Auf diesem Blog geht es um Trauma, Traumafolgestörungen und unser Leben damit.
Bitte achtet auf eure Grenzen beim Lesen der Texte.

Donnerstag, 30. September 2021

#72: Trauma: Therapie VI

Mittlerweile sind wir seit sechs Wochen in Therapie und ich habe immer noch keine Ahnung, was Therapie eigentlich sein soll. Es fühlt sich dieses mal nicht an, als würden wir auf einer vollkommen anderen Sprache mit der Therapeutin kommunizieren, aber verstehen tue ich es trotzdem nicht.
Wir reden über Dinge. Traumadinge, Würfel, Gehhilfen, unsere Familie, Selbstreflexion, Schmerzen, Kommunikation, was auch immer. Ich komme nicht nach Hause und es geht mir beschissen. Es ist einfach da. Wir haben eh den ganzen Tag nichts zu tun, also können wir genauso gut da hingehen.
Aber ich versteh nicht, wie das helfen kann. Wenn wir einfach nur reden. Über Dinge, die so oder so ähnlich schon mehrfach aufgeschrieben, gedanklich durchgegangen und an anderer Stelle ausgesprochen wurden. Wir hatten schon mehrfach Therapie und die war immer viel lösungsorientierter und man konnte innerhalb von weniger als einem Monat schon merken, dass es etwas bringt. Während es gerade sich anfühlt wie … yay, wir können über Dinge reden. So wie schon zehntausend mal. Seit neun Jahren. Mit unseren Freunden.
Es fühlt sich an, als wäre Therapie einfach nur bezahlte Gespräche für Leute, die keine Freunde haben.

Ich hab schon schon mehrmals gefragt. Was Therapie eigentlich ist oder sein soll. Dann bekommen wir ganz viele Worte und in unserem Kopf ergeben sie so wenig Sinn, dass wir sie nicht mal behalten können.
Wir haben auch schon beschrieben, was wir im Kopf haben, wenn wir an Therapie denken: eine Anleitung. Man versucht, Probleme zu lösen, die man hat und der Therapeut ist dafür da, Vorschläge zu machen, was man ausprobieren könnte. Man analysiert also erstmal, was das konkrete Problem überhaupt ist, dann probiert man verschiedene Dinge aus, um es zu lösen und analysiert dann, was und warum diese (nicht) geholfen haben.
Aber momentan ist es so, dass wir Probleme ansprechen und in der nächsten Sitzung ist es, als hätten wir nie darüber geredet. Ich bekomme das Gefühl, dass davon ausgegangen wird, wir haben darüber geredet, jetzt werden wir es schon auf magische Weise selber lösen können - oder dass es durch das Gespräch alleine schon gelöst wurde. Aber ist es nicht - sonst könnten wir uns genauso gut selbst therapieren. Und es nochmal ansprechen fühlt sich auch nicht sinnvoll an, weil ja schon das letzte mal absolut nichts passiert ist, was auch nur ansatzweise irgendwie hätte hilfreich gewesen sein können.

Und natürlich ist gerade eine Kennenlernphase - darum hatten wir explizit gebeten. Aber ich muss wissen, dass danach Mehr ist. Dass es einen Mehrwert hat, dass wir jede Woche an einen Ort gehen, vor dem das gesamte System Angst hat. Und dass wir nicht nur Gespräche führen, die wir genauso auch an anderer Stelle, in einer sicheren Umgebung, hätten haben können.

Ich kann nicht ausdrücken, wie verzweifelt ich bin. Ich kann kein einziges Wort finden, das ansatzweise beschreibt, wie verloren ich mich fühle.
Uns haben schon mehrere Leute mitgeteilt, dass die Therapie bei ihnen am Anfang genauso war. Dass es monatelang normal war, nicht zu verstehen, was irgendetwas davon bringen soll und dann hat sich das plötzlich geändert. Aber ich bin auch ehrlich mit uns selbst. Wenn wir monatelang da hingehen und nicht verstehen, warum das irgendwas bringen soll, während wir konstant Panik schieben, dass die Psychologin gerade eigentlich nur versucht, uns mental irgendwie kaputtzumachen, damit sie uns missbrauchen kann, brechen wir die Therapie wahrscheinlich einfach ab. Oder rennen direkt zu Blyth zurück - bei dem hatten wir dieses Problem nämlich nicht.
Das Gefühl, dass einem niemand so gut helfen kann wie der Typ, der zwei Drittel des Systems verursacht hat, ist beschissen. Vor allem, weil ich weiß, dass es nicht so sein muss. Weil wir ein zweites mal Therapie hatten, die geholfen hat, und da haben wir das auch innerhalb von einem Monat gemerkt.

Warum Therapie nicht einfach sein kann, was wir wollen, verstehe ich nicht. Warum es nicht so einfach sein kann, dass wir beschreiben, was wir brauchen und dann wird es einfach angenommen und umgesetzt.
Unser Gehirn hängt sich an dieser Frage auf. Seit sechs Wochen ist es eine klebrige, breiige Masse. Wir bekommen keinen einzigen Gedankenstrang zu Ende gedacht. ruru musste uns helfen diesen Text zu schreiben. Es ist zu viel. Es ist einfach nur unendlich verwirrend. Ich bin nicht intelligent genug, um dieses Level von Unverständnis nachvollziehen zu können. Es fühlt sich an, als würde mein Gehirn an meinen eigenen Worten explodieren.

2 Kommentare:

  1. Keine Ahnung, was Therapie ist, wie die abläuft und überhaupt. Aber es gibt doch dieses blöde Sprichwort "alle Wege führen nach Rom" und vielleicht ist das jetzt gerade ein neuer Weg, der erstmal ganz zugewuchert und steinig ist, dass man nicht das Gefühl hat, voranzukommen, aber dann irgendwann hat man sich durhc das Dickicht geschlagen und man stößt auf einen breiten Weg an dessen Ende Rom schon am Horizont zu erblicken ist und mit jedem Schritt merkt man, dass man Rom näher kommt, dass sich der Weg lohnt. Vielleicht ist auch das Hinterfragen der Therapie ein Teil der Therapie und vielleicht löst das neue Dinge auf und klärt alte Dinge auf. Keine Ahnung, aber so stelle ich mir das vor.

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    1. Ja, ich glaub, normalerweise ist das auch so. Gerade in so analytischen Therapierichtungen. Da geht's ganz viel um Verstehen. Nur, dass wir eigentlich gar keine psychoanalytische Therapie haben wollen, analysieren tun wir selbst genug, sondern eben Verhaltenstherapie oder was ähnliches. Also, das ist natürlich nicht Schuld unserer Therapeutin, sondern einfach ... es gibt halt keine verhaltenstherapeutischen DIS-Therapeutinnen, zumindest nicht hier.
      Aber wir hatten ihr jetzt den Blogbeitrag gegeben und ich glaub, sie hat's verstanden. Sie meinte nur trotzdem, dass sie uns nicht so einen Plan geben kann, was wir irgendwie machen, weil sie so halt überhaupt nicht arbeitet. Aber sie meinte auch, wenn das in ein paar Monaten immer noch so ist (dieses Unverständnis), dann machen wir irgendwas falsch.
      Wir haben jetzt zudem Ergotherapie angefangen, wo anders, das geht mehr so in Richtung Verhaltenstherapie, vielleicht bringt das zusammen ja was.

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