tag:blogger.com,1999:blog-595286050617402502024-03-25T13:56:32.640+01:00Blackbird, fly away.Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.comBlogger42125tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-50679246483099786382023-11-04T09:20:00.002+01:002023-11-04T09:20:34.271+01:00#138: Meeresbiologiestudium II<div style="text-align: justify;">Ich frage mich, wie ich dich dazu bringen kann, mich in Ruhe zu lassen. Vielleicht schreibst du mir jetzt nicht mehr, denke ich, und weiß doch selbst, wie das ist. Irgendwann ja, bestimmt. Irgendwann ja.</div><div style="text-align: justify;">„Vielleicht muss man die Wahrheit immer wieder in eure Welt hineinschreien, bis ihr sie endlich sehen könnt“, hast du geschrieben. Wie absolut hoffnungslos. Wenn du doch angekündigt hast, mir weiterhin seitenlange Briefe darüber zu schreiben, wie absolut psychisch kaputt ich bin, bis ich es endlich einsehe. Wann sehe ich es ein, deiner Meinung nach? Wenn ich mich von ruru trenne? Wenn ich wieder mit dir Kontakt haben will? Wenn ich so lange zu Therapeuten renne, bis mir irgendjemand Borderline diagnostiziert?</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich hab mir Persönlichkeitsstörungen durchgelesen, weil ich deine Gedanken verstehen wollte, deine und die der Tagesklinik. Letztere verstehe ich jetzt besser. Scheinbar beinhaltet die Therapie von Persönlichkeitsstörungen teilweise, dass man es dem Patienten erstmal nicht sagt, weil dieser sonst die Therapie beenden würde, erstmal Vertrauen aufbaut und den Patienten dann langsam selbst zu der Erkenntnis kommen lässt, dass das eigene Verhalten nicht das Bedürfnis erfüllt, das man eigentlich hat.</div><div style="text-align: justify;">Es gibt da vermutlich verschiedene Ansätze, aber das war einer, den ich gefunden hatte.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Es frisst sich in meine Gedanken.</div><div style="text-align: justify;">Ich fühle mich so unglaublich belogen.</div><div style="text-align: justify;">Man kann doch mit mir reden, denke ich mir.</div><div style="text-align: justify;">Ich frage mich, ob alles, was meine ambulante Therapeutin jemals zu mir gesagt hat, eine Lüge war. Dass sie mich als selbstreflektiert erlebt, dass ich es merken würde, wenn ich mich missbräuchlich verhalte. Aber es war ja eine aktive Aussage, sie hätte einfach nichts sagen können, beziehungsweise einfach nur „ich finde auch nicht, dass Sie jemanden missbraucht haben“, wenn es nur um Bestätigung ginge.</div><div style="text-align: justify;">Und es stimmt doch, dass ich merke, wenn ich mich missbräuchlich verhalte. Ich mache das manchmal. Ich hab dir davon erzählt, im Juni, du wolltest mir nicht glauben. „Manchmal will ich Menschen verletzen.“</div><div style="text-align: justify;">Ich muss doch nicht belogen werden.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich verliere mich, weiß nicht, wo ich die Wahrheit herbekommen soll. Nicht von dir, deine Nachrichten sind voller Dinge, die nicht stimmen, nicht mal nur meiner Einschätzung nach, einfach so komplett random Zeug, von dem ich nicht verstehe, wie du überhaupt darauf kommst. Nicht von der Tagesklinik, die ist ja vorbei, nicht hier, mich kennt hier niemand und wenn es ohnehin Therapeuten gibt, die einen anlügen, wie soll man dann irgendjemandem vertrauen?</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Aber meine ambulante Therapeutin hat ja gesagt, sie denkt, die Tagesklinik hat all diese Dinge gesagt, weil ich so unfähig bin mein Innenleben auszudrücken. Weil ich lächle und lächle und lächle und sure, ich wurde missbraucht, na ja, hier sind zwei Stichpunkte darüber und mein einziges Problem gerade ist, dass ich Aggressionsprobleme habe. Trauma-Symptome? Pfft.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich hab mit ihnen über chronische Schmerzen geredet, ob man eigentlich ihrer Meinung nach etwas Besseres machen kann, als alle zwei Wochen eine Voltaren zu nehmen und ansonsten damit zu leben. Woran ich merke, dass es mich so stark belastet, was genau mich so sehr belastet daran. „Ich hab nicht das Gefühl, dass es mich belastet“, meinte ich. „Aber ich habe mal zwei Wochen lang jeden Tag Schmerztabletten genommen wegen was Anderem und gemerkt, dass es mir plötzlich viel besser ging.“</div><div style="text-align: justify;">Das ist mein Leben. Ich fühle mich selten allgemein belastet. Nur manchmal sind Sachen weg und ich merke, wie viel besser mein Leben plötzlich ist.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Meine Therapeutin hätte das nicht gesagt, wenn sie lügen würde, oder? Sie hätte einfach nichts sagen können. Oder „vielleicht hatten Sie einfach Pech mit der Tagesklinik“. Richtig? Richtig?</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Seit Blyth habe ich das Gefühl, ich bin gefangen. Ich gehe in Therapie und ich existiere nicht. Ich bin leer, mir geht es gut und es gibt nichts zu sehen bei mir. Ich kann emotional nicht in einem Safespace funktionieren. Ich hab mal versucht, das meiner Therapeutin zu erklären, „ich kann nicht hier sitzen und Sie packen mich in Watte ein und achten darauf, mich bloß nicht zu triggern und dann gehe ich zurück in die Welt und werde getriggert, sobald ich länger als fünf Minuten mit jemandem rede und ich kann nicht lernen mit der Realität umzugehen an einem Ort, der so komplett fernab der Realität ist“. Sie hat nicht wirklich verstanden, was ich meinte.</div><div style="text-align: justify;">Irgendwann habe ich sie angefleht, Verhaltenstherapie mit mir zu machen, weil mir das was bringt, weil da der Großteil der Therapie in der realen Welt stattfindet. Es hat so lange gehalten bis ich zum ersten Mal geweint habe, weil ich getriggert war. „Deswegen halte ich das nicht für sinnvoll.“</div><div style="text-align: justify;">Ich hab mich so verloren gefühlt. Es hat mir doch was gebracht, ich habe doch was gelernt.</div><div style="text-align: justify;">Wir waren zurück bei den Gesprächen, die ich nicht führen konnte.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich hab nicht das Gefühl, dass es so schwierig ist. Ich brauche diesen Safespace am Anfang, vielleicht drei Monate, weil ich so viel Angst habe. Aber entweder mir wird das nicht gegeben oder ich werde nie daraus entlassen. Vielleicht kommuniziere ich so schlecht, was ich brauche, denke ich mir. Vielleicht kann ich das lernen. Vielleicht ist es nächstes Mal anders. Jedes Mal.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich hab meiner Therapeutin öfter gesagt, dass die Therapie mir nichts bringt, ich wollte das erklären, was wir ändern müssen, was ich brauche. Selbst nach zwei Jahren dachte sie noch, ich mache das zur Abgrenzung. „Die Therapie hilft mir nichts, also kann ich jederzeit gehen. Sie können mich nicht missbrauchen!“</div><div style="text-align: justify;">Und ich wollte doch nur Hilfe. Mehr als „ich habe gerade dieses akute Problem, was sagen Sie dazu?“ Ich wollte DIS-Therapie und Trauma-Therapie und ich verstehe nur einfach nicht, was ich dafür machen muss.</div><div style="text-align: justify;">Ich hab mal in den Raum gestellt, ob ich autistisch bin, weil nahezu alle meine Freunde autistisch sind und ich ja offensichtlich ein massives Kommunikationsproblem habe gegenüber jeder Person, die nicht autistisch ist. Ich sage etwas und es wird etwas komplett anderes verstanden, bei dir, bei Therapeuten, nur bei meinen Freunden nicht.</div><div style="text-align: justify;">Ein Therapeut meinte, er glaubt das nicht, aus komplett dummen Gründen, aber im Grunde glaube ich es selbst nicht. Es gibt nichts, was dafür spricht, außer das.</div><div style="text-align: justify;">Als ich das letzte Mal gegenüber einem Therapeuten erwähnt habe, dass ich komplett sozial unfähig bin und irgendwie nie sagen kann, was ich meine, hat er mich gefragt, warum ich in Therapie gehe. Das wäre kein Problem für Therapie. Also hab ich das ganze Trauma aus meinem Leben aufgelistet und das war plötzlich Grund genug, um 100 Stunden bewilligt zu bekommen, obwohl ich nicht mal was über Symptome gesagt habe.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Es ist für mich unverständlich, wie ich meine Probleme so klar ausdrücken kann und sie werden trotzdem so missverstanden. Ich hab versucht daran zu arbeiten, Texte darüber geschrieben, um sie in der Therapie vorlesen zu können, in der Hoffnung, vielleicht kann ich es ja schriftlich besser. Mich gefragt, ob ich einfach zufälligerweise richtig Pech mit Therapeuten habe, dass ich niemanden finde, der mich versteht. Hab mich gefragt, ob ich autistisch bin, ob es das ist, aber jedes Mal komme ich zu dem Schluss Nein. Meine Schwester wurde vor einem halben Jahr mit ADHS diagnostiziert und daraufhin wohl meine halbe Familie, hab es mir durchgelesen und klar, Konzentrationsstörungen habe ich natürlich, aber der Rest war mir vollkommen fremd. „Vielleicht ist das die Erklärung“, denke ich, immer wieder, aber es passt nicht, überhaupt nicht. Die DIS ist das Einzige, was jemals wirklich gepasst hat. Aber auch die erklärt nicht, warum ich so kommunikationsunfähig bin.</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-72113384779571357992023-02-06T11:46:00.001+01:002023-02-06T11:46:32.468+01:00132<div style="text-align: justify;">Ich war bei der Polizei, dich anzeigen. Na ja - eher aufnehmen lassen, dass du den ganzen weiten Weg von Nürnberg nach Hamburg gefahren bist, um vier Monate nach Ende der Beziehung ein Treffen und ein Gespräch zu erzwingen, das ich unmissverständlich nicht wollte. Eine Straftat ist das natürlich nicht. Das ist nur meine Absicherung, falls ich jemals durchsetzen muss, dass du mir fern bleibst.</div><div style="text-align: justify;">Es war seltsam. Das Gebäude zu betreten, über das ich so oft nachgedacht habe.</div><div style="text-align: justify;">„Ich möchte etwas anzeigen.“</div><div style="text-align: justify;">Kurz stand ich da, während der Polizist alles aufgeschrieben hat, und habe mich gefragt, ob ich auch noch meinen Vater anzeigen sollte. Oder Blyth, wo ich schon dabei war. Es alles erzählen, in die Welt bringen, aus mir raus schreien. Ob sich die Worte dann schützend um mich legen, die ständige Erinnerung daran, dass ich nichts nichts nichts beweisen kann, endlich egal wird.</div><div style="text-align: justify;">Als wäre es real geworden, weil es in irgendeinem staatlichen Computer steht.</div><div style="text-align: justify;">Als hätte ich endlich Nein gesagt.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich hab das Gefühl, als würde ich von Innen verbrennen. Plötzlich, endlich, habe ich gelernt, wie Widerstand funktioniert. Ich hab mich vier Wochen von dir missbrauchen lassen, vier Wochen zu viel, aber es waren nur vier Wochen. Ich hab dir ein Gespräch gegeben, bin gegangen, eine Nachricht gegeben, nicht mehr und dann habe ich dir innerhalb von fünf Minuten die Tür vorm Gesicht zugeschlagen.</div><div style="text-align: justify;">Unmissverständlich.</div><div style="text-align: justify;">Ich will dich nie wieder in meinem Leben haben.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Vielleicht ist das der höchste Punkt, den man erreichen kann. Ein Punkt, an dem ich nicht mehr verstumme, mein Nein durchsetze, wieder und wieder und wieder und immer mehr. Vielleicht ist es für all die Neins, die ich nie gesagt habe, zu spät.</div><div style="text-align: justify;">Vielleicht ist das hier Therapie. Nicht der sichere Ort der Psychologenzimmer, die Frauentraumagruppen, das Vermeidungsverhalten, in das ich gedrängt werde, das ich nie wollte. Die Welt, in der man sich selbst am allermeisten glauben muss.</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-42104003822223211352023-01-12T11:18:00.001+01:002023-01-12T11:18:08.952+01:00#130: Altersunterschied<div style="text-align: justify;">Wenn irgendjemand eine Beziehung mit großem Altersunterschied eingeht, werden oft Warnungen ausgesprochen. Dass die jüngere Person nur missbraucht werden wird, so etwas entsteht ja ohnehin nur, weil jemand Machtkomplexe hat, ...</div><div style="text-align: justify;">Und ich verstehe es. Wirklich. Vermutlich ist das in den meisten Fällen so. Es war bei Blyth nicht anders.</div><div style="text-align: justify;">Ich möchte trotzdem darüber reden, warum es das Gegenteil von hilfreich ist, so etwas zu hören. Warum es sogar schädlich sein kann.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Als wir mit Blyth zusammengekommen sind, hat er uns nicht missbraucht. Ich glaube, die meisten Beziehungen mit Tätern fangen so an - wenn Missbrauch schon an Tag 1 passieren würde, würde man vermutlich gehen.</div><div style="text-align: justify;">Die Beziehung war schön. Ich weiß nicht genau wie lange, ungefähr drei Monate werden es gewesen sein. Dann hat Blyth Schluss gemacht, weil ihm „aufgefallen“ ist, dass es ja illegal für ihn ist, mit uns zusammen zu sein. Das war vermutlich ein Test - denke ich inzwischen. Ein Test, ob wir jetzt abhängig genug sind. Und ja, waren wir - wir haben sehr dafür gekämpft, ihn davon zu überzeugen, dass das egal ist, <i>weil wir nicht darüber reden werden.</i></div><div style="text-align: justify;">Direkt danach fing der Missbrauch an.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Unsere Freunde wussten alle von der Beziehung - außer natürlich die, die Blyth kannten oder jemand anderen kannten, der Blyth kannte, damit auch definitiv nichts herauskommen konnte. Und alle waren sich sehr einig: Der ist 20 Jahre älter, er wird dich missbrauchen. Das war das einzige Thema. Immer. Ich konnte Blyth nicht erwähnen. Sobald ich ihn erwähnt habe, hieß es, ich soll Schluss machen, er wird mich missbrauchen und so weiter und so fort.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Als Blyth dann tatsächlich angefangen hat, uns zu missbrauchen, hatte ich absolut keine Lust mehr über meine Beziehung zu reden. Vor allem nicht über so was. Ich dachte ja, ich hätte ein Kommunikationsproblem, aber ich wusste, ich würde gar nicht bei meinen Problemen ankommen, weil sofort ohnehin nur wieder von Missbrauch geredet werden würde. Also habe ich erstmal ziemlich lange gar nicht darüber geredet.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Nach einer besonders unschönen Situation einige Monate später, habe ich dann damit angefangen, weil ich doch irgendwie Hilfe brauchte. Ich beschrieb also meinen Freunden, wie Blyth mich missbraucht hatte und natürlich wurde das auch sofort angemerkt und gesagt, ich solle um Himmels Willen mit ihm Schluss machen.</div><div style="text-align: justify;">Aber das kannte ich ja schon. Das sagten die immer. Nur weil er 20 Jahre älter war. Also hab ich es einfach ignoriert. Teilweise sogar gesagt, ich hätte Schluss gemacht. Teilweise einfach nicht mehr drüber geredet.</div><div style="text-align: justify;">Selbst als ich dann selbst auf den Gedanken kam, es könnte Missbrauch sein, habe ich lieber mit komplett fremden Menschen darüber geredet. Weil meine Freunde mir einfach überhaupt nicht zugehört haben. Ich konnte nicht ein Wort über Blyth verlieren. Es ging sofort darum, wie er der schlimmste Mensch auf dem Planeten ist, weil er 40 Jahre alt ist.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Und ja, um ehrlich zu sein - wahrscheinlich hätte ich es auch dann nicht verstanden, wenn sich tatsächlich jemand mit mir hingesetzt und darüber geredet hätte. Wahrscheinlich wäre ich trotzdem ähnlich lange mit Blyth zusammen geblieben. Im Endeffekt kann man das nicht sagen.</div><div style="text-align: justify;">Aber ich wäre nicht so verdammt alleine mit einer traumatisierenden Beziehung gewesen.</div><div style="text-align: justify;">Dass Blyth 40 war, ist so verdammt egal.</div><div style="text-align: justify;">Er hätte 25 sein können. Es wäre genauso traumatisch gewesen.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Hätte ich die ersten drei Monate haben können. Wäre Schluss gewesen, als Blyth Schluss gemacht hat.</div><div><div style="text-align: justify;">Es wäre kein Missbrauch gewesen. Es ist mir egal, was irgendein Gesetz dazu sagt. Es wäre hilfreich gewesen. Es <i>ist</i> hilfreich gewesen. Es hat bis heute positive Auswirkungen, dass diese drei Monate existiert haben.</div><div style="text-align: justify;">Das Gesetz existiert, weil es meistens nach diesen drei Monaten mit Missbrauch weitergeht. Weil Blyth nur wundervoll war, damit wir abhängig werden.</div></div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div><div style="text-align: justify;">Aber ich bin mit Menschen befreundet und nicht mit einem Gesetz.</div><div style="text-align: justify;">Es war nicht Missbrauch, weil Blyth 20 Jahre älter war. Es war auch nicht Missbrauch, weil Blyth unser Psychologe war. Es war Missbrauch, weil es Missbrauch war.</div><div style="text-align: justify;">Ich wünschte, ich hätte in einer Welt gelebt, in der Menschen mir tatsächlich zugehört hätten.</div></div><div style="text-align: justify;"><i><br /></i></div><div style="text-align: justify;">Und ich hoffe, wenn eure Freunde mit euch über etwas reden wollen, hört ihr ihnen zu und stopft ihnen nicht den Mund mit Sorge um ihr Wohlergehen.</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-89058437818339167142022-11-29T16:42:00.001+01:002022-11-29T16:42:07.161+01:00126<div style="text-align: right;">avis.</div><div style="text-align: justify;">Bei all dem Denken und Denken darüber, ob ich mich missbräuchlich verhalten habe, fällst mir immer nur du ein.</div><div style="text-align: justify;">2013 bist du gegangen und ich dachte: ich hab doch nichts gemacht, warum verlässt du mich dann, warum nimmst du mir weg, was mich glücklich macht? Aber - „wenn jemand gehen will, darf er gehen. Ich muss nicht die Welt dafür in Brand gesteckt haben“. Du hast mir nichts weggenommen. Du hattest einfach ein Leben, zu dem ich nicht mehr gehörte. Und warst für mich nur noch ein Objekt - so hab ich dich behandelt. Mein Antidepressivum; wenn ich dich hätte, wäre alles wieder gut.</div><div style="text-align: justify;">Ich weiß nicht, ob ich 2013 irgendetwas gemacht habe, weswegen du gegangen bist und ich glaube, im Endeffekt ist es auch egal. Denn danach habe ich dir die Verantwortung für mein Leben hinterhergeschmissen. Ich hab nie gesagt, dass ich mich umbringe, wenn du gehst, but I might as well have said that. I sure as hell made it seem that way.</div><div style="text-align: justify;">Das habe ich irgendwann letztes Jahr verstanden. Nie ausgesprochen, weil, warum, es ist fünf Jahre her, ich weiß nicht mal, wie du es wahrnimmst oder ob du überhaupt daran denkst. Es wäre nur für mich gewesen und du schon wieder nicht wichtig.</div><div style="text-align: justify;">Aber ich hab das Gefühl, zu sagen, dass ich „nichts“ gemacht habe, dass ich niemanden missbraucht habe, übergeht dich. Und das hat auch niemand verdient.</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-52876585780327586622022-09-28T20:27:00.001+02:002022-09-28T20:27:45.170+02:00#115: Milk Tea<div style="text-align: right;">[Original: <a href="https://www.youtube.com/watch?v=mfyL55kWgI8">Milk Tea von Dada</a>.]</div><div style="text-align: right;"><br /></div><div style="text-align: right;">Es ist so lange her,</div><div style="text-align: right;">so viele Jahre vergang',</div><div style="text-align: right;">fast vergessen hatte ich;</div><div style="text-align: right;">jeder Gedanke so verschwommen daran.</div><div style="text-align: right;">An diesem einen Tag, da fing ich deinen Blick</div><div style="text-align: right;">und genauso schnell war ich</div><div style="text-align: right;">fortan nur verliebt in dich.</div><div style="text-align: right;"><br /></div><div style="text-align: right;">„Hallo, mein Name ist“, in der Schule, neben mir,</div><div style="text-align: right;">bis dann meine Lippen nachts</div><div style="text-align: right;">kaum noch ein and'res Wort formen, sodass</div><div style="text-align: right;">kein Augenblick mehr vergeht,</div><div style="text-align: right;">in dem sich nichts um dich dreht,</div><div style="text-align: right;">alles, was ich spüre, nur</div><div style="text-align: right;">flauschig, ungreifbar, voll von dir.</div><div style="text-align: right;"><br /></div><div style="text-align: right;">Jeden Tag sah ich dir nach,</div><div style="text-align: right;">immerzu, während du doch beschäftigt warst.</div><div style="text-align: right;">Mit dem Gong warst du bereits auf deinem Weg zu geh'n.</div><div style="text-align: right;">Sag, warum bliebst du an diesem Tag dann plötzlich vor mir steh'n?</div><div style="text-align: right;"><br /></div><div style="text-align: right;">Mit dir allein. Du streckst die Hand nach mir aus, nein -</div><div style="text-align: right;">„komm, nimm auch was“, sagst du, seh</div><div style="text-align: right;">in deiner Hand einen Milchtee.</div><div style="text-align: right;">Ein Schluck, so süß, etwas warm,</div><div style="text-align: right;">fast fühlt es sich danach an,</div><div style="text-align: right;">dass der Geschmack von Liebe mir</div><div style="text-align: right;">auf den Lippen verweilen wird.</div><div style="text-align: right;">Rot, Orange, die Farben, die</div><div style="text-align: right;">um uns herumwirbeln, als wir</div><div style="text-align: right;">fast die Stille bersten spür'n,</div><div style="text-align: right;">weil unser Herzschlag so laut wird.</div><div style="text-align: right;">Plötzlich mutig. „Wollen wir dann</div><div style="text-align: right;">nach Hause gehen, zusamm'?“</div><div style="text-align: right;">Als du lächelst, spüre ich:</div><div style="text-align: right;">noch nie war ich so glücklich.</div><div style="text-align: right;"><br /></div><div style="text-align: right;">Weißt du noch, jener Tag,</div><div style="text-align: right;">an dem Schnee um uns fiel, da</div><div style="text-align: right;">wo ich zum allerersten Mal</div><div><div style="text-align: right;">deine überraschend kalte Hand in meine nahm?</div><div style="text-align: right;">Dacht ich doch immer, dass</div></div><div style="text-align: right;">du so viel Wärme ausstrahlst. Ich</div><div style="text-align: right;">musst in diesem Augenblick</div><div style="text-align: right;">so sehr lachen über mich.</div><div style="text-align: right;"><br /></div><div style="text-align: right;">Ah. Du neben mir</div><div style="text-align: right;">ließ mir nichts als zu realisier'n,</div><div style="text-align: right;">dass ich will, dass du für immer mein Leben erfüllst.</div><div style="text-align: right;">Wir zusamm' war alles, was ich wollte;</div><div style="text-align: right;">erinner mich an</div><div style="text-align: right;"><br /></div><div style="text-align: right;">dein Lächeln, das dein' Wangen diese Grübchen gab,</div><div style="text-align: right;">die Art, wie du mit deinen Haar'n immerzu spieltest, wenn du nervös warst;</div><div style="text-align: right;">so sehr darin verliebt, du warst</div><div style="text-align: right;">alles, was für mich wichtig war.</div><div style="text-align: right;">Irgendwie konnt' ich damals nicht</div><div style="text-align: right;">anders als dich umarm', plötzlich.</div><div style="text-align: right;">Weißt du noch, auf jenem Berg,</div><div style="text-align: right;">jenes Feuerwerk unter den Stern';</div><div style="text-align: right;">uns're Lippen berührten sich,</div><div style="text-align: right;">war so egal, die Welt um mich.</div><div style="text-align: right;">Jede Blüte, die um uns fiel,</div><div style="text-align: right;">jenes Funkeln, das nur für uns schien,</div><div style="text-align: right;">uns're Herzen hell erleuchtet</div><div style="text-align: right;">im Glanz dieser Nacht für mich.</div><div style="text-align: right;"><br /></div><div style="text-align: right;">Ich schreck auf. Der Zug ist plötzlich am letzten Halt.</div><div style="text-align: right;">Nostalgie. Warum nur träum ich ausgerechnet jetzt davon? Ich steig</div><div style="text-align: right;">hinaus auf jenes Bahngleis, der Regen schlägt mir ins Gesicht;</div><div style="text-align: right;">alles hier ist anders und doch, fast bildlich erinnere ich mich</div><div style="text-align: right;"><br /></div><div style="text-align: right;">an dich allein. Ich blick mich um; hier wirst du nicht sein.</div><div style="text-align: right;">Und dennoch, als wär damals, geh</div><div style="text-align: right;">ich und kaufe mir einen Milchtee.</div><div style="text-align: right;">Ein Schluck, zu süß, salzig, warm,</div><div style="text-align: right;">sag, warum fühlt es sich an,</div><div style="text-align: right;">als würd ich etwas von mir</div><div><div style="text-align: right;">im Schneeregen lassen, hier?</div><div style="text-align: right;">Rot, wie meine Fingerspitzen frier'n,</div></div><div style="text-align: right;">ein Augenblick nur, in dem wir</div><div style="text-align: right;">uns in meiner Erinnerung seh'n,</div><div style="text-align: right;">als würdest du am and'ren Bahngleis steh'n.</div><div style="text-align: right;">An diesem Wintertag wünsche ich mir</div><div style="text-align: right;">nur ein Mal noch deine Wärme zu spür'n;</div><div style="text-align: right;">meine Arme sind so leer</div><div style="text-align: right;">ohne dich genau neben mir.</div><div style="text-align: right;"><br /></div><div style="text-align: right;">Nur ein Tag noch. Ich wünschte, du wärst</div><div style="text-align: right;">nicht nur in meiner Erinnerung hier,</div><div style="text-align: right;">denn sie verblasst und was ich spür</div><div style="text-align: right;">ist die Kälte, die bleiben wird.</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-17596112917181193162022-09-09T21:17:00.004+02:002023-12-13T15:09:57.848+01:00#112: Wenn das Abendlicht in genau dieser Farbe ist, dann ist ein Loch in der Luft, wo du standest.<div style="text-align: justify;">Manchmal, ganz leise und dann plötzlich so laut, dass die Welt um meine Ohren zerspringt, vermisse ich dich. Die Welt hört auf sich zu drehen, einen Moment lang, in dem die Realität mit voller Wucht neben mir einschlägt: du wirst vermutlich nie wieder in meinem Leben sein.</div><div style="text-align: justify;">Ich bin dir so lange hinterhergelaufen. Ich bin stehen geblieben und irgendwie steht ein Teil von mir immer noch an derselben Stelle. Selbst wenn ich so viel weiter in meinem Leben bin - immer noch drehe ich mich nach dir um. Und manchmal bist du da und ich zerbreche nicht mehr in Glücksmomente, von denen keiner mich je näher bei dir hat sein lassen, und manchmal bist du weg und ich zerfalle nicht mehr in tausend Stücke, weil es irgendwann, irgendwie, okay geworden ist. Nur ein kleines bisschen. Genug, dass ich deinen Namen erwähnen kann, beiläufig, ohne zu erwähnen, dass mein Leben vielleicht an irgendeinem Punkt mal ein kleines bisschen vollständiger gewesen ist. Nicht genug, um nicht zu merken, dass du dennoch fehlst.</div><div style="text-align: justify;">Und hey. Wir sind andere Menschen. Und möglicherweise, sogar ganz bestimmt, würden unsere Leben mittlerweile überhaupt nicht mehr zusammen passen. Ich trage nicht mal mehr denselben Namen. Aber der Name, unter dem du uns kennengelernt hast, wird wahrscheinlich bald unser Ausweisname sein. Elf Jahre später.</div><div style="text-align: justify;">So viel Zeit. Manchmal stehe ich immer noch auf diesem Parkplatz. Und hey,</div><div style="text-align: justify;">ich wäre fast ans Meer gezogen. Jetzt ziehe ich nach Bayern. Und ich habe keine Ahnung, wo du bist, aber ich hoffe, irgendwo, wo du sein möchtest. Ich bin es auch.</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-51632097157903472632022-06-27T10:21:00.001+02:002023-12-13T15:06:34.402+01:00-<div style="text-align: right;">Ein Anruf, starr das Telefon an,</div><div style="text-align: right;">weiß genau, was ich nicht sagen kann,</div><div style="text-align: right;">erinner deine Finger, auf mir,</div><div style="text-align: right;">doch so nah an mir, nah an mir.</div><div style="text-align: right;"><br /></div><div style="text-align: right;">Betäube den Schmerz, den du auf</div><div style="text-align: right;">mir noch wie ein Echo hinterließt.</div><div style="text-align: right;">Berühr mich jetzt, spür, was ich vergess.</div><div style="text-align: right;"><br /></div><div style="text-align: right;">Nur eine weit're Geschichte,</div><div style="text-align: right;">könnt dich wieder hör'n, schließ die Augen, spür.</div><div style="text-align: right;"><br /></div><div style="text-align: right;">Warum kann ich nicht geh'n,</div><div><div style="text-align: right;">wenn ich nicht bleiben will?</div><div style="text-align: right;">Ersticke innerlich,</div></div><div style="text-align: right;">bis ich dann fast vergess,</div><div style="text-align: right;">wie kalt und einsam du bist.</div><div style="text-align: right;">Zum zehntausendsten mal zerbrichst du mich.</div><div style="text-align: right;">Liebe rettet nichts.</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-3540768886094730742022-05-26T09:08:00.002+02:002022-05-26T09:08:42.831+02:00#101: F44.81 Multiple Persönlichkeit;6B64 Dissoziative Identitätsstörung<div style="text-align: justify;">Unser allererster Post, der erklärt, was genau eigentlich eine dissoziative Identitätsstruktur ist, ist inzwischen unglaublich veraltet und ich hab auch das Gefühl, dass wir das damals alles selbst noch gar nicht so wirklich verstanden haben. Also folgt an dieser Stelle eine Neufassung!</div><div style="text-align: justify;">Mit der Einführung des ICD-11, wurde die „multiple Persönlichkeit(sstörung)“ nun auch in Deutschland offiziell in „dissoziative Identitätsstörung“ umbenannt. Gerade, wenn man selbst betroffen ist und vielleicht gerade erst dabei ist, dies rauszufinden, fühlt sich die Beschreibung dort aber nicht wirklich nach dem an, was man empfindet. Aber der Text ist ja auch nicht für Betroffene, sondern für Psychologen. Ich glaube, um vernünftig zu erklären, wie sich eine DIS anfühlt, muss man zuerst verstehen, wie sie entsteht:</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Jedes Kind hat, unabhängig von Erlebnissen, verschiedene Seins-Zustände. Ganz einfache Dinge wie „ich habe Hunger“, „ich möchte Nähe“, das hat wenig mit Persönlichkeit zu tun. Das ist einfach wie Kinder die Welt für sich einteilen, Schritt für Schritt, ein Bedürfnis auf einmal. Irgendwann (Menschen sind sich da uneinig, wann genau, aber ungefähr mit fünf Jahren) verbinden sich diese Seins-Zustände zu einer Einheit. Das nennt man Integration. Nachdem dieser Prozess abgeschlossen ist, fangen Kinder an, ein Identitätsgefühl zu entwickeln.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Manchmal, wenn ein Kind sehr viel Trauma erlebt, wird dieser Prozess unterbrochen. Das Gehirn lernt, die Seins-Zustände zu nutzen: einer der Zustände erhält beispielsweise die Erinnerungen an das traumatische Ereignis, ein anderer erhält ausschließlich die guten Erinnerungen. Ein Zustand lernt Trauma als die gesamte Normalität kennen, ein anderer ist für das alltägliche Leben zuständig. Zwischen den verschiedenen Zuständen entsteht in der Regel Amnesie, damit die Funktionalität des Kindes im Alltag sowie in der traumatischen Situation gewährleistet werden kann.</div><div style="text-align: justify;">Integration passiert nie.</div><div style="text-align: justify;">Kinder fangen trotzdem an, ein Identitätsgefühl zu entwickeln.</div><div style="text-align: justify;">Nur dass das Kind an dieser Stelle nicht wirklich eine Einzelexistenz ist, sondern in verschiedene Fragmente aufgeteilt. Und die entwickeln, alle für sich, ein eigenes Identitätsgefühl.</div><div style="text-align: justify;">Dadurch fühlt es sich dann im späteren Leben so an, als wäre man wirklich verschiedene Menschen, die alle zusammen einen einzelnen Körper bewohnen - nach außen hin werden diese Unterschiede in den allermeisten Fällen (Ausnahmen existieren) versteckt, damit man nicht auffällt. (Dass man nicht auffällt, ist Tätern meistens unglaublich wichtig.)</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet man Menschen mit einer DIS oft als „Systeme“. Die verschiedenen Identitäten eines Systems werden mit allen möglichen Bezeichnungen benannt, in der deutschen DIS-Community ist der Begriff „Innenperson“ geläufig. Seltener gebraucht werden „Anteile“ oder „Persönlichkeiten“. Im Englischen ist der Begriff „Alter“ geläufig, den wir auch auf Deutsch schon Leute gebrauchen gehört haben.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Eine DIS wird immer von Amnesie begleitet. Dabei gibt es verschiedene Ausprägungen. Viele Systeme haben beispielsweise Amnesie zwischen den Innenpersonen. Das heißt, wenn Innenperson A morgens „draußen ist“ (Kontrolle über den Körper hat), erinnert sich Innenperson B, wenn sie nachmittags rauskommt, nicht an den Morgen. Oft hat man aber auch die sogenannte „Amnesie für die Amnesie“ - sprich, man merkt einfach nicht, dass man sich nicht erinnert. Meistens nimmt das Gehirn Momente, die in den Erinnerungen vorhanden sind, und gaukelt einem vor, diese hätten die gesamte Zeitspanne eingenommen, obwohl es vielleicht in echt so ist, dass man sich an einen Moment von zehn Minuten erinnert, obwohl fünf Stunden vergangen sind.</div><div style="text-align: justify;">Manchmal besteht jedoch nicht so viel Amnesie zwischen den einzelnen Innenpersonen, sodass wichtige Details und der grobe Ablauf von Zeitspannen erinnert werden kann. Die Amnesie bezieht sich dann meistens vorrangig auf die Traumaerinnerungen an sich.</div><div style="text-align: justify;">Meistens fällt Amnesie ohnehin eher in Kleinigkeiten auf: vermutlich kennt beinahe jeder Mensch das Gefühl, wenn man sich nicht sicher ist, ob man etwas geträumt hat oder es wirklich passiert ist, ob man etwas tun wollte oder es schon getan hat oder wo zur Hölle man noch gleich den Kugelschreiber hingelegt hat und wo wir schon dabei sind, was wollte ich eigentlich nochmal in diesem Raum? Stellt euch einfach diese Erlebnisse vor, aber jeden Tag, den ganzen Tag, ständig.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Neurologisch gesehen sind verschiedene Innenpersonen übrigens einfach verschiedene Gehirnaktivitätsmuster. Jeder Mensch funktioniert ein bisschen anders - benutzt verschiedene Bereiche des Gehirns öfter, andere weniger oft, es unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Bei den Innenpersonen ist das genauso. Extreme Beispiele können Sachen sein wie, dass eine Innenperson blind ist, während aber alle anderen ganz normal sehen können.</div><div style="text-align: justify;">Mit diesem Hintergrund ist es relativ einfach zu erklären, dass manchmal (oder eigentlich sogar oft) nicht nur eine einzelne Innenperson im Bewusstsein anwesend ist. Manchmal gibt es ein Gefühl von „Matsch“, „Nebel“, „Blurriness“, bei dem für das System nicht klar bestimmt werden kann, welche Innenperson gerade da ist, vielleicht sind es auch zehn gleichzeitig, man weiß es nicht. Was ebenfalls oft vorkommt, ist das sogenannte „Co-Bewusstsein“, das den Zustand bezeichnet, in dem zwar eine Innenperson draußen sind, aber andere Innenpersonen relativ weit „vorne“ (im Bewusstsein) sind und somit einen Einfluss darauf haben können, was diese Innenperson fühlt, tut oder denkt. Einige Systeme hören die anderen Innenpersonen tatsächlich auch, in ihrem Kopf, und können somit miteinander reden.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Im weiteren Verlauf des Lebens, kann es bei Personen mit DIS passieren, dass neue Innenpersonen aufgrund von traumatischen oder sehr stressigen Ereignissen, entstehen. Das wird dann oft „abspalten“ genannt. Jedoch gibt es hier Uneinigkeiten darüber, ob sich Innenpersonen tatsächlich „spalten“ können oder ob es vielmehr so ist, dass es aus der Kindheit ungenutzte Seinszustände gibt, die in bestimmten Situationen „zum Leben erweckt“ werden, um mit diesen Situationen umzugehen. Darauf hat die Wissenschaft, unseres Wissens nach, bisher keine Antwort und jeder glaubt etwas anderes. Für uns persönlich fühlt es sich eher wie ein Abspalten an. (Eine These: Es könnte natürlich auch von System zu System unterschiedlich sein.)</div><div style="text-align: justify;">Durch Verarbeitung des Traumas können einzelne Innenpersonen auch wieder zu einer „Gesamtperson“ verschmelzen (ebenfalls oft „integrieren“ genannt, aber von uns, wegen Streitigkeiten bezüglich des Begriffs, häufig als „zusammenblobben“ bezeichnet). Dies ist jedoch in der Regel nicht das angestrebte Ziel, sondern passiert eher einfach, weil es gerade für das Gehirn eben so Sinn ergab.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div><div style="text-align: justify;">Entgegen des alten Namens, ist die dissoziative Identitätsstörung <i>keine</i> Persönlichkeitsstörung.</div><div style="text-align: justify;">(Was genau eine Persönlichkeitsstörung ist? Ich habe keine Ahnung. Aber es ist vielen Menschen unglaublich wichtig, das klarzustellen, weshalb ich es an der Stelle zumindest mal erwähne.)</div></div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Falls ihr Fragen habt, dürft ihr uns die immer gerne stellen.</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-35578471745053306542022-04-26T22:13:00.000+02:002022-04-26T22:13:15.498+02:00#93: Alle Zeit der Welt<div style="text-align: justify;">„Ich hab das Gefühl, Psychologen sind immer so 'Vermeidungsverhalten - ja, hm, das ist eigentlich nicht so gut, das wollen wir eigentlich weg haben'. Aber dann machen sie es selber.</div><div style="text-align: justify;">Wenn ich jetzt in die Bahn gehe und die erstbeste Person anspreche, werde ich in dem Gespräch wahrscheinlich zehn mal aus Versehen getriggert und fünf mal ist es überfordernd. Und hier ist es so, Sie achten die ganze Zeit darauf, dass ja nichts zu viel ist, dass ja nichts überfordernd ist. Es soll ein sicherer Ort sein, aber was es vor allem ist, ist ein Ort fernab jeglicher Realität.“</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">„Sie wollen also, dass ich mehr meine Reaktionen auf das, was Sie sagen, zeige.“</div><div style="text-align: justify;">„Es ist verletzend für mich, wenn Sie mir jede zweite Stunde sagen, dass Sie eigentlich gar nicht hier sein wollen, dass Sie eigentlich lieber zu wem anders wollen. Ich schlucke das herunter, weil ich glaube, dass Sie das brauchen.“</div><div style="text-align: justify;">„Und ich glaube, ich habe jetzt besser verstanden, warum. Sie brauchen das, um sich zu distanzieren, damit Sie auch gehen könnten.“</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich verstehe es nicht.</div><div style="text-align: justify;">Drei Jahre Kommunikationspsychologie und ich verstehe immer noch nicht, was an unseren Worten so anders ist, dass das daraus wird.</div><div style="text-align: justify;">Wie aus „ich will nicht wie eine Schneeflocke behandelt werden“ wird, dass ich will, dass unsere Psychologin mehr von ihren Gefühlen zeigt.</div><div style="text-align: justify;">Wie aus dem simplen Fakt, dass die Therapie uns nicht hilft, den wir aussprechen, damit sich vielleicht Dinge ändern können, wird, dass wir uns emotional distanzieren wollen. Distanzieren wovon? Von der Bindung, die nicht existiert? Die wir nicht aufbauen können, weil uns kein Raum gegeben wird, mal mehr zu fühlen als das absolute Minimum, weil wir nicht überfordert sein dürfen, weil Überforderung angeblich <strike>böse</strike> schlecht und traumatisch ist?</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">„Ich glaub, ich brauch eigentlich einen autistischen Psychologen“, sage ich. „Aber die behandeln vermutlich nicht DIS.“</div><div style="text-align: justify;">„Neurotypische Kommunikation funktioniert eher so, Sie sagen A und ich frage, ob Sie X meinten, weil ich das verstanden habe, bis wir irgendwann bei dem A landen, das Sie meinten. Autistische Menschen machen das eher nicht so, Sie verstehen direkt A und reagieren dann darauf.“</div><div style="text-align: justify;">In welchem Universum sie lebt, möchte ich gerne wissen. „Neurotypische Menschen verstehen B, wenn ich A sage und antworten mir dann auf B und dann muss ich in meinem Kopf aufdröseln, was da gerade schiefgelaufen ist. Und dann sag ich 'nein, das ist nicht, was ich meinte, ich meinte A' und dann fühlen sie sich manipuliert, weil ich ja <i>eindeutig</i> gerade B gesagt hatte und jetzt versuche ich plötzlich, etwas anderes zu behaupten. Autistische Menschen sind die Einzigen, die jemals nachfragen würden, weil sie die Einzigen sind, denen überhaupt in den Sinn kommt zu denken, dass sie vielleicht etwas falsch verstanden haben könnten, weil sie das so gewohnt sind.“</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div><div style="text-align: justify;">Ich wünschte, neurotypische Menschen würden mal nachfragen, was ich meine. Und nicht davon ausgehen, dass der einzige Weg, wie man Gefühle fühlen kann, Empathie ist. Wenn unsere Psychologin mir sagt, dass es sie verletzt, wenn ich ihr klar mache, dass ich Verhaltenstherapie brauche und ich mir unsicher bin, ob ich einfach für immer weiter suchen soll (Verhaltenstherapie und DIS gibt es irgendwie nicht) oder ob wir das irgendwie in die Psychoanalyse gequetscht bekommen, dann frage ich mich in erster Linie, ob sie mir eigentlich überhaupt zuhört. Warum wird mir nicht einfach auf meine Frage geantwortet?</div><div style="text-align: justify;">Ach ja, weil jedes mal, wenn ich mit Verhaltenstherapie ankomme, vielleicht eine Stunde darauf eingegangen wird, bevor sich wieder irgendein Grund findet, warum das definitiv doch keine gute Idee ist. Wie zum Beispiel, dass ich dabei was gefühlt habe. So was wie Panik. Das geht ja nicht. Gefühle sind böse. BÖSE.</div></div><div style="text-align: justify;">Dass ich mehr Panikattacken im Jahr habe als Therapiesitzungen ist egal - in der Therapie wird nicht gefühlt! Na ja, irgendwie schon, also, ich soll schon was fühlen, aber halt nicht so. Halt gemäßigter. Sonst ist das ja überfordernd und wir wissen ja alle, sobald man jemals überfordert wird, ist das voll traumatisierend. Deshalb hab ich regelmäßig Flashbacks von meinem alltäglichen Leben. /s</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich hab keine Lust mehr auf diese Scheiße.</div><div style="text-align: justify;">Es gibt einfach nichts Gutes an Therapie.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Und doch trotzdem, wenn ich andere Menschen von ihrer Therapie reden höre, wünsche ich mir das auch. Und wenn ich mich erinnere, an Blyth, vor 2015 und wie zum ersten mal in unserem Leben irgendjemand zugehört hat. Ich glaube nicht, dass Blyth jemals mitgefühlt hat. Aber es ging immer um Gefühle. Um mehr Fühlen. Selbstbestimmter Fühlen. Mehr Jetzt fühlen.</div><div style="text-align: justify;">Es ging nie darum, nicht überfordert zu sein. Wir waren so überfordert, dass wir direkt nach zwei Wochen wieder weggerannt sind und er hat uns gehen lassen und alles, was er gesagt hat, war, dass wenn wir wiederkommen wollen, wir das dürfen.</div><div style="text-align: justify;">Es ging unglaublich viel um Dürfen. Fühlen dürfen. Existieren dürfen. Platz und Raum und Zeit einnehmen dürfen.</div><div style="text-align: justify;">Und ich glaube, dass er uns missbraucht hat, ist eigentlich gar nicht das Schlimmste. Es macht mir Angst, weil ich diesen Menschen, den ich liebe, nicht einschätzen kann, weil das einzig interessante an uns für ihn im Endeffekt die Frage war, wie sehr man einen Menschen kontrollieren kann. Das Schlimmste ist, dass wir etwas Gutes gefunden hatten und dann hat er es weggenommen. Und jede einzelne Therapiestunde bei jedem einzelnen Therapeuten erinnert mich daran, wie unglaublich selten es ist, gehört zu werden, wie unglaublich besonders 2014 war und jede Stunde erweckt mehr den Eindruck in mir, dass es das, was wir hatten, vielleicht in unserem Leben niemals wieder geben kann.</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com3tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-91527628569196861622022-04-18T22:52:00.001+02:002022-04-18T22:52:12.101+02:00#92: Bachelor of Gaslighting<div style="text-align: center;">Disclaimer: das „ihr“ am Ende des Textes bezieht sich ausschließlich auf (Psycho)Therapeut*innen.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Vielleicht haben wir gar keine DIS,</div><div style="text-align: justify;">denke ich manchmal, wenn ich mit anderen Systemen rede.</div><div><div style="text-align: justify;">Wenn ich mit anderen Innenkindern rede, die denken, fühlen, sprechen wie ein tatsächliches Kind - während es bei uns ziemlich offensichtlich ist, dass die Innenkinder mit einem 25 Jahre alten Gehirn leben. Sie drücken sich vielleicht einfacher aus, haben eine kindlichere Tonlage, aber:</div><div style="text-align: justify;">„Wir können alle Lesen und Schreiben und Sachen durch 3 teilen. Sachen durch 3 teilen ist überlebenswichtig für unser Leben. Aber das zu erklären ist kompliziert, also möchte ich nicht. Ich könnte bestimmt auch eine Kurvendiskussion machen, wenn ich wollte. Ich find, es klingt nur komisch, dass man Kurven diskutieren muss und dass das überhaupt was mit Zahlen zu tun hat. [...] Ich möchte lieber mit Plüschtieren kuscheln und Malbücher ausmalen und Pokemon schauen - die Erwachsenenserien mag ich einfach nicht. Und die Erwachsenensachen auch nicht.“</div></div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Unsere Therapeutin stellt uns irgendeine DIS-Theorie vor, nach der der Host sozusagen eine „Phobie“ vor den anderen Innenpersonen hat. Man lehnt es ab, mit diesen in Kontakt zu treten, weil man dadurch auch erfährt, was im eigenen Leben passiert ist, von all dem Trauma, das man erlebt hat.</div><div style="text-align: justify;">Ich verneine. Das ist überhaupt nicht mein Erleben. Ich bin dankbar für jede Information, für jedes „ach deshalb ist das so; deshalb habe ich mit x Probleme“. Vor der Diagnose habe ich sehr oft gesagt, dass ich mich viel zu traumatisiert fühle für das bisschen Trauma, das ich erlebt habe.</div><div style="text-align: justify;">Es passte einfach nicht zusammen.</div><div style="text-align: justify;">Manchmal habe ich gesagt: „Ich will mich vergewaltigen lassen, damit ich endlich einen Grund haben kann, warum es mir so schlecht geht.“</div><div style="text-align: justify;">Es gab nichts Negatives an der Diagnose.</div><div style="text-align: justify;">Es gab nichts Negatives daran, dass ich Dinge erfahren habe.</div><div style="text-align: justify;">Es hat plötzlich alles so unglaublich viel Sinn ergeben. Als hätte ich mein Leben lang etwas gesucht und es endlich gefunden.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich hab das erklärt.</div><div style="text-align: justify;">Skye hat einen Text dazu geschrieben.</div><div style="text-align: justify;">Ich habe es nochmal in Skyes Worten erklärt.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Und trotzdem, immer wieder, wurde es mir vorgeworfen: dass ich mich selbst anlüge. Wie bei einem Verhör musste ich immer wieder beteuern, dass ich Interesse daran habe, die innere Kommunikation zu verbessern.</div><div style="text-align: justify;">Letztes mal wollte ich nicht mehr darüber reden und bin der Frage dazu ausgewichen. Das wurde angemerkt. Ein Beweis dafür, dass es stimmt, dass ich es in echt gar nicht will.</div><div style="text-align: justify;">„Nein. Es ist nur einfach frustrierend, dass ich jedes mal, wenn ich irgendetwas sagen möchte, einen Essay schreiben und dann dreißig Stunden darüber reden muss, bevor mir geglaubt wird.“</div><div style="text-align: justify;">„Hatten Sie das Gefühl, Sie mussten dieses mal einen Essay schreiben?“</div><div style="text-align: justify;">„Ja. Ich rede seit einem halben Jahr darüber. Ich beantworte ständig dieselben Fragen. Aber geglaubt wird mir erst, wenn ich anfange zu weinen und es offensichtlich ist, dass es mir richtig schlecht geht damit; es reicht nie, wenn ich einfach nur etwas sage.“</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div><div style="text-align: justify;">Ich wollte so sehr. Mich nicht mehr so verdammt alleine auf dieser Welt fühlen.</div><div style="text-align: justify;">Wir haben versucht, andere Systeme kennenzulernen. Aber es wird immer wieder so verdammt offensichtlich. Dass gefühlt jeder viel näher an dem Bild ist, dass Therapeut*innen von Systemen haben als auch nur ansatzweise nahe unserer Erfahrungswelt.</div></div><div style="text-align: justify;">Es fühlt sich an wie Gaslighting. Mit schlechteren Bedingungen, würde ich nur noch die ganze Zeit mich fragen, ob ich es vielleicht einfach nicht erklärt habe. Ob ich mich falsch erinnere, nie etwas gesagt habe, es vielleicht erklären wollte, aber dann eben doch nichts gesagt habe; ob ich mir die DIS ausgedacht habe; ob ich mir mein Leben ausgedacht habe. Zum Glück schicke ich ruru oft nach der Therapie eine Sprachnachricht, wo ich erzähle, wenn ich etwas erklärt habe und was die Therapeutin dazu gesagt hat. Zum Glück schreibe ich an vielen Tagen auf, was an dem Tag passiert ist. Zum Glück haben wir vor einigen Wochen angefangen aufzuschreiben, worüber wir in der Therapie reden [among other things].</div><div style="text-align: justify;">Wir können uns selbst beweisen, was wir versucht haben.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich habe keine Lust mehr auf DIS-Therapeut*innen.</div><div style="text-align: justify;">Am Anfang unserer Therapiesuche haben wir jede*n Therapeut*in gefragt, ob si*er sich mit der DIS auskennt. Die meisten haben Nein gesagt. Bei den anderen hatten wir Vorgespräche oder standen auf Wartelisten.</div><div style="text-align: justify;">Inzwischen möchte ich sagen: „Bitte, wenn Sie 'Ahnung von der DIS' haben, behandeln Sie uns nicht. Das Wissen, was Sie haben, ist kompletter Müll. Es betrifft uns nicht. Ich möchte nicht all meine Zeit damit verbringen, gegen Ihre Vorstellungen anzureden, wenn wir auch einfach jemanden finden könnten, der uns glaubt.“</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Im UKE wurde uns damals gesagt, wir sollen uns stationär aufnehmen lassen, um unsere Diagnose zu bestätigen. Warum?</div><div style="text-align: justify;">„Weil man Sie dann über einen längeren Zeitraum beobachten kann.“</div><div style="text-align: justify;">Dass wir uns geweigert haben, fühlt sich fast an wie ein Zugeständnis dazu, sich alles nur auszudenken. Terrified, irgendjemand könnte uns unsere Diagnose wieder wegnehmen, weil wir zu unauffällig sind. Man sollte den Gedanken entertainen können, dass es nicht stimmt.</div><div style="text-align: justify;">Aber ich werde nicht.</div><div style="text-align: justify;">Weil es so unglaublich arrogant ist zu denken, man könnte uns ein paar Wochen lang beobachten und wüsste besser über uns Bescheid, als wir selbst. Uns hat nie irgendjemand zugehört. Immer, wenn wir versucht haben, Dinge - die im Nachhinein betrachtet klar Symptome von Dissoziation/der DIS sind - zu beschreiben, wurde uns gesagt, das wären „normale Erlebnisse, die jeder Mensch hat“.</div><div style="text-align: justify;">Und dann sind wir endlich angekommen.</div><div style="text-align: justify;">Und plötzlich wollte man uns angeblich zuhören.</div><div style="text-align: justify;">Aber wenn wir in Therapie gehen, tut es ja auch niemand.</div><div style="text-align: justify;">Ich muss ein halbes Jahr erklären, dass ich keine Angst vor Informationen zu Gefühlen habe, die ich ohnehin schon fühle. Erklären und erklären, dass es mein Leben nicht schlimmer macht von Kinderpornographieringen und Blyth, Blyth, Blyth zu wissen, sondern besser, weil ich mich mein Leben lang davor nur gefragt habe, warum, und keine Antwort hatte. Und am Ende ist es trotzdem nicht genug. Am Ende muss ich weinen und schreien, um gehört zu werden.</div><div style="text-align: justify;">Aber ich will nicht mehr Weinen und Schreien.</div><div style="text-align: justify;">Weil ich nicht muss. Ich hätte von Anfang an nie müssen sollen.</div><div style="text-align: justify;">Von Anfang an hätte man uns einfach zuhören können.</div><div style="text-align: justify;">Von Anfang an hätte man uns einfach glauben können.</div><div style="text-align: justify;">Von Anfang an hätte man einfach akzeptieren können, dass wir uns selbst kennen und nein, natürlich nicht perfekt, natürlich haben wir Missverständnisse oder erinnern uns falsch, aber in jedem Fall, in jedem einzelnen fiktiven Szenario auf diesem ganzen Planeten, hätten wir immer noch mehr Ahnung von uns selbst als <i>irgendeine</i> fremde Person es jemals haben könnte, selbst wenn wir Amnesie haben und unter ihren Augen eingesperrt wären.</div><div style="text-align: justify;">Es wäre so einfach gewesen, uns einfach nur zu glauben.</div><div style="text-align: justify;">Dass es nicht passiert ist, entstand aus derselben Arroganz, aus der unser Erleben jetzt nicht valide sein kann, bevor es nicht von irgendjemandem, der studiert hat, bestätigt wurde.</div><div><div style="text-align: justify;">Ich scheiße auf euer Gaslighting-Diplom. Bachelor of Manipulation.</div><div style="text-align: justify;">Ihr seid alle nicht anders als Blyth.</div><div style="text-align: justify;">But go on.</div><div style="text-align: justify;">Redet euch ein ihr würdet helfen, weil ihr nicht unseren Körper sondern nur unsere Gedanken fickt.</div></div><div style="text-align: justify;">*</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-74086648150513108732022-02-02T10:25:00.004+01:002022-02-02T10:25:21.227+01:00#90: Überforderung ist wichtig<div style="text-align: justify;">Alle Psychologen sind immer furchtbar bedacht darauf, dass niemand bloß jemals überfordert wird. Überfordert sein ist schlimm. Überfordert sein ist Trauma. Wir reden nicht hierdrüber oder da drüber, das könnte alles überfordernd sein und hier sind Übungen, hier sind Ressourcen gegen Stress; bloß nie, nie, nie, nie, nie wieder Überforderung. Es kommt mir vor wie ein verdammter Witz. Mein ganzes Leben ist überfordernd. Wenn ich nie wieder Überforderung will, muss ich Suizid begehen. Daran wird keine kleine Stunde Gespräch pro Woche irgendwas ändern. Dass ich überfordert bin, ist nicht <i>das</i> verdammte Problem.</div><div style="text-align: justify;">Das Problem ist, dass unser Gehirn hundertausende Male in traumatischen Situationen überfordert war und jetzt denkt, überfordert sein heißt, dass gleich etwas GanzSchlimmes passiert. Aber wenn wir dann einfach für immer machen, dass wir nicht überfordert sind, <i>wie</i> soll unser Gehirn dann genau lernen, dass Überforderung nicht gleich GanzSchlimmeDinge ist? Es macht überhaupt keinen Sinn. Da beschweren sich Psychologen immer über etwaiges Vermeidungsverhalten und dann machen sie es selber.</div><div style="text-align: justify;">Es kann mir auch niemand sagen, wenn ich nur genug Stressbewältigungsstrategien habe, dass ich nie wieder überfordert sein werde. Das ist nicht wie die Welt funktioniert. Das ist nicht wie Leben funktioniert. Und dass wir <i>alleine</i> so viel Fortschritte in unserer Traumaverarbeitung machen, liegt ganz bestimmt nicht daran, dass wir uns von jeglicher Überforderung fernhalten und bloß nie wieder zu viel fühlen; sonst hätten wir keine Freundschaften, wir hätten keine Beziehung, keine Therapie, kein gar nichts, wir würden einsam und alleine in unserer Wohnung sitzen und traurig sein und selbst dann wären wir noch überfordert, weil wir alle drei Monate zum Arzt müssen und Untersuchungen machen, die uns triggern. Also könnten wir nicht zum Arzt gehen. Ziemlich sicher, das wäre auch eine Form von Suizid.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich fühl mich wie ein verdammtes Schneeflöckchen (behandelt). Ich darf schon wieder nichts fühlen. Fühlen ist schlecht. Fühlen ist Trauma. Und wenn wir Trauma besiegen wollen, dann beinhaltet das, dass wir ein „normales“ Level von Fühlen erreichen. Ich will kein scheiß „normales Level von Fühlen“. Ich mag mich wie ich bin. Mit Gefühlsvielfalt. Gefühls(zu)vielheit. Ja, das ist überfordernd. Die Lösung ist <i>nicht</i> BloßNieWieder überfordert zu sein.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Wenn wir überfordert sind, denkt unser Gehirn, es passiert jetzt EtwasGanzSchlimmes. Also was denken die, was passiert, wenn dann nichts Schlimmes passiert? Wenn sogar was Gutes passiert? Wenn plötzlich jemand da ist, den es kümmert, der versucht, irgendwie zu helfen, der sofort aufhört mit WasAuchImmer? Klar, beim ersten mal denkt man vielleicht so „hm, seltsam, das war bestimmt eine Ausnahme oder die Person hat das nur gemacht, damit sie mich am Ende noch mehr verletzen kann“ oder oder oder, aber nach drei Jahren sieht das schon anders aus. Und natürlich kann man dreizehn Jahre Trauma nicht mit drei Jahren überschreiben, in denen man gut behandelt wurde. Aber es hilft. Überfordert sein hilft. Man muss sich „nur“ ein Umfeld schaffen, in dem es aufgefangen wird (ich weiß selbst, wie verdammt schwierig das ist, so was zu finden).</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich versteh diese ganze „Traumaarbeit“ nicht. Vielleicht ist es einfach nichts für mich. Es geht die ganze Zeit so sehr um Sicherheit; also könnte das Leben jemals sicher sein. Es ist nicht sicher. Ich will damit umgehen, nicht in irgendeiner Fantasiewelt leben.</div><div style="text-align: justify;">Ich versteh Therapie nicht.</div><div style="text-align: justify;">Ich hab das Gefühl, ich lebe in einer komplett anderen Welt als alle anderen Menschen, die in Therapie gehen.</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-84019172089748826602021-12-16T21:07:00.001+01:002021-12-16T21:07:18.155+01:00#83: Wahrnehmung und Einbildung<div style="text-align: justify;">Unsere Psychologin ist immer wieder überrascht davon, dass wir unserer eigenen Wahrnehmung so sehr vertrauen. Denn normalerweise ist das nicht so, wenn man traumatisiert ist. Man wächst immerhin in einer Welt auf, in der man ständig nur hört, man würde sich anstellen, man würde lügen, man würde sich Dinge nur einbilden, spürt, die eigenen Gefühle sind nicht wichtig, man selbst ist nicht wichtig, aus jeder Ecke dröhnt es „deine Wahrnehmung ist falsch“.</div><div style="text-align: justify;">Wir sind natürlich nicht vollkommen unbehelligt davon. Blyth hat das wunderbar ausgenutzt.</div><div style="text-align: justify;">Aber wir sind schon verhältnismäßig frei davon, können uns selbst vertrauen und oft auch durchsetzen, dass unsere Wahrnehmung nicht falsch ist. Zumindest uns selbst gegenüber.</div><div style="text-align: justify;">Und immer wieder kommt die Frage auf, wie wir das behalten konnten, trotz allem. Dass es ja irgendwas gegeben haben muss, das uns gesagt hat, dass unsere Wahrnehmung richtig ist.</div><div style="text-align: justify;">Aber umso mehr ich darüber nachdenke, desto weniger glaube ich das.</div><div style="text-align: justify;">Ich glaube, ich denke einfach zu mathematisch, um mein eigenes Erleben in Frage zu stellen.</div><div style="text-align: justify;">Denn es gibt Meinungen und es gibt Fakten.</div><div style="text-align: justify;">Eine 4 ist immer eine 4.</div><div style="text-align: justify;">Wenn ich Schmerzen fühle, fühle ich Schmerzen.</div><div style="text-align: justify;">Die 4 kann auf verschiedene Arten entstanden sein - es gibt viele Möglichkeiten, auf eine 4 zu kommen. Zum Beispiel 2 + 2. Oder 2 * 2. Oder 20 / 5. Oder 7 - 3. 8 * 0.5. Aber es ist trotzdem alles eine 4.</div><div style="text-align: justify;">Schmerzen können auf unterschiedlichste Arten entstehen. Wenn ich zum Arzt gehe und sage, ich habe Schmerzen und er stellt nichts fest und sagt mir „bei Ihnen ist alles in Ordnung“, dann heißt das (vorausgesetzt er hat nichts übersehen), dass es keine medizinisch relevante Ursache für die Schmerzen gibt. Ich fühle aber trotzdem Schmerzen. Das ist einfach ein Fakt. Es ist keine Meinung - sonst könnte ich ja einfach meine Meinung ändern und die Schmerzen wären weg.</div><div style="text-align: justify;">Also könnten die Schmerzen vielleicht eine psychische Ursache haben. Dann ist natürlich nicht wirklich mein Knie kaputt, sondern es tut einfach nur weh.</div><div style="text-align: justify;">Selbst wenn wir den beliebten Satz nehmen: „Vielleicht bilde ich mir das ja nur ein.“ Was anderes ist denn die Einbildung eines Sinnesreizes als eine Halluzination? Und eine Halluzination entsteht auch irgendwie. Hat also eine Ursache. Es ist halt nicht wirklich mein Knie kaputt, aber es tut trotzdem weh.<br />Man kann einfach nicht etwas fühlen, ohne dass man es tatsächlich fühlt. Das ist nicht, wie Biologie funktioniert. Eine 4 ist eine 4 und Schmerzen sind Schmerzen.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Okay, aber was ist mit komplexeren Sachen wie der DIS, fragt man sich jetzt vielleicht. Das ist ja kein klar fühlbarer Zustand. Bei so etwas kann die eigene Wahrnehmung vielleicht falsch sein.</div><div style="text-align: justify;">Nehmen wir das mal auseinander.</div><div style="text-align: justify;">Ich habe eine bestimmte Persönlichkeit. Ich verhalte mich in bestimmten Situationen auf eine bestimmte Art und Weise. Das ist ein Fakt - das tut jeder Mensch. <i>Manchmal</i> war es bei uns jedoch ganz anders - „ich“ war dann einfach anders und „ich“ konnte auch nichts dagegen tun. Es fühlte sich an, als wäre „ich“ eine andere Person.</div><div style="text-align: justify;">Das ist ein Fakt. Ich war anders - kann man feststellen. Ich konnte nichts gegen tun - sonst hätte ich es ja, denn ich wollte. Es fühlte sich so an - Gefühle sind Fakten. Sie sind Biologie. Es sind hormonelle Reaktionen. Man kann das irgendwie messen, wenn man möchte. Mathematik. Eine 4 ist eine 4 und ein Gefühl ist ein Gefühl.</div><div style="text-align: justify;">Aufgrund von Fakten, die ein Psychologe interpretiert hat, wurde uns eine DIS diagnostiziert.</div><div style="text-align: justify;">Wenn die Diagnose falsch ist? Dann wurde falsch interpretiert.</div><div style="text-align: justify;">Man kann sich keine Fakten einbilden.</div><div style="text-align: justify;">Einbildung existiert nicht. Also, wirklich. Wenn ich aus dem Augenwinkel einen Schatten sehe und ich drehe mich um, aber da ist nichts, ich habe ihn mir also „eingebildet“. Das geht halt gar nicht. Dass ich einen Schatten gesehen habe, ist ein Fakt. Es war halt nur nichts da, vielleicht war es eine Halluzination, vielleicht irgendein komisches Lichtphänomen, irgendeine Fehlfunktion meiner Augen, was weiß ich. „Einbildung“ ist nur ein Wort für Fakten, die nicht erklärbar sind (für die man nicht sofort eine Ursache finden kann).</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Wahrnehmung ist auch einfach ein Fakt. Alles, was man denkt, fühlt, was auch immer ist ein biologischer Prozess. Biologische Prozesse kann man messen. Vielleicht noch nicht jetzt, aber in der Theorie ist es möglich. Wenn ich Schmerzen empfinde, ist das ein biologischer Prozess in meinem Gehirn. Wenn ich Angst habe, ist das ein biologischer Prozess in meinem Gehirn. <i>Existieren</i> ist ein biologischer Prozess.</div><div style="text-align: justify;">Fakten sind einfach keine Meinungen.</div><div style="text-align: justify;">Und Existieren auch nicht.</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-32609115432523866712021-12-07T21:05:00.004+01:002023-12-11T20:29:56.399+01:00#78: Donut Hole II<div style="text-align: center;">[<a href="https://www.youtube.com/watch?v=huKgc30Wa8s&ab_channel=finnique.">Donut Hole.</a>]</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: center;">Woher kommen plötzlich diese Bilder, die</div><div style="text-align: center;">sich vollkomm' unerwartet durch meine Gedanken zieh'n?</div><div style="text-align: center;">Das ist nicht mein Leben, oder? Kann es sein,</div><div style="text-align: center;">dass dieses eine Bild mir irgendwie nicht fremd erscheint?</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;">Versuch's nochmal, noch hundert mal, doch</div><div style="text-align: center;">bloß ein Gesicht erscheint in meinem Kopf.</div><div style="text-align: center;">Keine Informationen, nichts, niemand an</div><div style="text-align: center;">den ich mich durch dieses Bild wieder erinnern kann.</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;">Um den Erdball laufen Schienen, die</div><div style="text-align: center;">es immer schneller weiter Richtung Morgensonne zieht.</div><div style="text-align: center;">Jedoch brauchen wir diese nicht auf der Jagd</div><div style="text-align: center;">nach unseren Wünschen, immer weiter dem Mondschein nach.</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;">Versuch's nochmal, noch tausend mal, doch</div><div style="text-align: center;">bloß dein Gesicht erscheint in meinem Kopf.</div><div style="text-align: center;">Regen vermischt sich mit den Tränen, die ich</div><div style="text-align: center;">plötzlich weine, denn ob du überhaupt lebst weiß ich nicht.</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;">Irgendwo tief in mir fühle ich, dass du mir nie</div><div style="text-align: center;">böse wärst, dass ich mich an nichts erinnere von dir.</div><div style="text-align: center;">Trotzdem raubt es mir Schlaf. Fast kann ich hör'n wie du lachst.</div><div style="text-align: center;">Doch wie ein Traum entgleitet mir, was ich verloren hab.</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;">Ich zähle, was ich fühle. Ich liste es auf.</div><div style="text-align: center;">Nur so begreife ich, dass ich nicht weiß, ob ich 'Wärme' je gespürt hab.</div><div style="text-align: center;">„Leb wohl, niemals wieder werden wir uns seh'n.“</div><div style="text-align: center;">Zumindest ist das, was ich denke; ein Gefühl, das in mir nachhallt.</div><div style="text-align: center;">„Warum kann ich nicht lächeln?“ ist die Frage, die mich zerreißt.</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;">Mein Leben fühlt sich wie ein Donut an:</div><div style="text-align: center;">ein Loch, in dem nichts fehlt, das ich je beweisen kann.</div><div style="text-align: center;">Niemand kann sagen, ob dort jemals war,</div><div style="text-align: center;">was ich jetzt sehe, denn du fehlst nicht, du bist nur nicht da.</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;">Versuch's nochmal, noch hundert mal, doch</div><div style="text-align: center;">bloß dein Gesicht erscheint in meinem Kopf.</div><div style="text-align: center;">Eine weit're Nacht find ich keinen Schlaf,</div><div style="text-align: center;">gefangen frag ich mich, wo du in meinem Leben warst.</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;">Kann es wirklich so sein, dass manchmal nichts mehr verbleibt?</div><div style="text-align: center;">Wartet man ewig bis man feststellt, dass sich nichts je zeigt?</div><div style="text-align: center;">Diese Hoffnung werd ich aus meinem Leben verbann,</div><div style="text-align: center;">stattdessen such ich etwas, was das Loch in mir füll'n kann.</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;">Ich zähle, was ich fühle und was ich vergaß.</div><div style="text-align: center;">Nur so begreif ich: ich weiß nicht, ob ich deine Stimme je gehört hab.</div><div style="text-align: center;">„Leb wohl, niemals wieder werden wir uns seh'n.“</div><div style="text-align: center;">Zumindest ist das, was ich denke; ein Gefühl, das in mir nachhallt.</div><div style="text-align: center;">„Warum kann ich nur weinen?“ ist die Frage, die mich zerreißt.</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;">War irgendwas von dir jemals wirklich real?</div><div style="text-align: center;">Das Loch in meinem Herzen schreit mich an, die einzige Stimme, die „Ja“ sagt.</div><div style="text-align: center;">Wenn nichts dort existiert hat, warum ist es dann leer?</div><div style="text-align: center;">Mein Herz in Scherben, es verbleibt nichts, man kann nicht zu Nichts zurückkehr'n.</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;">Ich zähle, was ich fühle. Ich liste es auf.</div><div style="text-align: center;">Nur so begreife ich, dass ich nicht weiß, ob ich 'Wärme' je gespürt hab.</div><div style="text-align: center;">„Leb wohl, niemals wieder werden wir uns seh'n.“</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;">Dennoch erreicht mich ein Gedanke, nur ein Wort, das in mir nachhallt,</div><div style="text-align: center;">ich öffne meine Augen für die Hoffnung, die mich antreibt,</div><div style="text-align: center;">Hoffnung, die mich antreibt, Hoffnung, die mich antreibt.</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;">„Ich erinnere mich, du heißt -“</div></div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-12005010856342724522021-11-30T20:57:00.000+01:002021-11-30T20:57:07.318+01:00#75: traumafreie Räume<div style="text-align: justify;">[Das ist ein Brief an unsere Ergotherapeutin, zumindest so halb, also bitte nicht von den ganzen negativen Sätzen angesprochen fühlen.]</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">"Wir reden hier nicht über Trauma", ist ein Satz, der immer wieder all unsere Grenzen verstummen lässt. Es gibt keinen traumafreien Teil unseres Lebens, der uns in einem traumafreien Raum existieren lässt. Wir sind nicht traumafrei. "Wir reden nicht über Trauma" heißt immer auch:</div><div style="text-align: justify;">Wir reden nicht darüber, wenn es euch schlecht geht.</div><div style="text-align: justify;">Wir reden nicht darüber, wenn euch etwas triggert.</div><div style="text-align: justify;">Und ganz vorne immer mit dabei: wir reden nicht über und vor allem nicht mit traumatragenden Innenpersonen.</div><div><div style="text-align: justify;">Es verbietet uns jeden Satz über unsere Innenwelt, der unseren Mund verlassen könnte.</div><div style="text-align: justify;">Denn ich kann nicht sagen, dass ich, seitdem unsere Lungenfunktion in den Keller gefallen ist, total Angst vor Corona habe. Denn dann müsste ich ja sagen, dass ich am meisten Angst vor Corona habe, weil ich dann einen Test machen müsste. Und dann müsste ich ja sagen, dass mich jegliche Tests mit Stäbchen in irgendwelchen Körperöffnungen am allermeisten von allen Dingen auf der Welt triggern. Und dann reden wir plötzlich doch über Trauma.</div></div><div style="text-align: justify;">Aber hier ist ja kein Platz dafür.</div><div style="text-align: justify;">Also reden wir lieber gar nicht.</div><div style="text-align: justify;">Auch nicht darüber, dass der Satz deshalb übergriffig ist, denn das wäre über Trauma zu reden. Denn es ist ja nur übergriffig, weil wir nicht ganz sein dürfen in einem Raum. Weil wir nicht traumafrei sind.</div><div style="text-align: justify;">Und ohnehin, das letzte mal, als wir gesagt haben, dass Stäbchentests uns unglaublich doll triggern, wurde uns gesagt: "Aber die sind ja wirklich nicht schlimm, die tun überhaupt nicht weh."</div><div style="text-align: justify;">Von der Ergotherapeutin.</div><div style="text-align: justify;">Das kann sie sagen, in ihrem traumafreien Raum, weil sie nicht in dem Raum sein musste, wo wir unsere gesamte Kindheit lang alle drei Monate von Pflegepersonal festgehalten wurden, während irgendjemand unseren Mund aufhalten musste, damit irgendein Arzt uns gewaltsam ein Stäbchen in den Rachen schieben konnte. Wo niemand je gefragt hat, warum wir das eigentlich so schlimm finden, obwohl es ja gar nicht wehtut.</div><div style="text-align: justify;">Vielleicht wollten wir nur einfach nicht noch mehr oral vergewaltigt werden.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">"Wir reden hier nicht über Trauma" ist auch meistens gar nicht der Satz, der überhaupt gemeint ist. Denn Menschen, die wirklich nicht über Trauma reden wollen, verschwinden aus unserem Leben. Das können wir nicht bieten. Eine traumafreie Sprache. Die einzige Grenze, die jemals funktionieren kann, ist gar nicht mit uns reden. Oder jedenfalls über nichts wichtiges.</div><div style="text-align: justify;">"Wir reden hier nicht über Trauma" heißt oft viel eher:</div><div style="text-align: justify;">Wir reden nur über Trauma, wenn ich eine Frage über euer Leben stelle.</div><div style="text-align: justify;">Aber sonst bitte nicht. Und lass die Innenkinder im Innen. Die haben hier wirklich nichts zu suchen. Die sind viel zu anstrengend, haben zu viel Flashbacks und zu wenig Worte und vor allem viel zu viel Trauma für diesen unbefleckten Ort.</div><div style="text-align: justify;">"Aber du scheinst das ja gut unter Kontrolle zu haben."</div><div style="text-align: justify;">Keine Pluralpronomen, kein einziges mal.</div><div style="text-align: justify;">Denn diese Stimmen im Kopf. "Die sind psychotisch, oder?"</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Nein. Die sind: wenn Sie nicht die Dreistigkeit besäßen, jemanden mit einer DIS zu behandeln ohne zumindest anzumerken, dass Sie offensichtlich absolut keinen blassen Schimmer über diese Traumafolgestörung zu haben, wüssten Sie die Antwort.</div><div style="text-align: justify;">Die sind: was mich vor übergriffigen Menschen wie Ihnen beschützt, danke.</div><div style="text-align: justify;">Denn scheinbar war es ja wichtiger, uns darüber auszufragen, dass Blyth uns vergewaltigt hat, als mal in Erfahrung zu bringen, warum wir eigentlich immer von 'wir' reden - im Plural. Und es war wichtiger mal so beiläufig zu fragen, ob wir ihn eigentlich angezeigt haben, als mal in Erfahrung zu bringen, was eigentlich mit 'Innenpersonen' genau gemeint ist. Und es war scheinbar auch wichtiger, unsere Gefühle im Bezug auf Trigger kleinzureden, als sich mal eine Sekunde lang selbst zu fragen, was eigentlich passiert sein muss, dass jemand mit 57% Lungenfunktion mehr Angst vor einem Stäbchen hat als davor, an Corona zu sterben.</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-41025777015557448542021-08-06T12:06:00.001+02:002021-08-06T12:06:42.935+02:00#70: Selbstdiagnostik<div style="text-align: justify;">Gerade im nordamerikanischen Raum scheint es viele Systeme zu geben, die sich die DIS selbst diagnostiziert haben, aber auch im deutschsprachigen Raum haben wir inzwischen davon gehört. In der Community wird diesbezüglich oft angesprochen, dass man bei solch komplexen Diagnosen nichts selbst diagnostizieren sollte, da es einfach viele andere Störungen gibt, die ähnliche oder ähnlich klingende Symptome haben, mit denen man sein eigenes Empfinden verwechseln könnte.</div><div style="text-align: justify;">Viele davon sind der DIS sehr ähnlich und haben nur eine etwas andere Symptomausprägung. Dies ist beispielsweise bei der partiellen DIS so und so können DIS-spezifische Hilfsangebote vermutlich trotzdem helfen. Es gibt jedoch auch ähnliche Störungen, die einen gänzlich anderen Therapie-Ansatz verfolgen. Dadurch ist es natürlich enorm wichtig zu wissen, was man genau hat.</div><div style="text-align: justify;">Auch grundsätzlich ist es wichtig, sämtliche Vermutungen, die man über Diagnosen hat, mit einer Fachperson abzusprechen - immerhin gibt es einen Grund, warum man so etwas studieren muss und warum nicht jeder Mensch auf der Welt, der ein paar Psychologiebücher gelesen hat, Diagnosen stellen darf. Bei medizinischen Problemen ist es ja genauso.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div><div style="text-align: justify;">Über uns selbst als System zu denken, hat uns zwar auch vor der Diagnose sehr geholfen (der Verdacht, dass wir eine DIS haben könnten, kam von uns, nachdem wir zufälligerweise einige Videos darüber gesehen hatten), allerdings wollten wir es unbedingt abklären lassen, weil es ja hätte sein können, dass wir alles komplett falsch interpretieren und eigentlich etwas ganz anderes haben. Deshalb haben wir in den drei Monaten zwischen der Vermutung und der Diagnose auch niemandem - mit Ausnahme von ruru - von unserem Verdacht erzählt. Es war uns einfach zu unsicher.</div><div style="text-align: justify;">Jedoch hatten wir auch extremes Glück, dass unser Extherapeut sich zufälligerweise mit der DIS auskannte und wir innerhalb von einem Monat einen Termin bekommen konnten. Hätten wir erstmal eigenständig Fachpersonal suchen müssen, um uns auf eine Warteliste setzen zu lassen, hätten wir vermutlich Monate bis Jahre auf die Diagnostik warten müssen.</div></div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Genau deshalb kommt an dieser Stelle ein großes Aber: wir wissen, wie sehr es uns geholfen hat, uns als System zu sehen und auch so zu bezeichnen, auch vor der Diagnose, selbst wenn es nur bei ruru und in unserem Tagebuch war. Es erklärte jede Kleinigkeit unserer Problematik, die wir nie verstanden hatten. Jedes seltsame Gefühl, das wir gehabt hatten, von dem wir nie irgendjemandem erzählt hatten. Natürlich. Wir hatten eine DIS. Das war zu dem Zeitpunkt ja nicht anders, nur weil wir noch nicht diagnostiziert worden waren.</div><div style="text-align: justify;">Da Systeme aus den USA oft sagen, sie müssen sich selbst diagnostizieren, weil sie sich keine Therapie leisten können, wird hier oft gesagt, in Deutschland (und vermutlich auch in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein; von diesen Ländern haben wir allerdings wenig Ahnung) gibt es kostenlose Therapie, also kann man in jedem Fall eine Fachperson aufsuchen, die man wegen der DIS fragen kann, es dauert vielleicht ein wenig, aber aus diesem Grund sei eine Selbstdiagnostizierung absolut abzulehnen.</div><div style="text-align: justify;">Dieses Mindset finde ich allerdings extrem kurzgedacht.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Beispiel: wir haben einen Freund, der Schizophrenie hat. Er lebt in einem kleinen Dorf inmitten anderer kleiner Dörfer, mitten auf dem Land, die nächste größere Stadt ist 1.5 Stunden Autofahrt entfernt. Als wir ihn kennengelernt haben, ging er seit Monaten zum einzigen Kassenpsychologen in seiner Umgebung. Der Psychologe hatte keine Diagnose gestellt, sondern meinte, sein Problem wäre einfach, dass er zu wenig Freunde hatte. Dementsprechend ging es ihm eigentlich nur schlechter wegen diesem Psychologen. Er brach dann die Therapie auch ab, jedoch hatte er ja weiterhin psychische Probleme, auch wenn niemand so richtig wusste, was eigentlich genau los ist.</div><div style="text-align: justify;">Er hatte dann glücklicherweise die Möglichkeit für eine Diagnostik zu einer privaten Psychologin zu gehen, welche dann die Diagnose stellte. Jedoch war dies ein einzelnes Gespräch - mehr wäre finanziell auch gar nicht gegangen. Die DIS-Diagnostik erstreckt sich in der Regel über mehrere Sitzungen, bei denen erst ein extrem langer Fragebogen ausgefüllt wird (das alleine dauerte bei uns schon drei Sitzungen) und danach hat man noch einige Gespräche mit dem Therapeuten, um auch wirklich sicher zu gehen.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Und nein, es gibt nicht in jedem Land ein Kostenübernahme-Modell wie in Deutschland. Und selbst hier ist es einfach teilweise extrem schwierig zu beantragen (wir haben mal unserer Krankenkasse Fragen dazu gestellt und sie haben sich schlichtweg geweigert, diese zu beantworten, mit der Begründung, wir könnten ja einfach mehr Kassenpsychologen anrufen, in Hannover gäbe es ja genug). Und manche Menschen wissen vielleicht auch schlichtweg nicht, dass es überhaupt existiert. Die diesbezügliche Bildung muss man erstmal haben. Hilfsangebote werden oft extrem stark versteckt.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">„Kein Problem, man kann ja immer noch in eine Klinik gehen“, werden manche jetzt denken. Da hat man zwar auch lange Wartezeiten, aber immerhin muss die nicht in der Nähe sein und da gibt es auf jeden Fall Fachpersonal.</div><div style="text-align: justify;">Diese Aussage kann, meiner Meinung nach, nur aus einer unglaublich privilegierten Position heraus getroffen werden. In eine Klinik zu gehen heißt oft, der gesamten Familie und eventuell Freunden, Klassenkameraden, etc., offenlegen zu müssen, dass man psychische Probleme hat. Schließlich ist man ja mehrere Wochen weg. Klar, bei Klassenkameraden kann man vielleicht noch sagen, dass man einfach doll krank war, aber die Familie bekommt natürlich mit, wo man hingeht, zumindest insofern man noch Zuhause wohnt. Natürlich ist es nichts schlimmes, psychisch krank zu sein - aber in manchen Umgebungen ist, das offenzulegen, auch einfach nicht sicher. Oder man traut sich eben einfach nicht, es ist einem zu privat, die Familie soll nichts davon erfahren, weil sie einen eh schon die ganze Zeit grauenvoll behandeln. In vielen Fällen, in denen noch aktiv Missbrauch stattfindet, wird man ja auch dafür bestraft, wenn man sich Hilfe sucht. In so einem Fall müsste man erstmal ausziehen, bevor man in eine Klinik gehen kann. Dazwischen liegen mitunter Jahre. Wenn man arbeitsunfähig ist, darf man oft erst mit 25 ausziehen, weil man vorher keine Sozialleistungen erhält - davon abgesehen, dass es als Sozialhilfe-Empfänger extrem schwierig ist, eine Wohnung zu finden.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Viele traumatisierte Menschen haben zudem in ihrem Leben medizinischen oder therapeutischen Missbrauch erfahren (oder beides). Es ist so verdammt schwierig, in so einem Fall zu einem Therapeuten zu gehen. Ich weiß nicht, wie gut man sich das vorstellen kann, wenn man selbst nicht betroffen ist, aber jedes mal, wenn wir öfter als 1-2 mal zu einem männlichen Therapeuten gehen, bekommen wir Angst, dass er uns vergewaltigt. Diese Angst steigert sich immer mehr, bis es uns schlichtweg nicht mehr möglich ist, ohne Begleitung überhaupt zu erscheinen. Bei weiblichen Therapeuten haben wir diese spezifische Angst zwar nicht, aber jedes mal, wenn uns widersprochen wird bei irgendetwas, bei dem wir uns sicher sind, müssen wir uns erstmal tage- bis wochenlang damit hinsetzen und ganz gründlich überprüfen, ob es einen Manipulationsversuch gab, ob die Therapeutin das Machtverhältnis ausgenutzt hat, um uns zu irgendwas zu überreden, was wir eigentlich nicht wollten, müssen mit ganz vielen Freunden darüber sprechen, weil deren Einschätzung diesbezüglich einfach wertfreier ist und müssen es dann in der Therapie ansprechen, wo regelmäßig dann das halbe System Angst hat, dass wir nun tatsächlich missbraucht werden.</div><div style="text-align: justify;">„Einfach zu Fachpersonal gehen, um mehrere Sitzungen lang über Dinge zu reden, über die man vielleicht noch nie mit irgendjemandem geredet hat“, ist nicht einfach. Es ist manchmal schlichtweg nicht möglich. Nach Blyth haben wir über vier Jahre lang nicht mehr wirklich mit Therapeuten geredet. Wir haben ein paar mal Therapie angefangen, waren aber nie mehr als zehn Sitzungen da und die Therapie hat auch schlichtweg nicht funktioniert, weil wir zu viel nicht sagen konnten und vor allem auch nicht in der Lage waren, irgendetwas bei den Therapeuten anzusprechen, das mit ihnen zu tun hatte. Also, zum Beispiel, wenn sie uns verletzt haben oder so. Was für die Therapie ja eigentlich wichtig ist.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Hätten wir 2015 dieselben Videos über die DIS gesehen, hätten wir dieselbe Erleuchtung wie jetzt 2019 gehabt. Und wir wären damit zu Blyth gegangen, der uns gesagt hätte, dass das definitiv nicht stimmt. Und wir hätten jahrelang keinen anderen Therapeuten sehen <i>können</i>, obwohl wir in einer Großstadt wohnten, in der es mit Sicherheit Therapeuten gegeben hätte, die sich mit der DIS auskennen.</div><div style="text-align: justify;">Des Weiteren wissen wir alle, wie viel Systeme falschdiagnostiziert werden. Wie viele Therapeuten auch einfach die Existenz der DIS absprechen oder Dinge sagen wie „das kannst du nicht haben, das ist extrem selten und außerdem bist du ja gar nicht traumatisiert (hast keine Erinnerungen)“. Wie oft einem selbst <i>aufgrund eines Symptoms der DIS </i>gesagt wird, dass man diese ja gar nicht haben kann.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div><div style="text-align: justify;">An dieser Stelle kehren wir zum Anfang des Textes zurück:</div><div style="text-align: justify;">Die Erkenntnis, dass wir ein System sind, dass wir eine DIS (o.Ä.) haben, hat uns schon vor der Diagnose extrem geholfen. Wir konnten plötzlich unser Leben verstehen, erklären. Wir konnten unser Sein verstehen. Die Welt ist so unglaublich viel besser geworden.</div></div><div style="text-align: justify;">Wir wurden innerhalb von 3.5 Monaten diagnostiziert.</div><div style="text-align: justify;">Wir mussten nicht jahrelang auf einen Therapieplatz, einen Klinikplatz, eine Diagnostik warten.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Andere Menschen haben nicht so viel Glück.</div><div style="text-align: justify;">Andere Menschen haben für Monate oder vielleicht sogar Jahre nur sich selbst.</div><div style="text-align: justify;">Wenn sie wirklich eine DIS haben, wie viel können sie dann in diesen Monaten oder Jahren bis zur Therapie vielleicht selbst schon erreichen?</div><div><div style="text-align: justify;">Wenn sie keine DIS haben, aber aus welchen Gründen auch immer klingt die Diagnose für sie passend und hilft ihnen, ist es dann hilfreich, ihnen das abzusprechen? Vielleicht sind sie einfach traumatisiert. Vielleicht ist das, warum es passend klingt. Wenn es ihr Leben besser macht, warum ist es dann so verdammt wichtig, dass es falsch sein könnte? Wenn man sich jahrelang verbietet, mit den zu sein/arbeiten, was sich passend anfühlt, weil man sich irren könnte, dann klingt das ebenfalls nicht sinnvoll.</div><div style="text-align: justify;">Klar. Wenn man sich irrt, dann gibt es höchstwahrscheinlich etwas, das einfach viel besser helfen könnte. Vielleicht lernt man sogar ein paar falsche Sachen, die man wieder verlernen muss, wenn man dann irgendwann die richtige Diagnose erhalten hat. Natürlich ist es besser, das sofort zu klären. Aber wenn sofort eben nicht geht, dann ist die eigene Vermutung die beste Arbeitsgrundlage, die man zu dem Zeitpunkt zur Verfügung hat.</div></div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich weiß nicht, was wir gemacht hätten, wenn wir 2019 keine Diagnostik zur Verfügung gehabt hätten. Wie wir damit umgegangen wären. Was wir mit dem Begriff, der sich für uns so richtig anfühlte, umgegangen wären. Aber was ich weiß ist, dass es hilfreich gewesen wäre, damit zu arbeiten, selbst wenn wir zu diesem Zeitpunkt keine Diagnostik hätten erhalten können. Dass ich weiß, wie viel Systemarbeit wir in diesen 1.5 Jahren schon gemacht haben, die unser Leben unglaublich viel besser gemacht hat. Selbst ohne Therapeut:in kann man Dinge erreichen.</div><div style="text-align: justify;">Ich weiß, hätten wir das alles ganz weit von uns weggeschoben, weil wir uns hätten irren können, dann wären wir jetzt vermutlich an demselben Punkt, an dem wir damals waren. Wir hätten immer noch nichts verstanden. Es wäre immer noch nichts besser geworden. Jetzt, wo die Therapie anfängt, würden wir ganz am Anfang stehen.</div>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-30995112061637210002021-07-27T11:28:00.002+02:002021-07-27T11:28:00.193+02:00#69: Was ist rituelle Gewalt?<div style="text-align: justify;">Nachdem wir nun einen ganzen Post über rituelle Gewalt verfasst haben, fühlt es sich nur richtig an, zu erklären, was das eigentlich genau ist. Wir wussten es nämlich, als wir unsere Diagnose bekommen haben und zum ersten mal so wirklich mit diesem Begriff konfrontiert wurden, nicht. Und dann war lange Zeit unser Verständnis davon falsch, weil es einfach gefühlt tausende Definitionen gibt, die im Prinzip etwas ähnliches meinen, aber das teils so missverständlich ausdrücken, dass es wie etwas ganz anderes klingt. Eine wirklich einheitliche Definition gibt es aber auch nicht, also ist das hier im Prinzip wieder nur unser jetziges Verständnis.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Rituelle Gewalt findet in organisierten Gewaltstrukturen statt und bezeichnet den systematischen Missbrauch von Menschen mit dem Ziel, diese für die bestehende Struktur gefügig zu machen und auszunutzen. Häufig geschieht dies unter dem Deckmantel irgendeiner Ideologie.</div><div style="text-align: justify;">Betroffene sind in der Regel von Geburt an massiver psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt. In der Regel sind die Eltern selbst involviert, da es ansonsten nur schwer möglich ist, ein Kind so durchgängig und viel zu missbrauchen. Oft findet rituelle Gewalt generationenübergreifend innerhalb von Familien statt.</div><div style="text-align: justify;">Durch verschiedenste Manipulationstechniken werden Betroffene an die Gruppe gebunden. Ihnen werden Schweigegebote auferlegt (sie werden durch Folter dazu konditioniert nicht über das Geschehene zu reden) und die Erlebnisse werden so für sie dargestellt, dass es schwierig bis unmöglich für sie wird, überhaupt darüber zu sprechen. Eine Vergewaltigung ist dann eben keine Vergewaltigung sondern eine feierliche Zeremonie und Missbrauch ist nicht Missbrauch sondern Liebe. Ihnen wird schlichtweg keine Möglichkeit gegeben, Wörter zu erlernen, durch die sie das Geschehen richtig einordnen könnten.</div><div style="text-align: justify;">Es werden Techniken verwendet, die unter dem Begriff „Mind Control“ zusammengefasst werden. Insgesamt geht es dabei darum, den Betroffenen durch massive Konditionierung beizubringen, dass ihre Wahrnehmung grundsätzlich falsch ist, niemand ihnen glaubt, sie für jedes Fehlverhalten (zum Beispiel darüber reden) bestraft werden und sie niemandem außerhalb der Gruppe vertrauen können.</div><div style="text-align: justify;">Damit der Außenwelt nichts von dem Missbrauch auffällt, wird häufig weiße Folter angewandt. Weiße Folter ist ein Oberbegriff für Foltertechniken, die kaum bis keine sichtbaren Spuren hinterlassen. Ich werde an dieser Stelle keine Beispiele dafür aufzählen, aber im <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fe_Folter">Wikipedia-Artikel zu weißer Folter</a> finden sich einige davon.</div><div style="text-align: justify;">Häufig (nicht immer!) entwickeln Betroffene eine dissoziative Identitätsstörung. Hierbei kann es sich um eine reaktive oder eine programmierte DIS handeln.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Während eine reaktive DIS eine DIS bezeichnet, die jemand „einfach so“ (ohne äußeren Einfluss) als Reaktion auf Missbrauch entwickelt, wird eine programmierte DIS von Tätern systematisch bei Betroffenen erzeugt (daher auch der Name).</div><div style="text-align: justify;">Da man für die Entwicklung einer DIS eine gewisse Neigung zu Dissoziation braucht, werden die Kinder in solchen Strukturen nach der Geburt auf ihre Dissoziationsfähigkeit geprüft. Danach werden dann durch gezielten Missbrauch bestimmte Innenpersonen erschaffen, bestimmte Hierarchien innerhalb des Systems (DIS-Systems), die innere Welt wird in der Regel von den Tätern gestaltet und es werden gezielt Innenpersonen abgespalten, deren einzige Aufgabe es ist, das System zu überwachen, für bestimmtes Verhalten zu bestrafen oder an bestimmten Tagen zu bestimmten Orten zu gehen, sodass das System der Gruppe nie (nur sehr schwierig) entfliehen kann, da es eben viele Innenpersonen gibt, die immer wieder zurücklaufen. Solche Systeme sind häufig polyfragmentiert - das heißt, sie haben über 100 Innenpersonen.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Das ist alles, was mir momentan zusammenhängend zu diesem Thema einfällt. Ich verlinke an dieser Stelle einmal die <a href="https://www.vielfalt-info.de/index.php/rituelle-gewalt/definitionen">Definition von ritueller Gewalt des Vielfalt e.V.</a>, sowie eine <a href="https://www.youtube.com/watch?v=SNv6VejUAds&t=1s">Reportage über ein betroffenes System von ritueller Gewalt</a>.</div>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-77229529297752044572021-07-23T14:19:00.001+02:002021-07-23T14:19:00.185+02:00#68: Missbrauch und Leugnen<div style="text-align: justify;">Content Note: Leugnung von ritueller Gewalt.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Rituelle Gewalt existiert nicht. Das wurde mir neulich gesagt. Zum Glück stellte sich schon nach einer Minute heraus, dass es ein Missverständnis war und die Person eigentlich etwas anderes gemeint hatte. Trotzdem kräuselte sich, in dieser einen Minute, alles bei mir.</div><div style="text-align: justify;">Wir sind nicht von ritueller Gewalt betroffen, aber kennen natürlich viele Systeme, die es sind. Da die meisten Systeme nicht so direkt über ihre Traumata reden, wissen wir es bei denen, die wir persönlich kennen, nicht, aber es gibt natürlich zahlreiche Systeme auf Instagram und Youtube, die betroffen sind und davon berichten.</div><div style="text-align: justify;">Ich weiß, dass rituelle Gewalt existiert. Ich weiß es, weil ich weiß, wie grauenvoll Menschen sind und sein können. Ich weiß es so sehr, dass ich nie auf die Idee käme, einen Funken davon anzuzweifeln. Und dann gibt es Menschen, die einfach so nicht daran glauben. Auch wenn es hier nur ein Missverständnis war, wurde es mir dadurch zum ersten mal so richtig, richtig bewusst.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div><div style="text-align: justify;">Ich weiß nicht, was ich fühle. Wut, Trauer, ich habe keine Ahnung. Ich verstehe es nicht. Ich verstehe nicht, wie schön die Welt von jemandem sein muss, dass er sich nicht vorstellen <strike>kann</strike> will, dass etwas so grauenvolles existiert.</div><div style="text-align: justify;">Und dann denke ich mir aber auch, ich kann es der Person ja nicht beweisen. Wenn ich sage, ich weiß das, dann klingt das vollkommen an den Haaren herbeigezogen. Ich hab ja nicht mal etwas erlebt. Vermutlich fühlt es sich an wie die eine Person, die ich vor Jahren getroffen habe, die mir weismachen wollte, dass unser Gendefekt heilbar ist. Die „wusste“ das bestimmt auch.</div></div><div style="text-align: justify;">Das macht mich verzweifelt.</div><div style="text-align: justify;">Für mein Leben spielt es keine Rolle. Ich bin nicht betroffen. Niemand bestreitet meine Lebensrealität. Aber das ekelhafte Gefühl davon, wenn man etwas erlebt hat und niemand glaubt es, das kenne ich. Und ich will nicht, dass irgendjemand das erleben muss.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich hab irgendwann einen Entschluss gefasst. Wenn ich denke, dass Menschen über Ereignisse lügen, dann spreche ich es nicht an, wenn ich nicht mit 100% Genauigkeit beweisen kann, dass sie es tun. Wenn die Ungewissheit zu schlimm für mich ist, gehe ich aus ihrem Leben. Aber ich werde nie, nie, nie, niemals jemanden einer Lüge bezichtigen, die ich nicht beweisen kann. Weil die Chance besteht, dass es die Wahrheit ist. Weil es, wenn es wirklich die Wahrheit ist, viel zu schlimm wäre.</div><div style="text-align: justify;">Andere Menschen handhaben das nicht so. Sie reden einfach. Es ist ja nur eine Meinung. Das kann man ja ansprechen, wenn es berechtigte Zweifel gibt.</div><div style="text-align: justify;">Aber es ist keine Meinung. Es ist das Absprechen einer Existenz, es ist ein metaphorisches Messer in die Seele oder ins Herz oder meinetwegen ins limbische System der betroffenen Person.</div><div style="text-align: justify;">Man hat keinen Nachteil davon, einfach nichts zu sagen. Keinen einzigen. Ich werde nie verstehen, warum man dann jemandem ins Gesicht sagt, dass er lügt.</div><div style="text-align: justify;">Würde man sich nur eine Sekunde vorstellen, man erzählt jemandem sein Leben und derjenige sagt 'Nein'.</div><div style="text-align: justify;">Einfach so.</div><div style="text-align: justify;">Hört man auf zu existieren.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Blyth hat uns gesagt, wir hätten uns alles nur eingebildet. Den Missbrauch. Das nennt man Gaslighting. Dass man jemanden dazu bringt, an seinen eigenen Erinnerungen zu zweifeln. An seiner eigenen Wahrnehmung. An seinem eigenen Leben.</div><div style="text-align: justify;">Jemandem zu sagen, das, was er erlebt hat, würde nicht existieren, ist nichts anderes. Es ist derselbe Missbrauch. Es ist dieselbe Gewalt.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Gewalt ist keine Meinung.</div>Unknownnoreply@blogger.com4tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-37728574943537285082021-07-01T21:13:00.004+02:002023-12-13T16:44:09.278+01:00#61: get out while you can<div style="text-align: justify;">In einer anderen Welt habe ich Ja gesagt, als du gefragt hast, ob du vorbeikommen kannst und vielleicht wären wir dann immer noch befreundet. Das ist ein Gedanke, der meinen Kopf nicht verlässt. Ich lebe immer noch in einer Welt, in der du fehlst, obwohl du doch gar nicht weit weg bist.</div><div style="text-align: justify;">Die Antwort ist vermutlich Nein. Du warst immer weg, noch bevor du überhaupt gegangen bist. Dass ich Teil deiner realen Welt geworden wäre, hätte nichts daran geändert.</div><div style="text-align: justify;">Weißt du, es hat eigentlich auch gar nicht so viel mit dir zu tun. Mein Gehirn hängt sich nur an jeden Fetzen Verlassen als wäre es das Wichtigste, was jemals passiert ist. Ich kann Menschen jedes Jahr Nachrichten schreiben, weil ich mir Sorgen mache, dass sie tot sein könnten und wenn sie mir nach sechs Jahren antworten, bin ich trotzdem enttäuscht, dass ich die Freundschaft nicht wiederhaben kann.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich hätte nicht mehr viel darüber nachgedacht, dass du irgendwie hier bist, aber eben irgendwie auch nicht, wenn ich nicht geträumt hätte, dass du mir geschrieben hast. So etwas träume ich oft. Manchmal vergesse ich aber auch Sachen und denke, ich habe sie geträumt, aber später merke ich, dass sie real passiert sind und ich einfach nur Amnesie habe. Deshalb hab ich gesucht und gesucht. Es war ein Traum, dessen bin ich mir inzwischen sicher. Auch wenn ich es erst nicht komplett ausgeschlossen hatte, dass es tatsächlich passiert ist, weil es definitiv Beschützer hier gibt, die dich nicht in unserem Leben haben wollen würden. Als wärst du die einzige Person, die wegrennt.</div><div style="text-align: justify;">Du bist nur unbeständig genug, um wiederzukommen. Wenn wir rennen, dann ist das nie nur vorübergehend. Dass ich dasselbe Gefühl in anderen Menschen auslöse wie du in mir, das ist mir trotzdem in all den neun Jahren nie aufgefallen. Wie absolut grausam, nicht war? Ich kann Herzen zerstückeln ohne es überhaupt wahrzunehmen.</div><div style="text-align: justify;">Du könntest jederzeit zurückkommen und ich denke, das ist gut so. Ich glaube, ich könnte nie zurückkehren. Ich habe mir selbst schlichtweg keine Möglichkeit gelassen.</div><div style="text-align: justify;">Manchmal zerbreche ich mein eigenes Herz.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Aber die Wahrheit ist auch, dass es nichts an meiner chronischen Einsamkeit geändert hätte, wäre 2014 anders verlaufen und ich hätte niemanden verloren. Ich konnte ohnehin nie irgendetwas halten. Wenn Menschen stattdessen mich verlassen, fühlt es sich nur eben unfertig an. Und ich frage mich oft, ob sie dasselbe Gefühl haben von Zurückgehen wollen und wir haben unsere Telefonnummer geändert und unseren gesamten Namen und niemand wird uns jemals wiederfinden können. Selbst wenn irgendjemand hier wäre - niemand von uns ist mehr Melanie und erst Recht nicht [Ausweisname], unser Blog heißt 'Cirrus Floccus' und nichts hier spricht wirklich darüber, dass es irgendwann mal anders war. Wir können nicht zurückgehen und niemand wird jemals zu uns zurückkehren können. Manchmal macht mich das unendlich traurig.</div><div style="text-align: justify;">Als ich diesen Text hier angefangen habe, habe ich versucht, eine Liste zu schreiben mit Blognamen, die wir im Laufe der Zeit hatten. Das ist witzlos, wenn man Amnesie hat, habe ich festgestellt. Ich habe keine Ahnung. Es würde auch nicht besser machen, dass ich einfach nur erklären will, was ich 2014 nicht erklären konnte, wofür ich mir selbst jede Möglichkeit genommen habe. Ich fand es nur interessant, rede ich mir selbst ein. Weil das besser macht, dass ich vor meinem Leben davongerannt bin.</div>Cirrus Floccushttp://www.blogger.com/profile/16772050865269300556noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-9535628770804607902021-05-11T13:56:00.002+02:002023-12-11T16:30:46.441+01:00#54: Fragen<p style="text-align: justify;">Neulich haben wir auf Instagram und Discord gefragt, ob es eigentlich irgendwelche Fragen an uns gibt, die wir jetzt mit diesem Post beantworten wollten.</p><p></p><div style="text-align: justify;">1. <b>Warum postet ihr auf Instagram nichts mehr?</b></div><div style="text-align: justify;">Es ist nicht unser Medium. Fast niemand hier macht gerne Bilder, aber fast alle schreiben gerne Texte und auf Instagram hat man eine Zeichenbegrenzung für diese Texte. Unsere waren aber immer länger und dann mussten wir sie extrem verkürzen oder die Texte in den Kommentaren weiterschreiben, was dann aber wiederum Menschen, die Instagram nicht haben, nicht lesen können - im Gegensatz zu hier. Ein Blog eignet sich deshalb für uns einfach besser.</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">2. <b>Wird der Blog immer von einer Person geschrieben?</b></div><div style="text-align: justify;">Nein. Am PC kann man sogar bei den meisten Texten sehen, wer den Post geschrieben hat (es steht unter dem Post, unter 'geschrieben von Cirrus Floccus'). Am Handy kann man das, soweit ich weiß, leider nicht sehen, allerdings findet sich oben unter 'Cirrus Floccus' eine kleine Übersicht von Innenpersonen, die hier auf dem Blog schon Texte verfasst haben oder irgendwo erwähnt wurden.</div><div style="text-align: justify;">Teilweise steht es bei Posts nicht bei, weil entweder die Person nicht genannt werden wollte, die sie geschrieben hat oder weil es einfach nicht ersichtlich war, für die Person, die den Post auf unseren Blog getan hat (wir schreiben vieles auf dem Handy und dann liegen da manchmal so Texte rum für den Blog, von denen niemand genau weiß, wer sie eigentlich geschrieben hat).</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">3. <b>Gibt es Innenpersonen, die ihr lieber mögt/außen habt als andere?</b></div><div style="text-align: justify;">Also. Genauso wie man manche Menschen mehr und manche Menschen weniger mag, mögen wir natürlich auch die Innenpersonen teilweise mehr und teilweise weniger. Da kommt es dann aber natürlich auf die jeweilige Innenperson an, wenn sie mehr/weniger mag.</div><div style="text-align: justify;">Das ist aber nicht dasselbe wie 'bestimmte Innenpersonen lieber draußen haben', denn alle Innenpersonen sind ja Innen genauso existent. Manchmal kommt es vor, dass man schon lange nichts mehr von einer bestimmten Innenperson gehört hat und sich dann so denkt 'ich hoffe, sie taucht mal wieder auf'.</div><div style="text-align: justify;">Natürlich gibt es aber in bestimmten Situationen Innenpersonen, die wir lieber draußen haben, weil gerade die Kinder zum Beispiel oft von Arztterminen oder Ähnlichem überfordert sind und es ihnen dann sehr schlecht geht, obwohl für andere Innenpersonen ein Arzttermin gar nichts besonderes ist.</div><div style="text-align: justify;">Es gibt auch Innenpersonen, die nicht gerne draußen sind, denen wünsche ich dann natürlich auch, dass sie nicht oft draußen sein müssen.</div><div style="text-align: justify;">Ich kann sagen, dass ich persönlich (Lana) mir momentan wünsche, weniger draußen zu sein, weil ich momentan fast die gesamte Zeit da bin, wodurch ich mich komplett alleine um den gesamten Alltag kümmern muss, was früher nicht so war und früher hat es auch besser funktioniert. Das hat allerdings auch Gründe, warum ich gerade so viel da bin. Aber ich käme jetzt nie auf die Idee zu sagen "ich wünschte, x wäre besonders viel draußen und y sehr wenig". Das klingt auch irgendwie sehr gemein.</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">4. <b>Ist es für andere immer ersichtlich, welche Person gerade draußen ist?</b></div><div style="text-align: justify;">Wir haben ein kleines Programm von ruru, wo wir versuchen, immer einzutragen, wer draußen ist, aber da Wechsel ja auch oft durch Trigger passieren und man dann erstmal mit ganz anderen Dingen beschäftigt ist (oder Innenpersonen draußen sind, die keine Ahnung davon haben), ist es nicht supergenau. Es ist aber zumindest eine einigermaßen richtige Annährung.</div><div style="text-align: justify;">Dadurch ist es auf Discord in der Regel einzusehen, zumindest eben, wenn wir gerade online sind. (Wenn wir anderweitig beschäftigt sind, ändern wir es natürlich auch nicht.)</div><div style="text-align: justify;">Davon abgesehen ist es aber nicht wirklich ersichtlich. Als wir noch dachten, wir wären ein sehr kleines System, hatten wir mal ausprobiert, sozusagen Erkennungs-Ringe zu haben (indem man immer den Ring der Innenperson trägt, die gerade draußen ist), aber erstens haben wir das die ganze Zeit selbst vergessen und zweitens funktioniert das bei der Menge an Innenpersonen, die mittlerweile bekannt sind, natürlich ohnehin nicht.</div><div style="text-align: justify;">Wenn man uns sehr gut kennt, dann kann man teilweise an der Stimmlage, Sprechweise und Wortwahl erkennen, wer draußen ist, aber das kann, soweit ich weiß, nur ruru. Und selbst er liegt da nicht immer richtig.</div><p></p>Unknownnoreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-20789838825373982742021-05-07T14:32:00.001+02:002021-05-07T14:32:00.216+02:00#53: Amnesie<p></p><div style="text-align: justify;">Wir hatten mal eine beste Freundin, in der fünften Klasse. Sie war damals neu nach Hannover gezogen und da wir auch keine Freunde hatten, machten wir viele Schularbeiten zusammen und freundeten uns schließlich an.</div><div style="text-align: justify;">Ich erinnere mich noch genau an den ersten Tag der sechsten Klasse, nach den Sommerferien. Wir hatten uns die ganzen Ferien nicht gesehen und sie war auch nicht da. Ganz dunkel meinte ich mich zu erinnern, dass sie gesagt hätte, dass sie wegzieht, aber um ehrlich zu sein fühlte es sich eher an, als hätte ich das geträumt. Da unsere Lehrerin ebenfalls nicht wusste, wo sie war und dann davon ausging, dass sie wohl krank sei, sagte ich mir, dass ich das wohl wirklich nur geträumt hatte, sonst wüsste die Schule ja Bescheid.</div><div style="text-align: justify;">Als sie die ganze Woche nicht auftauchte, rief ich sie an, um zu fragen, wie es ihr ging und ihr zu sagen, was wir in der Schule so gemacht hatten und welche Hausaufgaben wir hatten. <i>Kein Anschluss unter dieser Nummer.</i></div><div style="text-align: justify;">Ich fragte in der nächsten Woche dann unserer Lehrerin, die dann wiederum mit dem Schulleiter sprach und schließlich erfuhr, dass sie weggezogen war. Niemand wusste wohin, ich hatte keine Möglichkeit, sie zu erreichen.</div><div style="text-align: justify;">An Weihnachten erhielt ich eine Karte von ihr.</div><div style="text-align: justify;">Ich schrieb ihr einen sehr wütenden Brief darüber zurück, dass sie mir nichts von dem Umzug gesagt hatte und dass ich mich die ganze Zeit gefragt hatte, wo sie ist und dass ich jetzt so sauer auf sie war, dass ich nie wieder von ihr hören wollte. (Ich war elf, als Entschuldigung.)</div><div style="text-align: justify;">Ich wusste nicht, dass ich Amnesie hatte.</div><div style="text-align: justify;">(Sie hatte mir höchstwahrscheinlich von dem Umzug erzählt und ich hatte es vergessen.)</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Ein Jahr später (oder so) schrieb sie mich auf Schülervz an und wir freundeten uns wieder an und ich verbrachte sogar die Sommerferien bei ihr. Ich erinnere mich sogar noch daran, dass sie durch Zufall im Fernsehen irgendeinen veralteten Schwachsinn über meine Krankheit hörte und mich danach total besorgt anschrieb, weil sie dachte, ich würde in zehn Jahren sterben. (Die Lebenserwartung mit Mukoviszidose ist für uns momentan etwa 65 Jahre, es gibt allerdings oft veraltete Informationen, in denen gesagt wird, dass die Lebenserwartung 25 ist.)</div><div style="text-align: justify;">Und dann erinnere ich mich an nichts.</div><div style="text-align: justify;">Ich weiß, dass ich 2014 den Kontakt zu fast allen Menschen abgebrochen habe, mit denen wir damals Kontakt hatten, aber ich erinnere mich nicht daran, dass wir zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch Kontakt zu ihr hatten.</div><div style="text-align: justify;">Das fiel mir vor ein paar Tagen auf. Ich hatte einfach vergessen, dass sie existierte.</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Es so unglaublich viele mögliche Gründe, warum wir keinen Kontakt mehr haben könnten.</div><div style="text-align: justify;">Vielleicht haben wir doch 2014 den Kontakt zu ihr abgebrochen und erinnern uns einfach nur nicht mehr.</div><div style="text-align: justify;">Vielleicht haben wir vorher den Kontakt abgebrochen, weil sie irgendetwas Unflauschiges gemacht hat.</div><div style="text-align: justify;">Vielleicht haben <i>wir</i> etwas Unflauschiges gemacht und sie hat deshalb den Kontakt abgebrochen.</div><div style="text-align: justify;">Vielleicht kam sie nicht mit all den psychischen Problemen klar, die wir plötzlich hatten, die immer schlimmer wurden und wollte deswegen keinen Kontakt mehr zu uns haben.</div><div style="text-align: justify;">Vielleicht hat sie uns nicht mehr geschrieben, weil sie selbst psychische Probleme hatte und wir haben einfach vergessen, dass sie existiert.</div><div style="text-align: justify;">Vielleicht ist sie gestorben und wir haben uns nie gefragt, wo sie ist, weil wir vergessen haben, dass sie existiert.</div><div style="text-align: justify;">Ich habe keine Ahnung. Ich werde es vermutlich auch nicht mehr rausfinden. Ich könnte zwar theoretisch bestimmt ihre Adresse rausfinden, da ich ihren Wohnort und Namen weiß, aber vielleicht wäre es auch einfach etwas seltsam, nach zehn Jahren (2010 ist der letzte Kontakt, an den ich mich erinnern kann) anzukommen und zu sagen: 'Hey, ich hab Amnesie und vergessen, warum wir keinen Kontakt mehr haben.'</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Es war nur einfach sehr schockierend, verwirrend, offenbarend für mich, dass ich so absolut keine Ahnung habe. Vielleicht weiß es ja auch jemand anders aus dem System.</div><div style="text-align: justify;">Und ja. Dass ich einfach vergesse, dass Menschen existieren, kommt nicht selten vor. Manchmal vergesse ich, Freunden auf Nachrichten zu antworten und wenn ich es lang genug vergesse, vergesse ich, dass sie existieren und wenn ich Glück habe, schreiben sie mich dann an, um mich zu erinnern, dass ich noch antworten wollte und dann fällt es mir wieder ein und wenn ich Pech habe, merke ich nach drei Jahren, dass ich sie einfach aus Versehen geghostet habe. (Wobei ich es erst dann Ghosten nennen würde, wenn man wirklich mehrfach die Nachrichten von jemandem ignoriert.)</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Ich erinnere mich daran, dass ich irgendwann (ich habe keine Ahnung mehr wann) durch unseren Wohnort lief und von einem etwas jüngeren Mädchen angesprochen wurde. Es war wohl offensichtlich, dass ich keine Ahnung hatte, wer sie war, denn sie fragte, ob ich mich denn nicht an sie erinnern würde.</div><div style="text-align: justify;">"Nein, tut mir leid. Von wo kennen wir uns denn?"</div><div style="text-align: justify;">Sie sagte es mir und die Worte wurden zu Matsch in meinem Gehirn.</div><div style="text-align: justify;">Sie wiederholte es, wieder und wieder, aber es war, als würden die Worte aus meinen Gedanken gelöscht, sobald ich sie gehört hatte.</div><div style="text-align: justify;">Heutzutage würde ich sagen: "Tut mir leid, ich hab so eine Störung im Gehirn, die macht, dass ich manchmal nicht mehr richtig höre. Könntest du das aufschreiben?"</div><div style="text-align: justify;">Vielleicht wäre dann gewechselt worden. Mir fällt mittlerweile natürlich der offensichtlichste Grund ein, warum ich einen bestimmten Ort nicht aufnehmen können sollte, während ich den Rest des Gesprächs problemlos verstehe. Ein Ort, von dem ich nicht wissen sollte, dass er existiert.</div><div style="text-align: justify;">Ich meinte, sie müsste mich verwechseln, aber sie war sich hundert Prozent sicher, dass sie mich kannte. Am Ende tat ich so, als würde ich mich erinnern und sagte mir, dass sie bestimmt die kleine Schwester einer meiner Freundinnen war. Es war vermutlich offensichtlich, dass ich lüge.</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Solche Erinnerungen ziehen sich durch mein Leben.</div><div style="text-align: justify;">Eine Person, mit der ich mich während der Reha angefreundet habe, bei der ich mir sicher bin, ich hatte sie nach Kontaktdaten gefragt, aber danach weiß ich nichts.</div><div style="text-align: justify;">Vielleicht hatte sie mir ihre Kontakdaten nicht gegeben.</div><div style="text-align: justify;">Vielleicht hatte ich sie verloren.</div><div style="text-align: justify;">Vielleicht hab ich die Freundschaft vergessen und ihr nie geschrieben.</div><p></p><p style="text-align: justify;">Wie viele Menschen ich wohl vergessen habe, von denen ich absolut gar nichts mehr weiß?</p><p style="text-align: justify;">Ja. Auch das ist Trauma. Auch das ist Dissoziation und eine dissoziative Identitätsstruktur und alles dazwischen. Wir haben keine magische Filmamnesie, wo die Erinnerungen ausgerechnet dann zurückkommen, wenn man sich das gerade wünscht. Irgendjemand von uns hat die Erinnerungen wahrscheinlich, aber wir können nur sehr erschwert danach suchen. Manchmal ist es das nicht wert. Vielleicht hängt da Trauma dran. Keine Ahnung. Ich kann es nicht wissen.<br />Ich schreib das nur, weil Amnesie in meiner Vorstellung früher sehr anders aussah als das, was wir haben. Anderen Leuten geht es da vermutlich ähnlich.<br />Amnesie ist sehr viel mehr als das, aber es war eine Sache, die mir gerade sehr auffiel und wichtig für mich war.</p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-5563067387391585592021-05-04T12:43:00.001+02:002021-05-04T12:43:00.192+02:00#52: innere Kommunikation<div style="text-align: justify;">Uns wurden neulich einige Fragen zum Thema Kommunikation innerhalb des Systems und innere Welt gestellt, welche wir durch diesen Post beantworten wollten.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Erst einmal: eine innere Welt ist eine Art innerer Ort, den viele (nicht alle!) Systeme haben. Die Leute unter euch, die visualisieren können, können sich bestimmt gedanklich einen Wald oder irgendetwas vorstellen - so ähnlich ist das hier, nur dass dieser Ort so im Gedächtnis gespeichert ist, dass er immer existiert, ohne, dass wir ihn absichtlich erschaffen haben.</div><div style="text-align: justify;">Dieser Ort kann einfach ein Raum sein. Bei vielen Systemen ist es wohl, soweit ich weiß, ein Haus. Bei uns sieht es eher aus wie ein sehr zusammengewürfeltes Land, nur in Miniaturformat. Wir kennen auch Systeme, die ganze Galaxien als innere Welt haben - ich glaube, das hängt vermutlich oft mit der Größe des Systems zusammen. Wenn es 500 Innenpersonen gibt, kann man sich diese vermutlich weniger gut in einem einzigen Raum vorstellen.</div><div style="text-align: justify;">Unsere Idee ist, dass das Gehirn versucht, die dissoziative Identitätsstruktur zu visualisieren, um den Umgang damit zu erleichtern. Es gibt allerdings auch Systeme, bei denen die inneren Welten spezifisch von den Tätern aufgebaut wurden. Das ist bei uns nicht der Fall.</div><div style="text-align: justify;">Als wir klein waren, haben wir versucht, ein Buch zu schreiben und haben uns dafür eine eigene Welt ausgedacht, die gewissermaßen ein sicherer Ort für uns war, weil wir sehr viel Zeit mit Schreiben und Lesen verbracht haben und das die einzigen Momente waren, in denen wir uns tatsächlich halbwegs sicher fühlten. Darauf hat sich unsere innere Welt scheinbar aufgebaut, zumindest sieht sie ähnlich aus wie die Welt, die wir uns damals ausgedacht haben (wenn auch nicht genauso).</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">In dieser inneren Welt befinden sich alle Innenpersonen, die gerade nicht draußen sind, wobei man sich tatsächlich auch absichtlich in die innere Welt hinein dissoziieren kann. Manche von uns können das besser, andere wiederum überhaupt nicht.</div><div style="text-align: justify;">In der inneren Welt passiert bei uns nicht wirklich viel. Eigentlich fast nichts. Man ist entweder draußen oder es ist nichts. Die innere Welt existiert für die Person, die draußen ist, um das System, beziehungsweise eigentlich das gesamte Gehirn, visualisieren zu können.</div><div style="text-align: justify;">An der Stelle möchte ich anmerken, dass dies je nach System sehr unterschiedlich ist. Manche Systeme haben keine innere Welt, manche Systeme haben eine ganze parallele Welt in ihrem Kopf, wo genauso viele Sachen passieren, wie in der Außenwelt auch.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Unser Systeme ist in Teile [Traumata; Zeitabschnitte] aufgeteilt, dessen zugehörige Innenpersonen sich jeweils in einem anderen Teil der inneren Welt befinden. In der Theorie könnte ich an jeden Ort in unserem Kopf gehen und mit den jeweiligen Personen sprechen, wobei wir dort meistens nicht tatsächlich uns gegenseitig als wirkliche Personen sehen, sondern mehr als Energieströme spüren können.</div><div style="text-align: justify;">In der Praxis kommt nahezu niemand von uns in jeden Teil der inneren Welt überhaupt rein, sondern nur in sehr bestimmte Teile. Teilweise hab ich auch einfach das Gefühl, dass ich da nicht hin <i>sollte</i>. Ich weiß gar nicht, ob es theoretisch ginge, weil es mir einfach so sehr widerstrebt, dort überhaupt hinzugehen.</div><div style="text-align: justify;">Vieles an der inneren Welt ist auch ohne Worte. Viele Kommunikationen, die dort stattfinden, laufen ohne Worte ab. Ich kann selbst nicht sehr gut beschreiben, wie das funktioniert. Es passiert auch nicht oft. Wir verbringen allgemein sehr wenig Zeit in der inneren Welt.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Wir nutzen mehr äußere Kommunikation (also, Kommunikation in der Außenwelt).</div><div style="text-align: justify;">Wir haben sehr wenig Amnesie. Das bedeutet, wenn jemand anders draußen ist, erinnern wir uns in der Regel an 90% von dem, was passiert ist, was nicht auf irgendeine Weise mit Trauma zu tun hatte (wenn wir Flashbacks haben oder ähnliches, dann ist es für jede andere Person, die später draußen ist, in der Regel komplett weg). Wir erinnern uns dann nicht an die Gefühle, die die andere Person hatte und meistens auch nicht an die Gedanken, aber eben an alles, was passiert ist. Das bedeutet, wenn wir etwas an eine andere Innenperson weitergeben wollen, müssen wir es meistens nur laut aussprechen oder aufschreiben und dann erinnern sich alle Personen, die in den nächsten paar Tagen draußen sind, auch daran. Erst wenn Dinge länger als ein oder zwei Wochen her sind, wird es meistens problematisch. (Und es unterscheidet sich auch von Innenperson zu Innenperson. In der Regel haben die Innenpersonen, die viel Trauma haben, auch deutlich mehr Amnesie - also, sie erinnern sich eben nur an ihr Trauma.) Dafür arbeiten wir momentan an Lösungen.</div><div style="text-align: justify;">ruru hat uns ein kleines Programm geschrieben, in das wir eintragen können, wer gerade draußen ist und bald wird dieses Programm eine Funktion bekommen, in der man sagen kann, dass eine bestimmte Innenperson eine bestimmte Nachricht erhalten soll, wenn sie sich einträgt. Das wird sehr nützlich sein! (ruru ist toll.)</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Jedes 'in der Regel', das ich hier schreibe, bezieht sich übrigens auf <i>unser</i> System - verschiedene Systeme funktionieren sehr unterschiedlich.</div><div style="text-align: justify;">Manchmal reden wir für einander. Sprich, manchmal sagt jemand von uns, dass jemand anders irgendeine Meinung zu einer bestimmten Sache hat oder etwas ähnliches. Das funktioniert aus verschiedenen Gründen. Manchmal entsteht dies tatsächlich aus innerer Kommunikation. Dann sagt jemand Innen irgendetwas und derjenige, der draußen ist, leitet es einfach nur weiter.</div><div style="text-align: justify;">Allgemein ist es aber so, dass wir darauf hinarbeiten, dass wir einander so gut kennen, dass jeder einzelne von uns für die Gesamtheit sprechen und Entscheidungen treffen kann. Das klingt einfach sehr nützlich, weil man dann keine Entscheidungslisten mehr braucht, bei denen jeder einzeln gefragt werden muss und die Leute, die in der Zeit bis zur Entscheidung nicht draußen waren, haben keine Möglichkeit, irgendwie an der Entscheidung mitzuwirken. Stattdessen würde dann jeder möglichst berücksichtigt werden und wenn man jemanden vergisst, bekommt man hoffentlich eine Beschwerde von dieser Person und macht es beim nächsten mal besser.</div><div style="text-align: justify;">Dafür versuchen wir uns kennenzulernen. Da innere Kommunikation bislang nicht sonderlich gut funktioniert, funktioniert dies hauptsächlich übers Außen. Dadurch, dass wir wenig Amnesie haben, können wir natürlich untereinander gut unsere Verhaltensweisen beobachten und dadurch die anderen Innenpersonen verstehen lernen.</div><div style="text-align: justify;">Dadurch werden automatisch Innenpersonen mit mehr Trauma ausgeschlossen, da diese in der Regel weniger draußen sind und zudem mehr Amnesie besteht. Es ist also bei Weitem keine perfekte Lösung, sondern eben nur die, die uns momentan am sinnvollsten erscheint.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich hoffe, das erklärt einigermaßen gut, wie bei uns die inneren Abläufe sind.</div>Unknownnoreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-75695123303781317322021-05-02T10:48:00.001+02:002021-05-02T10:48:00.192+02:00#51: Vielesein ist positiv<p></p><div style="text-align: justify;">Viele sein ist nichts schlimmes. Da, ich hab's gesagt. Das sagen wir auch allgemein. Von Anfang an (nach der Diagnose) haben wir gesagt, dass das Vielesein für uns eher positiv ist als negativ. Ja, sogar, dass wir dankbar sind dafür, kam ein paar Monate später hinzu. Wo gibt's denn so was?</div><div style="text-align: justify;">Ich kann nicht zählen, wie viele negative Reaktionen wir deswegen bekommen haben, und noch viel weniger kann ich zählen, wie oft unser Erleben in Texten von anderen Systemen kleingemacht wurde, in denen es aber nicht spezifisch um uns ging, sondern allgemein um diese "definitiv gelogenen Systeme", die meinen, es wäre ja eigentlich echt nice ein System zu sein. Das könnte man gar nicht so empfinden, wenn man wirklich eine DIS hat.</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Mittlerweile habe ich, zumindest glaube ich das, herausgefunden, was das Problem ist.</div><div style="text-align: justify;">Manchmal haben Menschen monatelang Schmerzen, rennen von Arzt zu Arzt zu Arzt ohne Erklärung und dann bekommen sie endlich Krebs diagnostiziert und dann weinen sie erstmal und hassen ihr Leben, weil sie jetzt Krebs haben und das ist ziemlich schrecklich. Das ist eine ziemlich normale Reaktion.</div><div style="text-align: justify;">Bei uns ist das nur komplett anders. Wir würden eher den Arzt anlächeln und sagen: "Ja, wunderbar, dann können wir jetzt ja endlich was dagegen machen!" Denn den Krebs hatte man ja vorher schon. Nur gibt es endlich eine Therapiemöglichkeit, weil eine Diagnose existiert.</div><div style="text-align: justify;">Nun ist eine DIS kein Krebs und auch generell keine Krankheit, aber ich hoffe, der Ausgangspunkt meines Gedankengangs ist klar geworden.</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Viele sein ist nichts schlimmes. Es ist nicht besser oder schlechter als Einzeln sein. Wenn man das Trauma, das zur Entstehung geführt hat, rausnimmt (denn das ist aus Gründen eine komplett separate Diagnose), dann ist es erstmal nur ein anderer Seinszustand.</div><div style="text-align: justify;">Viele Systeme kommen am Anfang nicht mit ihrer Diagnose klar, soweit ich das beurteilen kann. Zumindest der Host und/oder das Alltagsteam. Das liegt aber, wie uns das erklärt wurde, hauptsächlich daran, dass eine DIS-Diagnose gleichbedeutend ist mit der Aussage: "Du hast in deiner Kindheit sehr viel Trauma erlitten." Woran sich aber gar nicht erinnert wird.</div><div style="text-align: justify;">Das ist die Stelle mit dem Krebs-Beispiel. Für viele Menschen ist es extrem schlimm zu erfahren, dass sie Trauma erlebt haben.</div><div style="text-align: justify;">Für uns war es das nicht. Das Trauma war ja schon da. Der Gedankengang war eher: "Ach, <i>deswegen</i> geht es mir so schlecht. Jetzt, wo ich das weiß, kann ich endlich was dagegen machen!"</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Wir empfangen "neue" (unbekannte) Systemmitglieder grundsätzlich mit offenen Armen. Von Anfang an. Neulich haben wir gelesen, dass das gar nicht geht, weil mehr Systemmitglieder ja zwangsläufig auch mehr Trauma heißt und das kann man ja nicht positiv finden.</div><div style="text-align: justify;">Und ja. Trauma kann man nicht positiv finden. Deshalb ist es auch vollkommen verständlich, wenn die erste Reaktion ist, Systemmitglieder abzulehnen. Man will nicht traumatisiert sein. Wirklich nicht. Niemand will das.</div><div style="text-align: justify;">Nur ist das nicht unsere Lebensrealität. Das Trauma ist ja nicht da, weil man jetzt dieses Systemmitglied kennengelernt hat. Es war schon viel früher da. Deshalb existiert dieses Systemmitglied ja überhaupt. Und das fühlen wir eben, so in uns drinnen. Andere Menschen fühlen es eben nicht, weil es (noch) wichtiger für sie ist, möglichst weit weg von ihrem eigenen Trauma zu sein.</div><div style="text-align: justify;">Und ja. Auch wir fühlen und denken manchmal Sachen wie: "Ich bin gar nicht wirklich traumatisiert. Und die DIS bilde ich mir auch nur ein. Genau wie das gesamte Trauma." Aber gleichzeitig ist seit Jahren der größte Punkt, an dem wir arbeiten, unsere Trauma-Akzeptanz. Andere Menschen haben andere Prioritäten. Das hier war unsere.</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Wir <i>sind</i> nicht unser Trauma. Wir sind durch Trauma entstanden, aber dass wir jetzt da sind, zeigt nicht mehr Trauma auf, das eigentlich nicht schon vorhanden war. Es ist alles schon passiert. Wir können genauso gut mit den Folgen leben.</div><div style="text-align: justify;">Und ja. Vielleicht ist das für andere Menschen schwieriger und das ist vollkommen okay. Das möchte ich immer wieder betonen. Ich möchte nicht erreichen, dass Menschen sich schlecht fühlen, weil sie (noch) viel mit Akzeptanz zu kämpfen haben. Ich möchte erreichen, dass Systeme aufhören, sich gegenseitig ihre Existenz abzusprechen, nur weil ein System anders ist als sie.</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Ja. Wir haben weniger Amnesie.</div><div style="text-align: justify;">Ja. Wir lieben uns gegenseitig. So gut wie man relativ fremde Menschen eben lieben kann.</div><div style="text-align: justify;">Ja. Vielleicht entspricht unser Erleben nicht der Norm.</div><div style="text-align: justify;">Aber wir haben trotzdem eine DIS und wir stigmatisieren nichts oder romantisieren Trauma, nur weil das für uns in Ordnung ist.</div><p></p><p style="text-align: justify;">Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.</p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-45231339985974804432021-04-25T07:55:00.001+02:002021-04-25T07:55:15.345+02:00#50: Pronomen<p style="text-align: justify;">Wir machen diesen Post heute mal anders. Ich hab eine lange Erklärung geschrieben, die mir aber ungenügend vorkommt, weil ich das Problem, das diese Erklärung lösen soll, nicht verstehe.</p><p style="text-align: justify;">Es geht um das Thema Pronomen. Leute sind sich oft sehr unsicher, welche Pronomen sie für uns verwenden sollen (Singular oder Plural), also wollten wir es erklären. Ich hatte dann fünfhundert Beispiele rausgesucht, aber hatte das Gefühl, eigentlich hab ich nur zwei Sätze immer und immer wieder geschrieben. Also sage ich erstmal, dass wir es, außer in sehr speziellen Spezialfällen von Pronomen-Falschnutzung, die bisher ein einziges mal in über einem Jahr vorgekommen sind, nicht schlimm finden, wenn man falsche Pronomen benutzt. Wir verbessern es vermutlich, aber es ist im Grunde nicht wichtig. Wir machen es selbst die Hälfte der Zeit nicht richtig (wir sind immerhin mit derselben Sozialisierung aufgewachsen, in der man grundsätzlich Singularpronomen benutzt).</p><p style="text-align: justify;">Ansonsten an dieser Stelle eine Anleitung für die richtige Nutzung von Pronomen bei uns:<br /></p><p style="text-align: justify;">1. Macht euch bewusst, dass wir ein System sind. Nicht <i>eine</i> Person, die Pluralpronomen benutzt. Wir sind Viele. Das ist nichts anderes, als würdet ihr über eure Klasse/Kollegen reden - da benutzt ihr auch manchmal Pluralpronomen, wenn es um alle als Gesamtheit geht und Singularpronomen + Name, wenn es um eine bestimmte Person aus der Klasse geht.</p><p></p><div style="text-align: justify;">2. Stellt euch folgende Frage: "Ist meine Nachricht an eine bestimmte Innenperson gerichtet?"</div><div style="text-align: justify;">Wenn ja: Singularpronomen. (Wenn die Person gerade nicht draußen ist, solltet ihr dazu erwähnen, an wen die Nachricht denn ist.)</div><div style="text-align: justify;">Wenn nein (oder ihr seid euch einfach nicht sicher): Pluralpronomen.</div><p></p><p style="text-align: justify;">Für mich ist das so natürlich, dass ich mich nicht genug in dieses Problem eindenken kann, um die Ursache der Unsicherheit so richtig zu verstehen. Also ist hier einfach unsere kurze Anleitung und ich frage stattdessen: habt ihr noch Fragen?</p>Unknownnoreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-70737778462262501932021-04-06T11:46:00.000+02:002021-04-06T11:46:00.204+02:00#47: Eltern<p></p><div style="text-align: justify;">Ich will mal was sagen. Diese Hochstellung von Eltern, die ich manchmal erlebe, kotzt mich richtig an. Eltern müssen einen nicht vergewaltigen, um scheiße zu sein. Eltern müssen nicht die Ausgeburt der Hölle sein, damit es gerechtfertigt ist, sie nicht zu mögen.</div><div style="text-align: justify;"><i style="font-style: italic;">Ja</i><i>, </i>kann sein, dass sie einen lieben und nur überfordert sind oder was auch immer. Kann sein, dass man eigentlich voll wichtig ist und sie es einfach nicht hinbekommen, es vernünftig zu zeigen, weil sie selbst Probleme haben. Es macht das Verhalten aber nicht besser. Es ist <i>scheiß egal</i>, ob ich jemanden liebe, wenn ich es nicht geschissen kriege, dass es auch ankommt. Es ist <i>komplett gleichgültig</i>, ob ich jemanden liebe, wenn ich ihn wie Müll behandel. Wenn ich jetzt anfangen würde, Menschen wie komplette Scheiße zu behandeln, würde auch niemand auf die Idee kommen zu sagen "ja, aber sie liebt xyz ja, mimimi". <i>Niemanden</i> interessiert, dass ich xyz liebe. Ich behandel ihn wie Müll, also ist es komplett verständlich, wenn er mich scheiße findet.</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Eltern sind keine magische Einheit, die plötzlich von dieser Regel ausgenommen ist, weil sie Eltern sind. <i>Die</i> haben sich entschieden, ein Kind in die Welt zu setzen. Wenn sie es <i>nicht mal</i> geschissen kriegen, dieses Kind nicht wie Abfall zu behandeln, dann verdienen sie echt keinen Funken von gar nichts. <i>Erst recht nicht</i> von dem Kind, das sie wie Abfall behandeln.</div><div style="text-align: justify;">Man muss nicht immer gleich jemanden vergewaltigen, damit man sich komplett scheiße verhält. Das versteht auch jeder in jeder erdenklichen Situation, aber dann kommen Leute an und meinen so Mimimi, es sind ja deine Eltern, Eltern lieben einen doch, bla. <b>Einen Scheiß tun sie. </b>Es ist komplett <i>scheißegal.</i> Du kannst Leute nicht wie Leute behandeln, geht nur Abfall? Dann hast du einfach keine Zuneigung von denen verdient. Schluss, aus, Ende. <i>Es interessiert niemanden</i>, dass du die angeblich voll liebst. <b>Und erst recht macht es keinen verdammten Unterschied</b>, ob du Elternteil bist oder was für eine Scheiße.</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;"><i>Ihr dürft</i> eure Eltern hassen.</div><div style="text-align: justify;"><i style="font-style: italic;">Ihr dürft</i><i> </i>enttäuscht von ihnen sein.</div><div style="text-align: justify;"><i style="font-style: italic;">Ihr dürft</i><i> </i>mehr von ihnen erwarten als diesen Scheiß, den sie euch geben.</div><div style="text-align: justify;"><i style="font-style: italic;">Und erst recht dürft ihr</i><i> </i>den Kontakt zu solchen Abfallmenschen abbrechen und es ist komplett egal, ob das nun eure Eltern sind oder eure Freunde oder eure Partner:innen.</div><div style="text-align: justify;">Und ihr braucht dafür auch nicht meine Erlaubnis oder die von irgendwem, ich geb sie euch nur trotzdem, weil ich weiß, wie wichtig es sein kann, dass es mal jemand sagt.</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Und die Leute in eurem Leben, die meinen, Eltern sind ja aber total wichtig, bla? <i>Scheiß auf die.</i> Das können die bestesten Freunde sein, dann haben sie halt einmal einfach Unrecht. Kann passieren. Wenn sie euch lieben, dann akzeptieren sie auch, dass ihr aber wisst, dass es für euch besser ist, keine Eltern zu haben.</div><div style="text-align: justify;">Und wenn eure Eltern toll sind? Fantastisch. Wirklich. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das ist, muss aber ein geiles Gefühl sein. Dieser Post ist definitiv nicht für euch.</div><div style="text-align: justify;">Und wenn eure Eltern scheiße sind, aber ihr trotzdem Kontakt haben wollt? Das ist voll okay. Man muss nicht jeden Menschen aus seinem Leben entfernen, der scheiße ist. Es kann gute Gründe geben, auch mit schlechten Eltern in Kontakt zu bleiben.</div><div style="text-align: justify;">Ihr solltet nur wissen, dass es komplett okay ist, eure Eltern nicht zu mögen, wenn sie euch keinen Grund dafür gegeben haben. Und dass ihr euch auch jederzeit anders entscheiden könnt. Ihr dürft mit eurer Zeit machen, was ihr wollt. Sie gehört niemandem anders.</div><p></p>Unknownnoreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-59528605061740250.post-77664063691289236602021-03-31T12:44:00.001+02:002021-03-31T12:44:08.826+02:00#46: Skills<p></p><div style="text-align: justify;">Als wir das erste mal bei einer Psychologin waren, Januar 2013, war unser größtes (bekanntes) Problem, dass wir uns selbst verletzten. Wir hatten keine Ahnung, dass wir traumatisiert waren, zu dem Zeitpunkt nicht mal eine Vermutung, verstanden nicht, dass wir konstant Angst vor Menschen hatten und erkannten nicht mal, dass der Grund dafür, dass wir uns selbst verletzten war, dass wir durchgehend gestresst und überfordert waren.</div><div style="text-align: justify;">Unsere Therapeutin gab uns eine kleine Liste mit Skills, die wir ausprobieren sollten und als davon absolut keiner half, gab sie uns eine sehr, sehr große Liste. Ich glaube, dort standen 500 Sachen drauf. Sogar nach Sinnesreizen geordnet, falls man schon eine grobe Idee hatte, was einem helfen könnte.</div><div style="text-align: justify;">Wir hielten damals schon nichts von Skills und tun es immer noch nicht. Für uns ist das einfach nichts, was sich sinnvoll anfühlt. Das Gefühl, sich selbst verletzen zu wollen, war in unseren Augen nie das Problem - das Problem war, dass wir uns überhaupt schlecht genug fühlten, um so etwas zu brauchen. Es verändert sich nichts, nur weil man einen anderen Weg findet, sich kurzzeitig zu entstressen. Klar, der andere Weg ist für den Körper gesünder und generell weniger gefährlich, aber für die Psyche tut es erstmal überhaupt nichts (für uns).</div><div style="text-align: justify;">Natürlich haben wir mittlerweile auch "Skills", die wir machen, wenn es uns schlecht geht. Aber das wichtige für uns ist, dass wir es nicht machen, weil Selbstverletzung böse ist. Das ist sie nicht. Sie ist genauso hilfreich wie alles andere auch (nur eben auch gefährlich). Sondern wir machen diese Dinge, weil sie uns in dem Moment am meisten helfen. Und manchmal verletzen wir uns selber, weil uns das in dem Moment am meisten hilft. Das ist dann halt so. Wir müssen nicht krampfhaft versuchen es zu ändern.</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Natürlich gibt es aber auch Menschen, denen Skills im Allgemeinen sehr helfen und so wurden wir neulich, als wir in einem Gespräch diese Liste erwähnten, gefragt, ob wir sie noch haben. Leider haben wir sie nicht mehr, aber dadurch, dass wir gefühlt hundert Sachen von der Liste ausprobiert haben bevor wir die Therapie absolut bescheuert fanden und sie abgebrochen haben, ist in unserem Gedächtnis trotzdem einiges hängen geblieben.</div><div style="text-align: justify;">Deshalb dachten wir, wir schreiben einfach mal auf, was uns so alles einfällt.<br />Es ist wichtig zu wissen - zumindest ist das bei uns so -, dass man keinen Skill finden kann, der in absolut jeder Situation hilft. Teilweise kann man Dinge in bestimmten Situationen einfach nicht machen (zum Beispiel losrennen, während man gerade in der Schule eine Präsentation hält) und außerdem kommt es auch immer sehr darauf an, warum es einem denn schlecht geht. Bei uns entscheidet sich unser Umgang mit der Situation sehr stark, je nachdem, ob wir eher dissoziieren oder eher überfordert sind, alleine oder unter Menschen sind, unter Freunden oder unter Fremden sind, ... und so weiter.</div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;">Unser wichtigster Skill ist Bewegung. Das muss nicht unbedingt Sport sein, aber Sport hilft unglaublich viel. Laut Musik an, viel bewegen, am besten währenddessen noch mitsingen, damit man auch schön außer Atem kommt. (Bitte nicht machen, wenn ihr nicht einschätzen könnt, wann etwas zu anstrengend wird. Es gibt ja einige Menschen, die so stark von sich selbst dissoziieren, dass sie Überanstrengung nicht mehr wahrnehmen.) Teilweise gehen wir auch einfach Spazieren. Oder wir laufen bei 5 Grad im T-Shirt auf unserem Balkon hin und her. Das sind nämlich gleich zwei Skills in einem -</div><div style="text-align: justify;">Kälte. Bei viel zu wenig Grad für eine Minute in zu wenig Kleidung rausgehen. Kaltes Wasser über die Pulsadern laufen lassen. Kalt duschen. Sport machen und danach kalt duschen (auch wenn man nicht gestresst ist ein sehr tolles Gefühl, vor allem im Sommer!).</div><p></p><p style="text-align: justify;">Wir machen außerdem extrem viel mit unseren Händen. Auf Kleidung herumrubbeln (deshalb gehen alle unsere Hosen irgendwann immer über dem rechten Knie kaputt). Mit den Fingernägeln auf Sachen rumtippen. Dinge in den Händen drehen. Sachen (unser Handy) in die Luft werfen und wieder auffangen. (Das bitte nur, wenn euer Handy einen Fall auf den Boden überlebt.) Neulich haben wir Knete entdeckt, wobei wir die nur in unserer Wohnung benutzen, weil man sonst solche Knetrückstände an den Händen hat, wenn man sie nicht waschen kann und das fühlt sich nicht toll an. Wenn wir bei anderen Menschen sind, umarmen wir diese gerne, insofern sie das möchten. Oder wir knuddeln Plüschtiere!</p><p style="text-align: justify;">Ungesündere Skills, die wir nutzen, sind Selbstverletzung (meistens Fingernägel irgendwo in der Haut vergraben oder diese aufkratzen) und Essen.<br /></p><p></p><div style="text-align: justify;">Früher war tatsächlich einkaufen ein Skill, wir fanden es einfach voll toll, in Läden zu gehen und uns all die tollen Sachen anzugucken. Wir haben meistens nicht mal was gekauft oder nur eine Paprika, die wir eh noch fürs Abendessen brauchten oder so. Es war einfach so schön zu sehen, was es alles für tolle Sachen auf der Welt gibt!</div><div style="text-align: justify;">Während Corona ist Einkaufen natürlich eher Stress als irgendetwas anderes.</div><p></p><p style="text-align: justify;">Und damit kommen wir nun zu der Liste. Das sind einfach alle Sachen, die uns einfallen, die uns damals gesagt wurden, die wir mal von jemand anderem gehört haben oder selbst ausprobiert haben. In keiner bestimmten Ordnung und ohne lange Erklärungstexte. Einfach so für andere Menschen als Inspiration.</p><p style="text-align: justify;">- in eine Chili beißen<br />- Eiswürfel lutschen<br />- Bewegung<br />- Sport<br />- kalt duschen<br />- heiß duschen<br />- kaltes Wasser auf Pulsadern<br />- mit einem roten Stift Linien auf die Arme zeichnen (dafür eignen sich so billige Aquarell-Buntstifte sehr gut, insofern man sie vorher kurz in Wasser hält)<br />- laut Musik hören<br />- Tanzen<br />- entspannende Musik hören<br />- Videospiele<br />- 40 minütige Sprachnachricht an persönliches ruru darüber machen, warum diese eine Person/Situation einfach so richtig beschissen ist<br />- mit einem Gummiband gegen das Handgelenk schnalzen<br />- Igelbälle kneten<br />- Igelbälle auf einem rumrollen<br />- Baden, am besten mit irgendwelchen tollen Duftsalzen oder ähnlichem<br />- Duftkerzen anzünden<br />- toll riechenden Tee machen (zum Beispiel Mandelmilch-Tee von TeeGschwender!)<br />- Zeichnen (muss nicht hübsch sein, einfach seltsame Kringel oder so)<br />- bewusst atmen (bitte passt da auf euch auf, wenn ihr traumatisiert seid; das kann wohl triggern)<br />- Knete kneten (wir machen da gerne geometrische Formen draus, also Kugeln, Zylinder, Pyramiden, ...)<br />- mit Freunden reden<br />- Schreiben<br />- Mathematik (natürlich nur, wenn man das mag; wie bei allem anderen auch)<br />- flauschige Streams schauen<br />- Dinge schauen/lesen, bei denen man etwas fühlt (wir schauen oft sehr traurige Animes, wenn wir dieses Gefühl von "ich fühle nichts, will aber was fühlen" haben)<br />- toll riechende (Hand)Creme<br />- Kochen<br />- sich ganz fest in eine Decke einwickeln (hilft wohl vielen Menschen, weil es angeblich Sicherheit gibt ... wir fühlen uns dadurch total eingeengt und bekommen Angst; bitte immer auf euer eigenes Gefühl hören)<br />- sich nicht fest in eine lockere, flauschige Decke wickeln<br />- heiße Schokolade machen<br />- diese Bläschen bei Luftpolsterfolie zerdrücken<br />- Schlafen<br />- Dinge zerreißen (endlich könnt ihr all die Kartons, die ihr noch zum Müll bringen müsst, klein hacken!)<br />- Dinge aufzählen, die man sieht, die eine bestimmte Farbe haben<br />- eine genaue Liste machen mit allen Sachen, die man noch machen <i>muss</i> (hilft, wenn man sich überfordert fühlt, weil man sich dann an etwas langhangeln kann)<br />- Ausmalbücher<br />- Singen<br />- Selbstgespräche (sich selbst sagen, dass alles gut ist/wird)</p><p style="text-align: justify;">Wenn ihr Sachen findet, die euch helfen, könnt ihr am besten eine Liste machen, vielleicht sogar mit Notiz in welchen Situationen diese Dinge genau helfen und in welchen nicht, dann müsst ihr euch, wenn es euch schlecht geht, nur die Liste anschauen und vermutlich findet ihr irgendetwas, das hilft.</p>Unknownnoreply@blogger.com0