In letzter Zeit bin ich unzufrieden. Ich kann es nicht ganz greifen. Ich verstehe es nicht.
Es fing damit an, dass ich wirklich nicht zufrieden war mit meinen Haaren. Nicht, dass ich das jemals gewesen wäre - ich mag kurze Haare viel lieber, aber wir haben demokratisch entschieden, dass wir lange haben werden. Irgendwie dachte ich: ich muss damit was machen. Vielleicht färben oder so. Irgendetwas.
Dann hab ich mit kageru Pokemon gespielt. Ich glaube, da findet Gender inzwischen gar keine Erwähnung mehr. Früher wurde man gefragt, ob man männlich oder weiblich ist, mittlerweile kann man einfach ein Charakter-Modell auswählen, glaube ich. Wenn ich mich richtig erinnere. Es gibt verschiedene Hautfarben, Haarfarben und Haarlängen. Natürlich trotzdem binär eingeteilt, auch wenn es nicht erwähnt wird. „Wenn ich den Typen nehme“, meinte ich zu ruru, „wie oft werde ich dann misgendert?“
Es ist absurd. Es war mir superwichtig, kurze Haare zu haben. Aber gleichzeitig superwichtig, nicht misgendert zu werden. In einem Spiel. Im Reallife werde ich nicht misgendert, selbst wenn ich mir die Haare abschneide. Ich wurde überhaupt noch nie misgendert.
Aber irgendetwas ist gerade im Weg, irgendetwas stört, ist falsch falsch falsch. Und wenn man eine DIS hat, fragt man sich dann natürlich auch, ob vielleicht irgendeine Integration passiert ist mit jemandem, der nicht cis weiblich ist. So wie mit Caomhe, als plötzlich eine jüngere Lana-Version existierte. Oder mit Yumi, wo ich plötzlich einen Glauben entwickelt habe.
So: Integration mit männlicher Innenperson hinterlässt Identitätsverwirrung.
Aber vielleicht ist es auch einfach, wie ich wahrgenommen werde. Weil ich so nicht wahrgenommen werden will. Und ich denke so: wenn ich männlich wäre, würde ich als seltsam (negativ), creepy und arrogant wahrgenommen werden. Nicht, dass das besser wäre. Es wäre nur anders.
Ich bin wütend. Das merkt man vielleicht, wenn man unsere Texte liest. Ich weiß nicht mal, was ich erreichen will. Ich weiß nur, dass ich nicht die Person sein will, die nichts falsch macht, an der man nie Kritik üben muss.
Ich heiße Lana, glaube ich. Im Alltag nutzt man ja selten seinen eigenen Namen. Neulich war ich in der Therapie und hab irgendeinen Satz gesagt, in dem der Name vorkam, ein Zitat von jemand anderem von vor Jahren.
Und ich musste innehalten.
Und ich weiß nicht, ob es war, weil im Originalzitat natürlich 'Melanie' gesagt wurde, nicht 'Lana'. Aber irgendetwas ist falsch.
Mit dem Namen.
Mit meinem Leben.
Und ich versteh's nicht.
Und ich denke, vielleicht wäre mein Leben besser gewesen, wenn ich nicht jedem einzelnen Menschen erzählt hätte, dass wir eine DIS haben und was das heißt, weil wir jetzt unter konstantem Druck stehen, unsere Identität zu verstehen, anstatt sie für uns selbst verstehen zu können, während wir nach außen ohnehin eine Melanie-Maske tragen.
Vielleicht ist 'Lana' einfach verletzt.
Ganz sicher.
Davon bin ich entfernt.
Zumindest ein bisschen.
Meine Welt steht nicht in Brand.
Ich vermisse nur einen Menschen, der uns behandelt hat, als wäre was wir fühlen ihm egal.
Vielleicht bin ich einfach nicht Lana.
Wer weiß.
Eine DIS ist nicht wunderschön linear. Vielleicht hätten wir nicht versuchen sollen, zu jedem Zeitpunkt zu wissen, wer draußen ist, dann wäre es auch okay einfach zu sein, aber irgendwie ist es so verdammt wichtig für andere Menschen.
Vielleicht lebe ich immer noch für andere Menschen.
Nur anders.
Wenn ich nicht Lana bin, wer bin ich dann und ist Lana dann ein Teil von mir oder bin ich einfach jemand anders?
Wenn ich das veröffentliche, habe ich Angst, dass uns Menschen wieder unsere DIS absprechen. Dabei ist das vermutlich eins der normalsten Gefühle der Welt, wenn man Viele ist. Schließlich ist man ja nicht wirklich verschiedene Menschen. Man ist Gehirnaktivitätsmuster mit Identitätsgefühl. Und dann ändert sich das Gehirnaktivitätsmuster minimal - bin ich dann jemand anders oder dieselbe Person mit einer geänderten Persönlichkeit? Es ist nicht einfach. Manchmal ist es klar und manchmal überhaupt nicht.
Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir mehr auf, was in letzter Zeit anders ist. Meine Sehstärke zum Beispiel - wir haben zwei Brillen mit minimal anderen Sehstärken, weil es minimal verschiedene Sehstärken bei uns gibt. Aber gleichzeitig hatte ich in letzter Zeit auch mehr augenspezifische Trigger, also könnte es damit zusammenhängen.
Jede Veränderung kann ich irgendwie wegerklären. Ich weiß es wirklich nicht.
Vielleicht bin ich nicht Mehr, sondern weniger. Vielleicht gab es keine Integration, sondern eine Spaltung. Aber irgendwie dachte ich immer, das würde sich sehr klar anfühlen. Hat es bisher auch. Jetzt ist es anders und damit vielleicht etwas anderes.
Vielleicht gab es eine Verschiebung. Auch wenn ich davon noch nie etwas gehört habe. Ich meine: wenn man sich das Gehirn als Haus vorstellt und die Innenpersonen sind einzelne Bereiche des Hauses, die Räume sind Interessen, Erinnerungen und Fähigkeiten. Zu manchen Räumen haben alle Zugang, zu anderen nur bestimmte Innenpersonen. Manchmal gibt es vielleicht eine verschlossene Tür, wo man zumindest durchs Schlüsselloch blicken kann, manchmal sind da einfach Wände. Eine Verschiebung wäre, wenn manche Türen aufgeschlossen werden, Wände niedergerissen und wo anders aufgebaut werden. Manche Türen zugemauert werden, in andere Wände neue Türen eingelassen werden.
Ich weiß nicht, wie das Gehirn biologisch funktioniert. Aber: „Assoziationen müssen ja irgendeine Art von biologischem Etwas sein, das auch wieder weggemacht werden kann (Dissoziation). Und man kann Assoziationen ja aufbauen - das macht man eh durchgehend. Aber da muss ja irgendetwas sein, was diese Assoziation ist. Irgendein Nervenstrang, ein Hormon, irgendwas. Und sobald es biologische Masse ist, kann es ja in der Theorie hin oder weg gemacht werden. Das ist dann, was bei einer Integration oder Spaltung passiert. Und eine Verschiebung wäre dann einfach das ganze in größerem Stil, also, wenn mehrere Sachen weggemacht und aufgebaut werden.“ - waren meine Gedanken dazu.
Aber im Endeffekt habe ich keine Ahnung.
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