ist nur allzu gut bekannt. Ja. Eigentlich will ich gar keine Therapie mehr. (Natürlich keine Möglichkeit.)
Es wäre so einfach an einen Ort zu gehen, an dem man einfach verstanden wird. Aber vermutlich wäre das auch nur für dieses eine, begrenzte Thema. Andere Dinge müsste man wieder erklären. Mehrfach. Wer sagt denn, dass es jemals anders wird? Also kann man doch gleich dahin gehen, wo es gerade wehtut. Schließlich ist das doch hilfreich für eine Therapie. Hat man so gehört. Wenn es wehtut und man da durcharbeitet.

"Hallo, wir würden gerne bei Ihnen in Therapie gehen", fange ich einen Brief an. Und dann eine Mail: "Ich würde hier gerne einfach die letzte Mail, die ich geschrieben habe, einfügen, aber mir ist bewusst, dass Sie davon kein einziges Wort verstanden haben."
Ich lösche die Mail wieder. Dann starre ich den Brief an und stelle fest, dass ich heute auf jeden Fall nicht in Therapie gehen möchte. Also fahre ich den Computer runter.
Wenn man bei jemandem in Therapie geht, der über 70 ist, wie wahrscheinlich ist es dann, dass die Person mitten in der Therapie stirbt? Wenn man zu jemandem geht, der nicht zu verstehen scheint, was man braucht, selbst wenn man es ausspricht, wie wahrscheinlich ist es dann, dass die Therapie funktionieren kann, wenn man nur genug erklärt?

Ich fühle mich leer. Dieselbe Leere wie am Ende des Gesprächs, als ich nicht mehr sprechen konnte. Dieselbe Dunkelheit.
Ich werde nie irgendetwas finden, das nicht auf irgendeine Weise falsch ist.

Irgendwann starre ich Blyths Instagram-Profil an.
Hey,
ich dachte, du wolltest mir helfen. Weißt du dann, wie viel du zerstört hast?
Weil ich es nicht verstehen kann. Wie er das verstehen kann, aber trotzdem so handeln. Ich frage mich weiterhin, ob er uns von Anfang an missbrauchen wollte oder ob irgendein Teil davon ehrlich war.
Er wollte Schluss machen, irgendwann, am Anfang. Ich hab ihn überredet, das nicht zu machen. War das eine Lüge, damit ich mir einbilden konnte, es interessiert ihn?
Einmal, ganz am Anfang, hatte ich einen Flashback und seine Reaktion war die beste, die ich jemals von irgendjemandem (gegenüber mir) gesehen habe. (Natürlich. Er hat das studiert.) War das nur, damit ich ein falsches Gefühl von Sicherheit entwickle?
Er wollte das Therapieverhältnis beenden. Ich erinnere mich und gleichzeitig erinnere ich mich nicht. Wir haben ihn angefleht. Ich erinnere keine Worte. Kein einziges Gefühl. Aber es war da. Das quälende Gefühl, abgeschoben zu werden. Nicht mehr gewollt zu werden.
Ich hätte mir so sehr gewünscht, nur ein einziges mal nicht alleine zu sein.

Vielleicht ist das, wie ich mich fühle. Alleine. Ich habe keinen Zugriff mehr darauf. Ich habe so sehr das Bedürfnis, es nochmal zu erklären. Nochmal und nochmal, weil ich nicht verletzt sein will. Ist das sinnvoll? Ich weiß es nicht. Ich schwanke so sehr, die ganze Zeit, zwischen Weggehen und Bleiben, im einen Moment macht es unglaublich viel Sinn, alles nochmal zu erklären, im nächsten ist nichts weiter von mir entfernt. Im nächsten schreibe ich einen zweiseitigen Brief an die eventuell neue Therapeutin, wo ich ganz genau erkläre, was wir in der Therapie brauchen, wie wir uns das vorgestellt hatten, dass wir jetzt aber erstmal Pause brauchen, vielleicht kann man dann im April in Ruhe besprechen, wie die Therapie dann funktioniert, definitiv nach Corona. Vielleicht weiß man dann auch, wann das ungefähr sein wird.

Es tut so weh.
Jede schlechte Erfahrung mit einem Therapeuten hat automatisch mit Blyth zu tun. Ich kann es nicht aus meinem Herzen streichen.

So beiläufig wertlos.
Das, was du mir antust
findet in keinem deiner vielen Worte Platz.
Wenn ich,
auch wenn jeder sonst vor dir wegrennt,
weiter an jedem Satz von dir festhäng,
kann es doch klappen...
diese Hoffnung soll langsam sterben.

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