Auf diesem Blog geht es um Trauma, Traumafolgestörungen und unser Leben damit.
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Donnerstag, 1. Juli 2021

#61: get out while you can

In einer anderen Welt habe ich Ja gesagt, als du gefragt hast, ob du vorbeikommen kannst und vielleicht wären wir dann immer noch befreundet. Das ist ein Gedanke, der meinen Kopf nicht verlässt. Ich lebe immer noch in einer Welt, in der du fehlst, obwohl du doch gar nicht weit weg bist.
Die Antwort ist vermutlich Nein. Du warst immer weg, noch bevor du überhaupt gegangen bist. Dass ich Teil deiner realen Welt geworden wäre, hätte nichts daran geändert.
Weißt du, es hat eigentlich auch gar nicht so viel mit dir zu tun. Mein Gehirn hängt sich nur an jeden Fetzen Verlassen als wäre es das Wichtigste, was jemals passiert ist. Ich kann Menschen jedes Jahr Nachrichten schreiben, weil ich mir Sorgen mache, dass sie tot sein könnten und wenn sie mir nach sechs Jahren antworten, bin ich trotzdem enttäuscht, dass ich die Freundschaft nicht wiederhaben kann.

Ich hätte nicht mehr viel darüber nachgedacht, dass du irgendwie hier bist, aber eben irgendwie auch nicht, wenn ich nicht geträumt hätte, dass du mir geschrieben hast. So etwas träume ich oft. Manchmal vergesse ich aber auch Sachen und denke, ich habe sie geträumt, aber später merke ich, dass sie real passiert sind und ich einfach nur Amnesie habe. Deshalb hab ich gesucht und gesucht. Es war ein Traum, dessen bin ich mir inzwischen sicher. Auch wenn ich es erst nicht komplett ausgeschlossen hatte, dass es tatsächlich passiert ist, weil es definitiv Beschützer hier gibt, die dich nicht in unserem Leben haben wollen würden. Als wärst du die einzige Person, die wegrennt.
Du bist nur unbeständig genug, um wiederzukommen. Wenn wir rennen, dann ist das nie nur vorübergehend. Dass ich dasselbe Gefühl in anderen Menschen auslöse wie du in mir, das ist mir trotzdem in all den neun Jahren nie aufgefallen. Wie absolut grausam, nicht war? Ich kann Herzen zerstückeln ohne es überhaupt wahrzunehmen.
Du könntest jederzeit zurückkommen und ich denke, das ist gut so. Ich glaube, ich könnte nie zurückkehren. Ich habe mir selbst schlichtweg keine Möglichkeit gelassen.
Manchmal zerbreche ich mein eigenes Herz.

Aber die Wahrheit ist auch, dass es nichts an meiner chronischen Einsamkeit geändert hätte, wäre 2014 anders verlaufen und ich hätte niemanden verloren. Ich konnte ohnehin nie irgendetwas halten. Wenn Menschen stattdessen mich verlassen, fühlt es sich nur eben unfertig an. Und ich frage mich oft, ob sie dasselbe Gefühl haben von Zurückgehen wollen und wir haben unsere Telefonnummer geändert und unseren gesamten Namen und niemand wird uns jemals wiederfinden können. Selbst wenn irgendjemand hier wäre - niemand von uns ist mehr Melanie und erst Recht nicht [Ausweisname], unser Blog heißt 'Cirrus Floccus' und nichts hier spricht wirklich darüber, dass es irgendwann mal anders war. Wir können nicht zurückgehen und niemand wird jemals zu uns zurückkehren können. Manchmal macht mich das unendlich traurig.
Als ich diesen Text hier angefangen habe, habe ich versucht, eine Liste zu schreiben mit Blognamen, die wir im Laufe der Zeit hatten. Das ist witzlos, wenn man Amnesie hat, habe ich festgestellt. Ich habe keine Ahnung. Es würde auch nicht besser machen, dass ich einfach nur erklären will, was ich 2014 nicht erklären konnte, wofür ich mir selbst jede Möglichkeit genommen habe. Ich fand es nur interessant, rede ich mir selbst ein. Weil das besser macht, dass ich vor meinem Leben davongerannt bin.

2 Kommentare:

  1. "und niemand wird uns jemals wiederfinden können. Selbst wenn irgendjemand hier wäre" - Ich bin hier. Und es spielt keine Rolle, dass ihr nicht mehr Melanie seid oder [Ausweisname] oder Briefe an Niemanden schreibt.

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    1. Nein, tut es wirklich nicht und ja - die paar Menschen, die uns hier noch folgen oder wo wir Kommentare auf deren Blogs haben, die können uns natürlich finden. Nur, wenn sich so jemand denkt "hm, ich frag mich, was eigentlich Melanie mittlerweile macht", dann wird die Person nichts finden, so gar nichts. Das gehört vermutlich auch zum Leben dazu. Schade ist es trotzdem immer. Nochmal doppelt, weil wir den Kontakt häufig wegen Problemen abgebrochen haben, die nicht mehr da sind, seitdem wir diagnostiziert wurden.

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