Auf diesem Blog geht es um Trauma, Traumafolgestörungen und unser Leben damit.
Bitte achtet auf eure Grenzen beim Lesen der Texte.

Montag, 6. Februar 2023

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Ich war bei der Polizei, dich anzeigen. Na ja - eher aufnehmen lassen, dass du den ganzen weiten Weg von Nürnberg nach Hamburg gefahren bist, um vier Monate nach Ende der Beziehung ein Treffen und ein Gespräch zu erzwingen, das ich unmissverständlich nicht wollte. Eine Straftat ist das natürlich nicht. Das ist nur meine Absicherung, falls ich jemals durchsetzen muss, dass du mir fern bleibst.
Es war seltsam. Das Gebäude zu betreten, über das ich so oft nachgedacht habe.
„Ich möchte etwas anzeigen.“
Kurz stand ich da, während der Polizist alles aufgeschrieben hat, und habe mich gefragt, ob ich auch noch meinen Vater anzeigen sollte. Oder Blyth, wo ich schon dabei war. Es alles erzählen, in die Welt bringen, aus mir raus schreien. Ob sich die Worte dann schützend um mich legen, die ständige Erinnerung daran, dass ich nichts nichts nichts beweisen kann, endlich egal wird.
Als wäre es real geworden, weil es in irgendeinem staatlichen Computer steht.
Als hätte ich endlich Nein gesagt.

Ich hab das Gefühl, als würde ich von Innen verbrennen. Plötzlich, endlich, habe ich gelernt, wie Widerstand funktioniert. Ich hab mich vier Wochen von dir missbrauchen lassen, vier Wochen zu viel, aber es waren nur vier Wochen. Ich hab dir ein Gespräch gegeben, bin gegangen, eine Nachricht gegeben, nicht mehr und dann habe ich dir innerhalb von fünf Minuten die Tür vorm Gesicht zugeschlagen.
Unmissverständlich.
Ich will dich nie wieder in meinem Leben haben.

Vielleicht ist das der höchste Punkt, den man erreichen kann. Ein Punkt, an dem ich nicht mehr verstumme, mein Nein durchsetze, wieder und wieder und wieder und immer mehr. Vielleicht ist es für all die Neins, die ich nie gesagt habe, zu spät.
Vielleicht ist das hier Therapie. Nicht der sichere Ort der Psychologenzimmer, die Frauentraumagruppen, das Vermeidungsverhalten, in das ich gedrängt werde, das ich nie wollte. Die Welt, in der man sich selbst am allermeisten glauben muss.