Auf diesem Blog geht es um Trauma, Traumafolgestörungen und unser Leben damit.
Bitte achtet auf eure Grenzen beim Lesen der Texte.

Mittwoch, 22. November 2023

141

Ich habe selbst keine Ahnung, wie schlecht es uns eigentlich geht.
Ich stelle Probleme erst fest, wenn sie nicht mehr da sind.
Wir haben seit Jahren jeden Tag Schmerzen, aber ich dachte, uns belastet das nicht, bis wir vor zwei Jahren mal zwei Wochen lang jeden Tag Schmerztabletten genommen haben. Es ging uns plötzlich viel besser, wir hatten viel mehr Energie für den Tag.
Gerade haben wir starke Schlafstörungen, zum ersten Mal in unserem Leben. Vorher sind wir zwar jede Nacht zwischendurch aufgewacht, aber da wir immer sofort wieder einschlafen konnten und uns auch ausgeschlafen fühlten, hatte ich nicht das Gefühl, dass es ein Problem ist. Jetzt haben wir aufgrund der starken Schlafstörungen Beruhigungsmittel ausprobiert – nicht mal viel, ⅓ der auf der Packung angegebenen Dosierung (also eine Tablette der niedrigsten Dosierung, die wir finden konnten, pro Tag). Ich fühlte mich noch nie so entspannt in meinem gesamten Leben. Ich hab das Gefühl, es könnte was Schlimmes passieren und ich könnte damit umgehen wie ein normaler Mensch. Samstag ist unsere Heizung ausgefallen (schon wieder, sie ist kaputt und wir warten auf eine neue) und nach anfänglichem 20minütigen Weinen, weil alles in dieser Wohnung kaputt ist und wir das gerade echt nicht gebrauchen können, dass wir uns alle drei Tage um irgendetwas daran kümmern müssen, haben wir mit dem Techniker telefoniert und uns Kuscheldecken und Wärmeflaschen geholt und die Vermieter gefragt, ob sie uns eine portable elektrische Heizung besorgen können bis die neue Heizung geliefert wurde (was sie dann auch getan haben).
Wir wachen nachts auch nicht mehr zwischendurch auf.
Natürlich habe ich in der Vergangenheit gemerkt, wenn wir Albtraumphasen hatten, dass es uns viel schlechter geht als sonst. Normalerweise haben wir nämlich nur einen Albtraum pro Woche und dann eben plötzlich jede Nacht mehrere. Aber wie soll ich bemerken, wenn der beste Zustand, den ich im Alltag jemals erreichen konnte, mich belastet? Ich kenne kein Leben Davor.

Seitdem frage ich mich, wie doll es mich eigentlich belastet, Amnesie zu haben. Wie sollte ich das feststellen? Das Einzige, was ich dazu weiß, ist: letztes Jahr konnten wir vorübergehend ein anderes Medikament nehmen als wir normalerweise nehmen und mussten dadurch statt zwei mal am Tag (mit einem Abstand von mindestens sechs Stunden dazwischen) nur noch einmal am Tag an unsere Medikamente denken (auch wenn die Menge annährend dieselbe war). Es fühlte sich an wie ein anderes Leben. Ich fühlte mich total befreit und habe es nie vergessen, die Tabletten zu nehmen (im Gegensatz zu normalerweise, wo wir ständig die Morgensdosis vergessen bis es uns dann um 15 Uhr einfällt, aber dann ist es halt auch zu spät). Natürlich geht es uns körperlich auch besser, wenn wir nicht ständig vergessen, unsere Medikamente zu nehmen. Natürlich wusste ich das auch. Aber ich wusste eben nie, dass es mich psychisch belastet es ständig zu vergessen. Wo belastet mich das noch? Ich kann es nicht wissen.

Natürlich ist mir zumindest auch bewusst, dass ich mich im Alltag deutlich belasteter fühlen würde, wenn wir nicht den ganzen Tag Zuhause wären, sondern beispielsweise Arbeiten würden. Vielleicht würde mir dann jemand eine Aufgabe mitteilen und ich würde sie vergessen und das würde mich dann total stressen. Zumindest vergesse ich ja auch so ständig alles, was ich eigentlich machen soll und muss mir für alles Listen machen. Aber ich arbeite ja nicht, also kann ich es nicht wissen. Außerdem vergessen ja auch Menschen ohne Amnesie Dinge – ich weiß nur nie wie viel.

Dann wird mir gesagt, ich scheine wenig belastet, während ich weiß, dass, sobald ich versuche irgendetwas zu machen, es mir schlecht geht. Nicht unbedingt so schlecht, dass ich nicht damit leben kann, aber so schlecht, dass ich weiß, dass ich nicht langfristig damit leben könnte. Und in der Tagesklinik funktionierte das, weil es ja nur neun Wochen waren. Und wenn ich mich mit Freunden treffe, funktioniert das, weil ich sie ja nicht jeden Tag sehen muss und ansonsten nichts machen muss. Ich will arbeiten und ich rede mir ein: na ja, ich fang einfach damit an (sobald ich Therapie habe) und dann kann ich schon jedes aufkommende Problem irgendwie lösen und dann funktioniert das schon alles! Weil ich es so satt habe jeden Tag einen ganzen Tag zu haben, von dem ich langsam einfach nicht mehr weiß wie ich ihn füllen soll.

Das existiert alles, aber irgendwie hört es nie jemand. Und wer weiß, vielleicht geht es mir ja wirklich verhältnismäßig extrem gut. Ich dachte das selber immer. Langsam weiß ich es nur nicht mehr. Was verhältnismäßig ist oder wie es eigentlich anderen Menschen geht.
Ich weiß, dass ich nicht jeden Tag Albträume habe und dass ich mich nicht selbst hasse, meistens, und dass ich Blyth endlich seit einem Jahr nicht mehr geschrieben habe und dass ich mich nicht mehr aufschneide und dass ich nicht mehr das Gefühl habe, ich verdiene es nicht, gut behandelt zu werden und dass ich nicht morgens aufstehe und mein Leben hasse und dass ich so gut wie nie Suizidgedanken habe.
Ich weiß aber auch, dass ich seit Jahren nichts mehr Lesen kann, weil ich dabei so stark dissoziiere, dass ich danach nicht zurück in die Realität finde und dass ich gerne DMen würde, aber nicht kann, weil irgendetwas in mir so ein Problem damit hat, irgendetwas mit meiner Stimme zu machen und ich weiß nicht mal, warum, und ich weiß, dass ich mir durchgehend darüber Gedanken mache, was andere Leute über mich eventuell denken könnten, weil, wenn das was Negatives wäre, ist das ja gefährlich und dann passieren ganzschlimmedinge und ich muss das irgendwie verhindern und ich weiß, dass ich mich einsam fühle, aber keine Freundschaften schließen kann, nicht mal, weil die Leute wieder gehen, sondern es passiert einfach nicht, beziehungsweise selbst, wenn ich jemanden kennenlerne, dann habe ich einfach keine Bindung, und ich habe keine Ahnung warum, was ich eigentlich machen muss, was ich früher anders gemacht habe, weil ich mich nicht erinnere und ich vermisse Blyth immer noch und ich verstehe nicht, ob das irgendwann aufhört und ich stelle nie fest, dass ich ein Problem habe bis ich es monatelang ausgeblendet habe und es total schlimm geworden ist und so viel, was ich nicht mal ausdrücken kann und dann gehe ich zum Psychologen und selbst, wenn ich irgendwas sage, ist es die Stunde danach als hätte ich es nie gesagt, ich bin ja kaum belastet und in jeder Therapie werde ich irgendwann gefragt, warum ich überhaupt noch da bin, mir geht's doch gut, mir geht's doch gut, mir geht's doch gut und ich habe keine anderen Probleme als welche, die ohnehin jeder Mensch hätte.
Ich verstehe nicht, was ich falsch mache.

Montag, 13. November 2023

#140: abhängig

Machst du mich high?
Dämonen, denen ich nie entkomm.
Lässt du mich sein,
wenn ich wegrenn, sobald du näher kommst?

Ja, ich weiß, ich gab dir all diese Macht.
Fast schon so als wäre Leid der einzige Freund, den ich hab.

Saugst du mich aus?
Fühl ich mich deshalb so leer?
Egal, was du machst,
ohne dich atme ich nicht mehr.

Und ich weiß, ich gab dir all diese Macht.
Langsam begreif ich, dass „ich schaff das“ bloß eine Lüge war.

Als könnt ich nicht atmen.
Als wäre ich blind, seh nichts als dich.
Am Rande des Wahnsinns
bin ich von dir abhängig.
Mein Kopf wird nie leer,
wenn du nicht nimmst, was immer ich
doch nur träum. Hab längst nicht mehr
die Kontrolle über mich.
Als wär ich nicht ich.
Als wär ich nicht ich.

Bin ich verlor'n?
Ich sollte aufgeben, vielleicht.
Bin verfolgt von dir, tief in mir –
lass mich allein.

Und ich weiß, was ich fühle, ist, was mir die Wahrheit zeigt:
dass sich nie etwas ändern wird, lass ich dich nicht endlich sein.

Als könnt ich nicht atmen.
Als wäre ich blind, seh nichts als dich.
Am Rande des Wahnsinns
bin ich von dir abhängig.
Mein Kopf wird nie leer,
wenn du nicht nimmst, was immer ich
doch nur träum. Hab längst nicht mehr
die Kontrolle über mich.
Als wär ich nicht ich.
Als wär ich nicht ich.

Ich will dich, ich brauch dich, sonst halt ich's nicht aus, ich –
„nur einmal noch“, schwör ich, dann geh ich, dann geh ich.
Ich weiß, wie das geht, ich – ein letztes Mal, dann kann ich
aufhör'n. Ich halt mich nicht aus. Bloß ein wenig.

Ich will dich, ich brauch dich, sonst halt ich's nicht aus, ich –
„nur einmal noch“, schwör ich, dann geh ich, dann geh ich.
Ich weiß, wie das geht, ich – ein letztes Mal, dann kann ich
aufhör'n. Ich halt mich nicht aus. Bloß ein wenig.

Als könnt ich nicht atmen.
Als wäre ich blind, seh nichts als dich.
Am Rande des Wahnsinns
bin ich von dir abhängig.
Mein Kopf wird nie leer,
wenn du nicht nimmst, was immer ich
doch nur träum. Hab längst nicht mehr
die Kontrolle über mich.
Als wär ich nicht ich.
Als wär ich nicht ich.

Donnerstag, 9. November 2023

139

Seit du mir geschrieben hast, kann ich nicht abschalten. Ich wache auf, mitten in der Nacht, und ich kann nicht mehr schlafen, kann es nicht mal versuchen, ich denke nach und nach und nach und
ich mache mir durchgängig Gedanken darüber, was meine Probleme sind, was ich in meinem Leben schon falsch gemacht habe, weshalb ich eigentlich in Therapie gehe, wie ich das eigentlich erkläre, schreibe Text um Text um Text und komme nirgendwo an,
ich hab das ja schon aufgeschrieben, meine großen Probleme, die wichtigsten Sachen fürs Erstgespräch. Warum mache ich mir noch Gedanken? Warum starte ich immer wieder neu? Was 2013 war, ist irrelevant.
Ich zerdenke all deine Vorwürfe, wie ich mit Kritik umgehe, es war nie ein Problem für irgendjemanden außer dich, glaube ich, richtig, wie kann ich mir sicher sein, wenn ich Amnesie habe? Ich wüsste es, wenn mir das schon mal jemand gesagt hätte, richtig?

Ich suche Aufmerksamkeit, sagst du, was heißt das überhaupt? Ich hab ein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, weil ich mich gesehen fühlen will, ich struggle damit, weil ich es gleichzeitig nicht will - ich bin schlecht und wenn ich gesehen werde, erkennen das Menschen, aber gleichzeitig ist gesehen werden Sicherheit, ist der Grund, warum mir so schnell so viele Leute mitgeteilt haben, dass ich missbraucht werde.
Du wirfst mir ein Bedürfnis nach Bestätigung vor. Du verstehst nicht, wie ich denke. Mich kann nichts bestätigen, weil ich meinen eigenen Gedanken, meiner eigenen Wahrnehmung nicht vertraue. Deshalb renne ich so viel zu anderen Menschen, um ihre Meinung zu erfahren, weil ich mir selbst keine geben kann, ich habe keine Ahnung, ob ich missbraucht werde oder warum es mir in der Beziehung so schlecht geht, also frage ich und frage ich und frage ich und erst, wenn mir so viele Menschen, denen ich vertraue, sagen, dass es Missbrauch ist, kann ich das selbst für mich annehmen.
Das war mal anders. Bei Blyth habe ich meine Wahrnehmung mit allen Mitteln verteidigt: Blyth ist flauschig. Blyth missbraucht mich nicht. Ich bin kommunikationsunfähig! Ich hab den Kontakt zu jeder Person abgebrochen, die mir etwas anderes erzählen wollte, weil es so wichtig für mich war. ruru meinte, ich habe ihm mal gesagt, ich muss davon ausgehen, dass das Problem auf meiner Seite lag, weil sonst mein Leben zerbricht.

In a way wirfst du mir dasselbe vor, das Blyth mich hat glauben lassen: ich kommuniziere meine Bedürfnisse so gestört, dass kein normaler Mensch in der Lage wäre zu verstehen, was ich eigentlich will, und dann bin ich verletzt, weil diese Bedürfnisse nicht erfüllt oder Grenzen überschritten wurden, aber dadurch liegt es eben immer an mir und nicht an der anderen Person. Ich habe eben nicht deutlich genug gesagt, dass ich keinen Sex* will. Ich habe nicht deutlich genug gesagt, dass ich nur unsexuelle Nähe will. Ich habe nicht deutlich genug gesagt, dass ich krank bin und Fieber habe, habe nicht gut genug erklärt, warum ich nicht telefonieren will und Zeit für mich brauche, hab nicht verständlich genug gemacht, wovon genau ich mich manipuliert fühle.
Du beschwerst dich, dass ich unsere Beziehung mit der mit Blyth vergleiche, von „Parallelen“ spreche oder wie ich mich  genauso fühle, weil Blyth viel schlimmer ist als du.
Aber ich kann's nicht mehr sehen. Blyth lässt mich wenigstens abschließen. Blyth lässt mich wenigstens in Ruhe. Blyth weiß wenigstens ganz genau, dass er mich missbraucht hat.
Du reißt mein Leben jedes Mal wieder zurück in dieselbe Abwärtsspirale. Jedes Mal, wenn ich halbwegs abschließen konnte, stehst du vor meiner Tür oder ich erhalte eine weitere seitenlange Nachricht von dir darüber, wie gestört ich bin, wie sehr ich Hilfe brauche (deine), wie sehr ich niemandem in meinem Leben trauen kann (außer dir). Ich hasse dich. Lass mich endlich in Ruhe.
Ich schreibe diese Texte nicht für dich, ich existiere nicht für dich, verpiss dich von meinem Blog.